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Alte Deponien Wo die Wunden der Erde geschlossen werden

Fünf Jahre lang wurden auf einem Deponiefeld in Farsleben Baustoffe eingelagert. Doch was passiert, wenn solche Deponien voll sind?

Von Gudrun Billowie 01.10.2020, 01:01

Wolmirstedt l Im Erdreich der Region Farsleben klaffen riesige Wunden. Dort wird Kies abgebaut, der unter anderem für den Bau der A14 verwendet wird. Der Bedarf ist groß, Farsleber Kies ist ein gefragter Baustoff, weit über den Autobahnbau hinaus. Zurück bleiben Täler in der einst ebenen Landschaft, die zu Deponien der Klasse 0 und 1 werden. Mäßig und gering belasteter Bauschutt wird dort aufgetürmt, aus dem Tal wird ein Hügel. Doch was passiert mit der Landschaft, wenn der Kies weggefahren und stattdessen der Bauschutt eingelagert ist?

Das Gesetz fordert ganz klar, solche Gelände zu rekultivieren. Wie das bei der Firma Papenburg in Farsleben geschieht, zeigen Niederlassungsleiter Carlo Hinze und Ökologin Britta Andritzke auf einer Deponie der Klasse 1.

Von 2013 bis 2017 wurde dort eingelagert, was beim Abriss von Häusern oder Straßen übrig blieb. 40.000 Kubikmeter Steine, Gips, Lehm, Ziegelschutt und Asphalt liegen dort dicht an dicht. Die mineralischen Stoffe sind nicht als gefährlich eingestuft, gelten als mäßig belastet, vor allem mit Salzen. Der Deponiebetreiber muss dafür sorgen, dass keine Salze oder andere Stoffe ins Grundwasser dringen, muss außerdem die Oberfläche der Deponie abdichten, also den Bauschutt „verstecken“, das Gelände der Natur ein Stück weit zurückgeben. Das geschieht auch in Farsleben.

Ein Deponieabschnitt zwischen Farsleben und Zielitz wurde vor drei Jahren geschlossen und ist inzwischen als solcher nicht mehr erkennbar. Der Boden ist bewachsen, wenn auch vorerst noch spärlich. Hoch oben auf dem Erdreich thront ein Stein, daneben wächst eine Flatterulme, der Baum des Jahres 2019. Wer auf der Bank Platz nimmt, hat einen ungetrübten Blick auf den Kalimandscharo. Dieser Stein steht nicht zufällig dort, er wurde genau an die höchste Stelle der Erhebung gesetzt. Die Region trägt seit jeher den Namen „Zum hohen Stein“.

Bis Naturfreunde dorthin wandern können, werden noch Jahre ins Land gehen. „Erst muss die Wasserhaushaltsschicht funktionieren“, erklärt Britta Andritzke. So heißt die Schicht, die auf der Deponie aufgebracht wurde. Sie besteht unter anderem aus Erde, Mutterboden und Pflanzen.

Diese Schicht funktioniert im Sinne der Deponieabdichtung erst dann, wenn sie das Wasser hält, an die Pflanzen abgibt, die es wiederum verdunsten, erst, wenn gewährleistet ist, dass der Regen nicht mehr zu den darunter gelagerten Baustoffen durchdringt und Salze herausspült. Das Umweltamt kontrolliert. Bestenfalls ist dieser Zustand in fünf Jahren erreicht.

Bis dahin kann sich die Natur entwickeln. Die ökologische Richtung gibt Britta Andritzke vor. Bienenweiden, Streuobstwiese, Totholzhecke und Steinburgen für Lurche und Reptilien sind angelegt. „Wir rekultivieren weit über den Standard hinaus“, sagt Carlo Hinze. In der Tat ist gesetzlich nur eine allgemeine Rekultivierung gefordert. Besondere Unterstützung für die heimische Flora und Fauna ist im Kreislaufwirtschaftsgesetz nicht aufgeführt. „Aber wir wollen hier Lebensraum für heimische Pflanzen und Tiere schaffen“, sagt Britta Andritzke. Insgesamt gibt das Unternehmen für diesen Abschnitt gut 120.000 Euro aus.

Die Ökologin ist oft in diesem Revier unterwegs. „Den ganzen Sommer hat der Borretsch blau geblüht und Bienen angelockt“, schwärmt sie, „in den Steinburgen haben sich Zauneidechsen angesiedelt. In der Totholzhecke leben Insekten“. Sie sollen später von den Früchten der Streuobstwiese naschen.

Das Sammelsurium aus Kamille, Rauke, Mohn, Sonnenblumen und Co. auf dem Hügel wirkt auf Rasenfreunde womöglich wie eine Unkrautwiese. Doch gerade diese bunte Mischung ist gewollt. Pflanzen der Region sollen sich ansiedeln, 68 heimische Kräuter- und Blumenarten wurden in die Erde gebracht, Bäume und Sträucher wie Wildkirsche, Spitzahorn und Winterlinde gepflanzt. Damit die Pflanzen auch die trockenen Sommer überstehen, wird zumindest am Anfang gewässert. Gemäht wird nur einmal im Jahr, damit vor allem die Pflanzen eine Chance bekommen, die den Insekten dienen.

Nebenan zeigt sich noch nackte Erde. Die schiebt ein Radlader vom Kamm eines weiteren Hügels breit. „Das wird die Wasserhaushaltsschicht für den nächsten Deponieabschnitt“, erklärt Britta Andritzke. Dort wird das Gelände noch modelliert, abgeflacht, damit sich der Hügel in die Landschaft einfügt. Später werden auch dort Pflanzen der Region eine Heimat finden.