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Telekom Kostenexplosion beim Breitband im Harz

Telekom übernimmt anstelle von MDDSL: Beim geförderten Breitbandausbau im Harzkreis droht ein Kostenanstieg um mehrere Millionen Euro.

Von Dennis Lotzmann 17.07.2020, 11:53

Wernigerode l Rund 2,7 Millionen Euro: Um diesen Betrag wird sich der geförderte Breitbandausbau im Bereich Harzgerode nach Informationen der Volksstimme aller Wahrscheinlichkeit nach verteuern. Zumindest ist das nach Recherchen der Volksstimme der Preis dafür, dass die Deutsche Telekom das Ausbaulos für insgesamt elf Harzgeröder Ortsteile von der Magdeburger Firma MDDSL übernimmt und so das ins Stocken geratene Programm final abschließt. Der Harzkreis sei gewillt, diese Offerte anzunehmen, hat Theo Struhkamp, im Wirtschaftsministerium federführend verantwortlich für den geförderten Breitbandausbau, am Mittwoch angekündigt. Analog gelte dies auch für das Stadtgebiet Ilsenburg und die Wernigeröder Ortsteile Reddeber, Minsleben und Schierke. Auch hier habe die Telekom alternative Offerten vorgelegt, die der Landkreis Harz anzunehmen beabsichtige, so Struhkamp.

So weit, so mager: Mehr konkrete Fakten ließ sich der Ministeriumsmitarbeiter nicht entlocken. Stattdessen Forderungen sowie eher pauschale Formulierungen und das, was man gemeinhin am treffendsten als Zweckoptimismus beschreiben würde. Bund und Land seien gefordert, die Finanzierung sicherzustellen, wobei „das Land seinen Beitrag erfüllen will“. Ob das auch für den Bund – bislang förderseitig mit 40 Prozent an den Ausbaukosten beteiligt – gilt, bleibt abzuwarten. Und: „Ich bin optimistisch, dass der Ausbau zeitnah erfolgt“, so Struhkamp.

Anwohner und Firmen vor Ort dürften damit zumindest aufatmen, denn wenigstens hat damit die monatelange Zitterpartie rund um den Ausbau und die Absage von MDDSL sehr wahrscheinlich ein Ende. Die Kehrseite: Es wird noch dauern und der Steuerzahler wird bluten müssen.

Zwar wollte Struhkamp keinerlei Zahlen nennen – nach Informationen der Volksstimme soll die sogenannte Wirtschaftlichkeitslücke im Zuge des Wechsels von MDDSL zur Telekom im Bereich der elf Harzgeröder Ortsteile von rund zwei auf nunmehr rund 4,7 Millionen Euro geklettert sein.

Die Wirtschaftlichkeitslücke beschreibt die finanzielle Spanne zwischen dem Investitionsaufwand, der sich aus Sicht der Netzbetreiber noch wirtschaftlich rechnen würde, und dem tatsächlich nötigen Investitionsaufwand. Die öffentliche Hand – Land (50 Prozent), Bund (40 Prozent) und Landkreis (zehn Prozent) – schließen diese Lücke im Rahmen des aktuellen Förderprogramms und machen die Gesamtinvestition damit für die Unternehmen wirtschaftlich tragbar.

Ein Prinzip, das in den vergangenen zweieinhalb Jahren vielerorts im Harzkreis Früchte getragen hat. In zahlreichen Regionen starteten die Telekom und MDDSL den geförderten Ausbau. Allein die Telekom hat ihre Ausbaulose bislang abgeschlossen. Damit haben Privatkunden im Download mindestens 50 Megabit/Sekunde anliegen, bei Firmen sind es sogar superschnelle Glasfaseranbindungen im Gigabit-Bereich.

MDDSL hat nach eigenen Angaben bislang lediglich den Osterwiecker Ortsteil Hessen fertiggestellt. Ansonsten hat das Magdeburger Unternehmen zwar punktuell gebaut, aber noch zahlreiche Lücken. Obendrein hat es mit Negativ-Schlagzeilen geglänzt. Im vorigen Sommer gab es in Osterwieck Baustopps, weil ohne Schachtgenehmigung Tiefbauarbeiten liefen.

Konsequenz: Das Unternehmen ist in zeitlichem Verzug. MDDSL-Chef Andreas Riedel sprach am Mittwoch davon, dass bis zum vierten Quartal Osterwieck folgen soll und Ballenstedt im ersten Quartal kommenden Jahres. Was ein Jahr Verzug bedeuten würde: Laut Vertrag hätte der Ausbau bis Anfang 2020 realisiert sein sollen.

