Abenteuer Überleben im Harzer Wald: Survivaltrainer René Golz lehrt, wie das selbst im Winter geht
Abenteuer – mit ihnen verdient René Golz sein Geld. Als Survivaltrainer lehrt er im Oberharzer Wald anderen das Überleben in der Wildnis. Wer besucht seine Kurse?

Benneckenstein - Ein nass-kalter Januar-Tag. Während da die meisten lieber in eine Decke gekuschelt auf der Couch bleiben, zieht es René Golz in die Natur. Nicht nur für einen Spaziergang. Der Wahl-Benneckensteiner übernachtet im Freien – im aus Planen selbst gebastelten Zelt. Von den einen erntet er dafür Verständnislosigkeit. Andere wollen es ihm nachtun. Letztere werden immer mehr, berichtet Golz. Für sie bietet er besondere Erlebnisse im Oberharz an: Überlebenstouren.
Wer jetzt denkt, dass nur hartgesottene Kerle daran teilnehmen, liege falsch. „Das ist ein Hobby, das durch sämtliche Schichten geht“, berichtet der 52-Jährige. „Bei den Touren sind Kriminalhauptkommissare, Manager, Ärzte, ITler oder Putzfrauen mit dabei.“ Sogar Kinder. Der jüngste Teilnehmer am vergangenen Wochenende war zum Beispiel erst 1,5 Jahre alt, so Golz.
Nicht nur deshalb war die Tour etwas Besonderes für ihn: Die zwei Tage im Wald verbrachten so viele Menschen mit ihm wie nie zuvor. „90 Teilnehmer. Das war wie das Wacken-Festival – nur ohne Musik“, sagt der Überlebenstrainer lachend.

Motto: „Wild und schmutzig“
Zum Start ins neue Jahr lädt René Golz immer Wegbegleiter, Geschäftsfreunde und treue Gäste für ein gemeinsames Abenteuer ein. „Es werden echt immer mehr“, sagt er stolz. Zwei Tage Winterwald – ob bei Eiseskälte oder Regen, der den Boden aufweicht. „Unser Motto ist schließlich ,wild und schmutzig’“. Nur bei Sturm wird das Treffen abgesagt. Oder aufgrund von Coronavorschriften.
Die Pandemie war für den Unternehmer Fluch und Segen zugleich. Auf der einen Seite durfte er monatelang keine seiner Trainingseinheiten anbieten und musste auf Einnahmen verzichten. Auf der anderen Seite haben Lockdown und Reiseverbote das Interesse für sein Beschäftigungsfeld enorm beflügelt, erläutert er. „Die Leute wollen raus, nicht nur wandern. Sie wollen die Natur richtig erleben, mehr darüber lernen.“
Voriges Jahr sei er schon im Juli für den Rest der Saison – sie geht von März bis in den November rein – völlig ausgebucht gewesen. „Die Nachfrage ist so groß, dass ich Tausende erreichen und expandieren könnte“, so Golz. „Aber das will ich gar nicht.“
90-Mann-Camp statt sanfter Tourismus
Das würde nicht seinem Konzept entsprechen: familiäre Atmosphäre und sanfter Tourismus. Die Gruppen, mit denen er durch seinen Wald – gepachtet von der Landesforst – zieht, bestehen normalerweise aus acht Personen. Jede Führung beginne mit einer Kräuterkunde, einem kleinen Exkurs in die deutsch-deutsche Geschichte und einer Belehrung, die Natur zu achten, nichts zu zertrampeln. „Unsere Lager bauen wir mit Planen und Abspanngurten, nicht mit Naturmaterialien, sonst wäre am Ende der Saison nicht mehr viel vom Wald übrig“, informiert Golz.
Wie passt dann die 90-Mann-Veranstaltung vom Wochenende dazu? „Das waren alles ausgewählte Personen, auf die man sich verlassen kann“, sagt Golz. Viele von ihnen hätten reichlich Erfahrung mit dem Leben in der Wildnis und wie das geht, ohne dass die Natur schaden nimmt. „Es gibt zum Beispiel biologisch abbaubare Seifen und Zahnpastas. Manche stellen sich das selbst her, aus dem, was im Wald zu finden ist“, berichtet der Harzer. Er versichert: „Der Wald sieht aus wie vor dem Camp.“
Totholz für Lagerfeuer genutzt
An einigen Stellen sogar besser. „Wir haben Totholz rausgeräumt, dass von der Landesforst zugewiesen wurde.“ Das landete dann in den Lagerfeuern – die einzigen Wärmequellen in dem temporären Lager.
Wie die Flammen ganz ohne Hilfsmittel entfacht werden, lernen die Teilnehmer der Survival-Kurse ebenso, wie die Stellen, an denen es „tierische Notnahrung“ zu finden gibt. „Maden, die hinter der Rinde von Totholz stecken“, erklärt Golz. Nicht jedermanns Geschmack, das wisse er und bringe mittlerweile deshalb „handelsübliche“ Lebensmittel mit in die Camps. „Ich habe gelernt, dass hungrige Gäste keine netten Gäste sind“, sagt der Trainer lachend.
Flucht über DDR-Grenze scheitert
Wie kommt er überhaupt zu seinem ungewöhnlichen Beruf? „Ich habe eine Macke gekriegt, als ich zu DDR-Zeiten eingesperrt war“, berichtet der gebürtige Hallenser. Aufgrund einer gescheiterten Flucht war er inhaftiert. „Nachdem ich vom Westen freigekauft wurde, konnte ich keine kleinen Räume mehr ertragen.“ Immer häufiger und länger habe es den gelernten Fotografen und Dreher in die Natur gezogen. Immer mehr habe er über sie gelernt.
Wissen, das er seit fast zwölf Jahren an andere weitergebe. Nachdem er einige Jahre mit seiner Partnerin Alexandra in Spanien lebte, verlagerte er 2014 seinen Lebensmittelpunkt in den Harz – wo das Paar die Geschäftsidee mit den Überlebenstrainings aufbaute. „Viele haben damals gesagt, ich soll besser beim Handwerk bleiben“, erinnert er sich. „Aber ich war genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort und habe mit der Idee in ein Wespennest gestochen.“ Von Anfang an sei die Nachfrage groß. Einige der Teilnehmer reisen Hunderte Kilometer an, um von René Golz das Überleben im Wald zu lernen.
Mit Preppern – den Menschen, die sich akribisch auf Katastrophen jeder Art vorbereiten und sich gern auch mit Waffen ausstatten – habe er jedoch nicht viel gemein. „Natürlich gibt es Berührungspunkte. Und seit dem Ukraine-Krieg und seitdem selbst das Bundesamt für Bundesamt für Bevölkerungsschutz Fernsehwerbung macht, sind die Leute für das Thema stark sensibilisiert.“ Deshalb gebe er auch Tipps, wie man ohne Strom und Heizung zurechtkommt. Hauptaugenmerk aber bleibe das Erlebnis Natur – bei jedem Wetter.