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Verkehr Navis schicken Busse in Kirchstraße

Viele Routenplaner lenken Gäste über die Kirchstraße zu den Ferienanlagen in Hasserode. Die Folge: Zu viel Verkehr auf der engen Straße.

Von Katrin Schröder 26.07.2019, 01:01

Wernigerode l Es könnte so einfach sein: Wer als Gast mit dem Auto zum Hasseröder Ferienpark oder zum benachbarten Hasseröder Burghotel, der könnte geradeaus die Friedrichstraße hinunterfahren und nach links in die Trift abbiegen. Wären da nicht der Online-Kartendienst Google Maps und Navigationssysteme, denen viele Fahrer vertrauen. Die Programme schicken Auto- und Busfahrer stattdessen die Kirchstraße hinauf und sorgen damit für Schwierigkeiten.

Thomas Becker beobachtet das Dilemma jeden Tag, wenn er aus dem Fenster blickt. Der Wernigeröder arbeitet bei einem Kabelnetzbetreiber in der Kirchstraße und erlebt, wie oft Reisebusse die enge Straße, die von parkenden Autos gesäumt wird, entlangfahren. Ebenso sind viele Autofahrer, die individuell anreisen, dort unterwegs – oft im Zweifel, ob sie richtig sind. „Viele halten hier an und fragen, wo es langgeht“, berichtet Becker.

Die Verkehrssituation an der Kirchstraße ist verzwickt. Bis zum Bahnübergang am Haltepunkt der Hochschule Harz ist Tempo 30 ausgeschildert. Dann folgt ein Abschnitt, den sich Straße und Schiene teilen, er ist als Spielstraße ausgeschildert und mit Schrittgeschwindigkeit zu befahren. Im Januar ist dort ein Audifahrer mit einer Diesellok zusammengestoßen.

So wie derzeit sollte es nicht bleiben, sagt Evelyn Geigele. „Es ist unmöglich, was dort an Verkehr herrscht“, so die Wernigeröderin, die täglich mit dem Fahrrad in der Kirchstraße unterwegs ist und sich mit ihrem Anliegen an CDU-Stadrat Matthias Winkelmann gewandt hat. Die Situation sei sehr unübersichtlich, und viele – nicht nur Gäste – seien dort deutlich schneller als mit den erlaubten 30 Kilometern pro Stunde unterwegs. Für die Urlauber sei es kein Spaß, sich die enge Straße hinauf zu quälen, ergänzt Thomas Becker. „Das ist touristenunfreundlich.“

Die Ursache sind die Routenplaner. Er habe die Strecke zu den Urlaubsanlagen bei Google Maps und unterschiedlichen Navigationsprogrammen ausprobiert, sagt Becker. Das Ergebnis war immer gleich: „Alle Touristen, die dorthin wollen, werden grundsätzlich über die Kirchstraße geführt.“ Die Strecke ist gut einen Kilometer kürzer als der Weg über Frie-drichstraße und Trift.

Damit der Verkehr künftig trotzdem dort entlangrollt, könnten vor der Einmündung der Kirchstraße Hinweisschilder aufgestellt werden, schlägt Becker vor. „Wir haben doch schon so viele Schilder in der Stadt. Da wird es doch möglich sein, an dieser Stelle eins zu installieren“, sagt Evelyn Geigele.

Die Vorbereitungen dafür werden bereits getroffen. „Die Verwaltung wird dem Hinweis folgend eine Ergänzung der aktuellen Beschilderung prüfen“, erklärt Rathaussprecher Tobias Kascha auf Volksstimme-Anfrage. Bisher gebe es lediglich am Abzweig zur Trift ein touristisches Hinweisschild. Das werde aber von Urlaubern, die von A 36 und B 244 kommen, nicht wahrgenommen, weil sie ihren Navis folgend oft schon lange vorher abbiegen.

Touristische Hinweisschilder wie das an der Trift sind Kascha zufolge „ein übergreifendes Projekt vieler Kommunen und Beteiligter“. Die ausgeschilderten Einrichtungen beteiligen sich an den Kosten für Beschaffung und Aufstellung. Die Verwaltung führe derzeit erste Gespräche mit Ferienpark und Burghotel.

Das bestätigen Frank Kasselmann, Geschäftsführer des Hasseröder Burghotels, und Erik Voigt, Chef des Hasseröder Ferienparks. Es habe in der Vergangenheit „einige Missverständnisse“ gegeben, weil Urlauber von ihren Navigationsgeräten aufgefordert wurden, durch die Kirchstraße zu fahren, berichtet Voigt. „Wir weisen unsere Gäste darauf hin, dass sie bitte so anreisen sollen, wie es in unseren Hauskatalogen abgebildet ist, nämlich über Trift und Langen Stieg“, betont der Ferienparkchef. Ein Schild, das auf die Route hinweist, befürworte er „natürlich“. Kasselmann wollte sich nicht weiter äußern.

Bei Google könne man nicht zu Einzelfällen Stellung beziehen, erklärt ein Sprecher des Internetunternehmens auf Volksstimme-Anfrage. „Google Maps hat das Ziel, die realen Gegebenheiten genau zu erfassen und darzustellen.“ Kommunen und Behörden, die für Straßenmanagement und Verkehrsberuhigung zuständig sind, könnten demnach Anpassungen vornehmen und zum Beispiel Bremsschwellen, Änderungen von Tempolimits und Ampeln hinzufügen. „Google Maps bemüht sich, diese vollständig und akkurat in unserem Kartenmodell abzubilden“, heißt es. Der Algorithmus zur automatischen Routenoptimierung berücksichtige diese Parameter bei jeder Route, die erstellt werde.

Im Wernigeröder Rathaus hat man von dieser speziellen Möglichkeit der Mitwirkung noch nicht gehört. Es sei aber bekannt, dass man Daten zu Geschäften, Hotels und anderen Einrichtungen sowie Fehler bei bereits hinterlegten Angaben melden könne, so Kascha. Ob es etwas bringen würde, wenn die Stadtverwaltung Meldung über die Verkehrslage abgibt, sei zweifelhaft, sagt der Sprecher. „Wir haben festgestellt, dass selbst bestehende Verbote den Google-Algorithmus nicht interessieren.“ Deshalb komme es immer wieder vor, dass Urlauber, die als Ziel „Marktplatz“ in den Routenplaner eingeben, vor den Pollern, die die Fußgängerzone abschirmen, zu stehen kommen.

Weitere Schilder hält das Rathaus nicht für nötig. Thomas Becker beobachtet, dass Touristen auf dem gleichen Weg zurückwollen und ratlos vor dem „Einfahrt verboten“-Schild stehen, das die Kirchstraße am Abzweig Papental in Gegenrichtung sperrt. Hier setzt man auf den Orientierungssinn der Urlauber. „Wir gehen davon aus, dass sich die Gäste während ihres Aufenthalts insoweit im Umfeld orientieren, dass Schilder nicht erforderlich sind“, so Kascha.