1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wernigerode
  6. >
  7. Neue Chance fürs Bahnhofshotel

Versteigerung Neue Chance fürs Bahnhofshotel

Im Zuge einer Zwangsvollstreckung kommt das frühere Bahnhofshotel in Blankenburg im Amtsgericht Wernigerode unter den Hammer.

Von Jens Müller 30.01.2019, 00:01

Blankenburg l Endlich! Mit der Ankündigung eines Zwangsvollstreckungstermins im Amtsgericht Wernigerode scheint sich nach jahrelangem Verfall nun eine Chance aufzutun, das ehemalige Blankenburger Bahnhofshotel vor dem völligen Ruin zu retten. Das denkmalgeschützte Gebäude ist für den Donnerstag, 21. Februar, zur Zwangsversteigerung ausgeschrieben. Das im Grundbuch von Blankenburg Blatt 674 eingetragene Grundstück wird dabei mit einem Verkehrswert von 7.000 Euro aufgerufen, wie es im offiziellen Gerichtsbeschluss unter dem Aktenzeichen 12 K 24/17 heißt.

In der Objektbeschreibung heißt es weiter: „Gebäudekomplex mit historischem Altgebäude und Erweiterungsanbauten (ehemaliges Bahnhofshotel), Baujahr: Hauptgebäude vor 1900, Anbauten 1980er Jahre, Nutzfläche: ca. 1300 qm, leerstehende Bauruine mit erheblichen Bauschäden, Einzeldenkmal.“ Laut Exposé ist das Grundstück insgesamt rund 1733 Quadratmeter groß.

In den Gebäuden gebe es keine Heizungsanlage und keine funktionsfähigen Sanitär- und Elektro-Anlagen. Zudem heißt es weiter: „Der Gebäudekomplex steht seit Jahrzehnten leer. Sichtbar sind erhebliche Schäden an der Dacheindeckung, den Gauben, an Fenstern, Türen und Fassaden. Vermutet werden schwere Schäden durch eindringendes Regenwasser an statisch tra- genden Holzteilen. Mit aufsteigender Wandfeuchte ist zu rechnen, möglicherweise mit Hausschwammbefall. Der gesamte Innenausbau des Gebäudes ist vermutlich unbrauchbar.“ Im Hofbereich herrsche Wildwuchs. Dort befänden sich außerdem „unfertige Ruinen weiterer geplanter Anbauten.“

Laut Exposé erfolgte die Bewertung lediglich nach der Aktenlage und nach äußerem Anschein. Eine genaue Begehung des stadtbildprägenden Gebäudes an der Kuno-Rieke-Straße 1 habe demnach nicht stattgefunden.

Mit dem Versteigerungstermin dürften nicht nur viele Blankenburger den Wunsch verbinden, dass nun endlich die unsägliche Ruine aus dem Stadtbild verschwindet oder sogar wieder saniert wird. Auch Bürgermeister Heiko Breithaupt (CDU) sagte in einem Volksstimme-Gespräch, er hoffe, dass das Gebäude wieder in Blankenburger Hände kommt.

Laut dem Blankenburger Stadtarchiv wurde das einstige Bahnhofshotel am 22. Mai 1892 von dem gebürtigen Hamburger Fritz Marhold unter dem Namen „Kaiser Wilhelm“ und der damaligen Adresse Albert-Schneider-Straße 8 eröffnet. 40 Logierzimmer mit 60 Betten, Restauranträume und ein Garten gehörten dazu. Bereits 1895 hieß der Betreiber Carl Dübner. Er brachte erstmals einen Zigarrenhändler namens Lauterbach dort mit unter. 1896 erwarb Carl Böttger das Gebäude. Damals wurde in Zeitungs-Annoncen bereits mit elektrischem Licht geworben. Unbestätigten Quellen nach soll das Hotel damit weltweit eines der ersten gewesen sein, das seinen Gästen solch einen Luxus bieten konnte. 1897 war das Hotel unter der Anschrift Bismarck-Straße 1 zu finden. In den 1920er Jahren gehörte Walter Plock der Komplex. 1927 wurde er um eine Kegelbahn und Garagen erweitert. In einem Zeitungsartikel vom 7. November 1932 war von einer Zwangsversteigerung zu lesen.

Ab 1933 führte Karl Palmows- ki die Geschicke, ehe 1937 Familie Wienecke, bestehend aus einer Witwe mit ihren zwei Söhnen, das Zepter übernahm. Bereits 1939 lenkte Franz Sack die Geschicke des Hauses, um es 1949 an die staatliche Handelsorganisation der DDR (HO) weiterzureichen. Zwischenzeitlich diente das 1929 von „Kaiser Wilhelm“ in „Bahnhofshotel“ umgetaufte Etablissement als Thyphus-Krankenhaus. Das wiederum geht aus dem Bericht über eine Sitzung des Blankenburger Stadtrates vom 23. Oktober 1945 hervor.

1980 wurde das Haus vom Volkseigenen Gut (VEG) „Thomas Müntzer“ Memleben (Burgenlandkreis) erworben. Es sollte zu einem Ferienhotel für die Mitarbeiter ausgebaut werden. Wegen Materialknappheit wurde dieses Projekt aber nie vollendet. Davon zeugt unter anderem der unfertige Anbau an der Albert-Schneider-Straße.

In der Wendezeit waren zwölf landwirtschaftliche Betriebe als Besitzer eingetragen. Unklar ist nach wie vor, wie die Immobilie danach veräußert wurde, da sich laut Stadtarchiv die damalige Treuhandanstalt wohl gegen einen Verkauf ausgesprochen haben soll.

Der Noch-Eigentümer - Architekt Willi Zander aus Elsdorf in Nordrhein-Westfalen - war für die Volksstimme derweil nicht zu erreichen. Aus seinem Büro hieß es lediglich, dass er sich auf einer längeren Dienstreise im Ausland befinde und auch erst nach dem Versteigerungstermin wieder im Lande sei.