Und: Riedel hatte schon Ende 2018 mit der Ankündigung, die Ausbaulose Wernigerode-Ortsteile, Ilsenburg und Harzgerode-Ortsteile trotz des erhaltenen Zuschlags nicht realisieren zu wollen, hinter den Kulissen für Wirbel gesorgt.

Nach Informationen der Volksstimme soll der Wechsel von MDDSL zur Telekom im Raum Ilsenburg/Wernigerode-Ortsteile ohne nennenswerte Änderungen der finanziellen Konditionen möglich sein. Anders jedoch im Bereich Harzgerode, wo es besagte Mehrkosten in Höhe von rund 2,7 Millionen Euro geben soll. Ursächlich sind offenbar die schwierigen topografischen und geologischen Bedingungen im Bereich des Selketals.

Dass diese letztlich ihm wegen vertraglicher Nichterfüllung in Rechnung gestellt werden könnten, sieht Riedel nicht. „Wir konnten dort die geplanten Trassen aus wegerechtlichen Gründen nicht nutzen – das ist laut Vertrag ein berechtigter Grund für einen Vertragsrücktritt“, so der Geschäftsführer.

Eine Sicht, die offenbar auch die Verantwortlichen teilen: Zwar will sich Struhkamp nicht im Detail zu den vertraglichen Eckdaten äußern. Nach Informationen der Volksstimme scheint man ein juristisches Tauziehen nicht in Betracht zu ziehen. Stattdessen erklärt Struhkamp vielsagend: „Unser Interesse ist darauf gerichtet, dass wir eine Lösung finden – entscheidend ist, dass ausgebaut wird.“

Soll heißen: Aller Wahrscheinlichkeit nach werden Land und Bund – und damit letztlich der Steuerzahler – die Mehrkosten irgendwie stemmen müssen. Diese steigen nach Recherchen der Volksstimme von den bislang für den Harzkreis insgesamt veranschlagen rund 8,8 Millionen Euro auf rund 11,5 Millionen Euro Zuschussbedarf, um besagte Wirtschaftlichkeitslücken zu schließen.

Und der zeitliche Fahrplan, um die drei Bereiche breitbandseitig auszubauen? „Zeitnah“, sagt Struhkamp und lässt sich schließlich „Ende 2022“ entlocken. Das Problem: Die Telekom hält sich neuerdings bei Ausbauverträgen ein Zeitfenster von vier Jahren offen.

Harzgerodes Bürgermeister Marcus Weise (CDU) reagierte am Mittwochabend erfreut auf die Entwicklung. „Es ist toll, dass wir jetzt von einem professionellen Anbieter erschlossen werden.“ Die Telekom habe in der Vergangenheit das Breitbandnetz im Stadtgebiet von Harzgerode ausgebaut – das habe problemlos geklappt. Nunmehr müssten die elf Ortsteile bis Ende 2022 ans schnelle Netz, skizziert Weise seine zeitlichen Forderungen. „Das muss oberste Priorität haben, länger darf es nicht dauern, sonst geht in der Bevölkerung noch mehr Vertrauen verloren als ohnehin schon.“

Auch Ilsenburgs Bürgermeister Denis Loeffke (CDU) jubelt: „Die Telekom war schon immer unsere Vorzugslösung. Gut, dass sie jetzt nach sehr viel Zeitverzug doch noch zum Zuge kommt. Nun muss Tempo gemacht werden, damit der Ausbau so schnell wie möglich erfolgt.“

Allein: Die Perspektive für die kreisweit gut 6000 Haushalte – darunter auch der komplette Huy-Ortsteil Huy-Neinstedt, die im Rahmen der Ausschreibung für das aktuelle Förderprogramm schlichtweg vergessen wurden, bleibt unklar. Sie kommen laut Kreisverwaltung erst beim nächsten Förderprogramm zum Zuge.

Dafür laufen aktuell gerade die allerersten Schritte an: Markterkundung via Ausschreibung, anschließend das eigentliche Förderprogramm, dessen Eckdaten längst noch nicht klar sind. Der positive Aspekt: Der Ausbau erfolgt dann mit megaschnellem Glasfaser bis in jedes Haus. Die negative Aussicht: Wann gebaut wird, steht in den Sternen.