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Automobile Zeitgeschichte auf vier Rädern

Die Volksstimme stellt Menschen vor, die ein besonderes Auto fahren, wie Klaus Sternitzke aus Wernigerode mit seinem sowjetischen Gaz 69.

Von Katrin Schröder 12.08.2017, 01:01

Wernigerode l „Das ist deutsch-deutsche Geschichte.“ Klaus Sternitzke streicht mit der Hand über den tarngrünen Lack. Der Gaz 69 ist ein ganz besonderes Gefährt – „der Einheitsgeländewagen der Warschauer-Pakt-Staaten“, weiß der Wernigeröder. Die technischen Daten kennt er aus dem Effeff: 65 PS, zwei Liter Hubraum, Höchstgeschwindigkeit 100 Kilometer pro Stunde. „Diese russischen Fahrzeuge waren alle große Spritfresser“, sagt Sternitzke. Der 74-Jährige ist ein Urgestein der Wernigeröder Oldtimerfreunde, die er vor 41 Jahren gemeinsam mit Heinz Hüter, Werner Puse und Burkhard Schmidt begründet hat. Bis heute hält er dem Verein die Treue und hilft ratlosen Kollegen aus der Patsche, wenn deren vierrädrige Sammlerstücke Probleme bereiten.

Das automobile Feingefühl ist Sternitzke in die Wiege gelegt worden. Sein Vater war Kfz-Mechaniker beim Kraftverkehr Wernigerode, auch seine Onkel und Brüder waren in der Branche. „In Silstedt waren wir Auto-Sternitzke“, erinnert er sich. Als Junge sei Klaus Sternitzke nach Schulschluss zur Molkerei hinübergegangen, um die Opel-Lkw zu bestaunen. „Mich hat man niemals auf dem Bolzplatz angetroffen, sondern dort, wo es Technik zu sehen gab“, erinnert sich Klaus Sternitzke.

Da war es folgerichtig, dass er beruflich die Familientradition fortsetzte. Nach der Lehre als Kfz-Schlosser beim Kraftverkehr arbeitete er 33 Jahre lang bei der PGH Hilleborch, bis die Firma ihre Pforten schloss. Ein Bad Harzburger Betrieb stellte ihn ein und nutzt bis heute seine Dienste – vor allem in Fällen, in denen niemand anders weiter weiß. Dann bringt Klaus Sternitzke seine Erfahrung und Intuition ins Spiel. „Ich brauche eine Maschine nur außen ansehen, dann weiß ich zu 80 Prozent, wie es im Inneren aussieht“, sagt er. Das hat ihm bei der Erneuerung des Gaz 69 geholfen. Das Fahrzeug wurde 1971 gebaut. „Die Technik ist aber von 1941. Sie hat sich im Krieg gegen die Wehrmacht bewährt“, erklärt der Autoexperte. Die Nationale Volksarmee hat bis zur Wende den Wagen genutzt. „Danach hat er noch vier Jahre der Verteidigung der Bundesrepublik gedient“, berichtet Sternitzke. Ein Vereinskamerad aus Goslar, der bei der Bundeswehr arbeitete, gab ihm den Tipp, beim Verkaufsbüro der Bundeswehr nachzufragen, doch er hatte Glück – in Cottbus stand ein Fahrzeug.

Sternitzke fuhr hin, und 14 Tage später wurde ihm der Wagen geliefert. „Sehr robust und hochgradig geländegeeignet“ sei der Gaz 69. Acht Personen bietet das Fahrzeug Platz, das Sternitzke komplett zerlegt und wieder aufgebaut hat.

Dazu hat der Tüftler Hunderte Ersatzteile zusammengetragen. In seinen Regalen stapeln sich Zündverteiler, Kolben, Getriebe und Vergaser. Bekannte aus Litauen versorgen ihn mit gebrauchten Autoteilen vom Flohmarkt. „Das ist Gold“, sagt Sternitzke und zeigt eine Kurbelwelle mit Gleitlagerschalen.

Die Mühe hat sich gelohnt: „Er läuft wie ein Uhrwerk“, sagt der Tüftler zufrieden. Mit der Kurbel wirft er den Motor an, der Wagen röhrt lautstark. „Für einen Fachmann ist das ein Ohrenschmaus, wie er läuft – ganz butterweich.“ Mit dem Wagen fährt Sternitzke zu Oldtimertreffen in der Umgebung. „Jedes Mal kommt jemand auf mich zu, der ihn kaufen möchte“ – vergeblich, versteht sich.

Sein zweiter Schatz steht in der Nachbargarage – eine Imperia Sport 500 HL, ein Motorrad von 1929. „Das war früher der Rolls Royce unter den Motorrädern“, sagt der 74-Jährige. 1726 Reichsmark habe das Zweirad seinerzeit gekostet. Technisch sei die Maschine ihrer Zeit weit voraus gewesen. „Der Motor ist dem Fahrgestell überlegen“, sagt Sternitzke – bis zu 145 Kilometer pro Stunde schafft das Modell, das er ebenfalls mit viel Akribie erneuert hat. „Ich halten es wie mein Vater. Der sagte: Junge, wenn Du etwas anfängst, dann mach es richtig, oder lass es.“