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Coronavirus Corona bremst Tourismus in Wernigerode aus

Nach dem Rekordjahr 2019 folgt der Einbruch. Wernigerodes Chef-Touristikerin Erdmute Clemens spricht über die Auswirkungen der Corona-Krise.

Von Ivonne Sielaff 07.04.2020, 01:01

Touristische Reisen sind verboten. Die Menschen sollen Kontakte vermeiden. Welchen Einfluss hat die Corona-Krise auf Wernigerode als Touristenstadt?
Erdmute Clemens: Der Tourismus in Wernigerode und im gesamten Harz ist bis ins Mark erschüttert. Es ist so, als wenn man mit Tempo 180 auf der Autobahn Handbremse und Fußbremse gleichseitig betätigt. Das touristische Herz blutet.

Wie haben Sie aus touristischer Sicht die Krise bisher erlebt?
Es ging los mit der Internationalen Tourismusbörse Anfang März in Berlin. Ich habe mich dafür eingesetzt, dass sie nicht stattfindet. Mit Tausenden Besuchern und Ausstellern aus 180 Ländern wäre man ein zu großes Risiko eingegangen. Als Geschäftsführerin hatte ich kein gutes Gefühl, meine Mitarbeiter zu der Messe zu schicken. Die Gesundheit steht schließlich im Vordergrund. In den Tagen danach gab es immer mehr Beschränkungen bis hin zum Kontaktverbot und zum Verbot touristischer Reisen. Der wirtschaftliche Schaden, unter anderem für die Hotellerie und die Restaurants, ist immens.

Und das, nachdem 2019 überaus erfolgreich war. Wernigerode hat bei den Übernachtungszahlen Zuwachsraten von 5 Prozent eingefahren. 2019 war ein Rekordjahr, was durch die Corona-Krise total untergegangen ist.
Ja, das stimmt. 2019 war das beste Jahr, das wir je hatten. Mit etwa 2,5 Millionen Tagesgästen und über 1,4 Millionen Übernachtungen hat Wernigerode seine marktführende Position weiter ausgebaut. In Sachsen-Anhalt gibt es wohl kaum eine andere Stadt mit einem solch hohen Tourismusaufkommen. Und da noch einen draufzusetzen, ist schwer.

Wie ist es dennoch gelungen, die Übernachtungszahlen weiter zu steigern?
Die Anzahl der Beherbergungsbetriebe ist gestiegen und gleichzeitig die durchschnittliche Auslastung der Unterkünfte. Dass Wernigerode bei Urlaubern so beliebt ist, hat sicher mit dem Flair der Stadt zu tun. Dazu kommt, dass der Urlaub im eigenen Land inzwischen wieder einen höheren Stellenwert einnimmt. Das war nach der Wende anders, als die Leute erst einmal all die Orte kennen lernen wollten, die sie vorher nicht besuchen durften.
Auf der anderen Seite haben auch die Vermieter von Ferienunterkünften qualitativ extrem zugelegt. Die Standards, die in einigen Ferienwohnungen geboten werden, haben viele zu Hause nicht. Es sind also mehrere Faktoren für den Rekord 2019 verantwortlich. 2020 wird für den Tourismus dagegen ein absolutes Ausnahmejahr. Wir wurden ausgebremst.

Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise speziell auf die Wernigerode Tourismus GmbH als 100-prozentige Tochterfirma der Stadt?
Die Dienstleistungen, die wir anbieten, werden zum Teil aus der Kurtaxe bezahlt, die von der Stadt an uns zurückfließt. Die Einnahmen aus der Kurtaxe sind seit dem 21. März gleich Null. Wir haben derzeit zudem so gut wie keine eigenen Einnahmen mehr. Kein Souvenir- und Merchandising-Verkauf bis auf Online-Verkäufe, die Provisionen für Zimmervermittlung, Harzrundfahrten, Pauschalangebote und Stadtführungen fallen weg, ebenso Eintritt und Vorverkauf für Veranstaltungen. Deshalb versuchen wir, unsere Ausgaben so gut wie möglich zu reduzieren. Die Personalkosten spielen dabei eine erhebliche Rolle. Wir haben ab April für die Mitarbeiter Kurzarbeit beantragt und auf 50 Prozent der Arbeitszeit heruntergefahren. Ich denke, die Lösung hilft, Arbeitsplätze zu sichern. Wir sitzen alle im gleichen Boot.

Trotzdem gibt es viel zu tun?
In den letzten 14 Tagen hatten wir extrem viele Buchungsvorgänge abzuarbeiten. Alles Stornierungen. Das geht nicht einfach so per Klick, sondern nur im Dialog mit den Kunden und den Häusern. Wir haben versucht, Alternativen anzubieten. Aber viele Kunden sind zögerlich. Keiner weiß ja, wie lange der Zustand anhält.

Was wünschen Sie sich für den Tourismus nach der Krise?
Jeder macht sich Gedanken über das Danach. Wichtig ist, den Apparat gesund zum Laufen zu bringen. Das geht nicht von 0 auf 100. Am Anfang steht die Normalisierung des Alltags. Ich kann mir vorstellen, dass die Menschen dann eine große Sehnsucht verspüren, sich wieder über den Radius ihres Wohnumfeldes hinwegzubewegen. Mit größeren Events und Menschenansammlungen sollte sensibel umgegangen werden. Dabei sollten wir uns auf die Einschätzung der Experten verlassen und nichts überstürzen.
Im Moment aber bleibt uns nichts anderes übrig, als die Kommunikation aufrecht zu erhalten, Anfragen und Buchungswünsche für spätere Zeiträume zu bearbeiten sowie uns mit Planungen für 2021 im Veranstaltungsbereich zu befassen. Wir unterstützen all jene Gastronomen und Händler bei der Bewerbung ihrer Außer-Haus-Verkäufe und Bringdienste bei der Bewerbung. Die Krise wird unser aller Leben verändern. Der aktuellen Gefühlslage angemessen wollen wir dennoch Optimismus und Zuversicht verbreiten.