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Tourismus Grenzgang in schwindelerregender Höhe

Seit der Eröffnung der Hängebrücke Titan RT bei Rübeland haben sich bereits 300.000 Menschen über die Brücke gewagt.

Von Julia Bruns 12.04.2018, 01:01

Rübeland l 106 Meter tief können sie durch das Metallgitter unter ihren Füßen auf den Abgrund blicken. Es kribbelt in den Beinen und Füßen, die Knie sind weich: Rund 300.000 Menschen aus über 60 Nationen haben sich schon getraut, seitdem vor zehn Monaten die Hängebrücke Titan RT eröffnet wurde. Sie haben die 458 Meter lange Brücke an der Rappbodetalsperre beschritten.

„Für viele ist es wohl ein Grenzgang“, vermutet Stefan Berke, der die Betreiberfirma Harzdrenalin mit seinem Bruder Maik leitet. „Dabei war die Brücke eigentlich nur ein Abfallprodukt, wenn man so will.“ Denn das, was die Brüder ursprünglich als neue Attraktion ermöglichen wollten, war der spektakuläre Pendelsprung – der Gigaswing. „Eine Konstruktion ohne Brücke wäre ähnlich aufwändig und teuer gewesen“, sagt er. Daher gebe es nun neben dem Pendelsprung auch die Hängebrücke.

Das sieht er heute als Glücksfall. Schließlich wurde über die wohl längste Hängebrücke der Erde weltweit berichtet. Am Eröffnungstag im Mai war der Blick auf die Gebrüder Berke und ihre neueste Attraktion gerichtet – wenn es auch nicht das meist nachgefragte Erlebnis ist, das Harzdrenalin den Mutigen aus Deutschland und der Welt bietet. „Am beliebtesten ist nach wie vor die Fahrt mit der Megazipline“, sagt er. „Aber auch der Pendelsprung wird wahnsinnig gut angenommen. Da springt der Opa mit dem Enkel, aber auch der Unternehmer herunter. Frauen wie Männer, von zehn bis 80 Jahren.“

Ja, es komme vor, dass sich einer nicht traut, verrät Nancy Heinzerling aus Ditfurt. Sie ist eine von 30 Mitarbeitern im Unternehmen, arbeitet seit 2012 für Harzdrenalin, ist gelernte Gärtnerin. „Häufig sind es gestandene Männer, die kalte Füße kriegen. Nicht selten Motorradfahrer“, sagt sie und lacht. Ihr Job sei das Beste, was ihr passieren konnte. Im Team sind alle per Du, die Mannschaft sei wie eine Großfamilie. Alle kommen aus unterschiedlichen Branchen – vom Klempner, über den Einzelhandelskaufmann bis hin zum Altenpfleger. Heute sind sie Trainer und ausgebildete Höheretter, begleiten die Touristen bei den Sprüngen, beim Wallrunning an der Wendefurth-Talsperre, an der Brücke, bei Segwaytouren durch den gesamten Harz, von Thale, über Elbingerode, Drei Annen, Schierke bis zum Brocken.

Was macht den Reiz aus? „Es ist eine der längsten Fußgängerhängebrücken der Welt. Man muss keine umständliche Wanderung auf sich nehmen, um zu ihr zu gelangen. Und im Sommer ist die Beleuchtung ein echter Hingucker“, ist Stefan Berke überzeugt. Die Beleuchtung hat er selbst konzipiert, jede der 300 LEDs höchstpersönlich angeschraubt. „Ich hatte eine genaue Vorstellung, habe einige Hersteller angefragt, aber keiner hat sich an dieses Beleuchtungskonzept herangewagt“, sagt er. „Schließlich wird mit der Beleuchtung dafür gesorgt, dass die Leute sicher über die Brücke gelangen.“

Bis zu 500 Menschen könnten rein technisch betrachtet gleichzeitig auf die Titan RT. „Wir lassen jedoch maximal 200 Besucher zeitgleich auf die Brücke. Man muss es genießen können und soll sich frei bewegen können“, sagt er.

Besonders schön sei es im Sommer gegen Abend, wenn die Sonne tief steht. „Dann kommt man auch ganz ohne Wartezeit auf die Brücke.“ Für viele sei auch der Ausblick auf die höchste Staumauer Deutschlands der Grund, die Brücke zu betreten. „Es sind wahnsinnig viele Technikinteressierte, die wegen der Staumauer herkommen“, sagt er. „Wasserkraft fasziniert die Menschen schon immer.“