18 Projekte an Schulen im Landkreis Börde verlängert - Mittel stammen aus EU-Fonds Auf Augenhöhe und zwischen den Stühlen: Sozialarbeiter als "Partner" für Schüler
Gute Nachricht für Jugendliche im Landkreis Börde: Das Landesverwaltungsamt hat beschlossen, 18 Schulsozialarbeitsprojekte in der Region weiterhin zu fördern. Das Ziel ist es, die Zahl der Schulabbrecher zu senken.
Althaldensleben l Laut Wolfgang Hanke, dem Schulleiter der Berufsbildenden Schulen Haldensleben, ist diese Aufgabe nicht zu unterschätzen: "Das Schülerklientel hat sich in den letzten 20 Jahren verändert. Viele haben bereits zahlreiche Schulwechsel hinter sich", so Hanke.
Oft gebe es Lernschwächen, dazu auch Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen (ADHS), oder psychische Probleme. Gleichzeitig verbrächten die Jugendlichen einen großen Teil ihres Lebens in der Schule. Deshalb gelte es, diesen Herausforderungen auch dort zu begegnen. Als Teil eines solchen Sozialarbeitsprojekts arbeitet deshalb Birka Hübener an den BBS. "Und ich bin heilfroh, dass wir sie hier haben", erklärt Wolfgang Hanke.
Das Tätigkeitsfeld der Sozialarbeiterin ist enorm. "Grundsätzlich bin ich für alle 1367 Schüler da", erklärt Birka Hübener. Dabei hat ihre Arbeit jedoch zwei Schwerpunkte: die Betreuung des Berufsvorbereitungsjahres (BVJ) und des Berufsgrundjahres (BGJ). An ersterem nehmen Jugendliche teil, die keinen Abschluss haben, aber ihre Schulpflicht noch erfüllen müssen. Das BGJ richtet sich an Schüler, die zwar einen Abschluss besitzen, aber Probleme dabei haben, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Beide Angebote dauern nur ein Jahr, doch die Anforderungen sind hoch. "Gerade beim BVJ sitzen oft alle Problemfälle gemeinsam in einer Klasse. Im Grunde bräuchte es viel mehr Sozialarbeiter", so Birka Hübener.
Denn: "Um sich das Vertrauen der Schüler zu erarbeiten, benötigt es eine intensive Betreuung. Bei jedem versuche ich herauszufinden, wo seine Baustelle ist, an welchem Puzzleteil es hakt", erklärt Hübener. Oft hätten Schüler vielschichtige Probleme, zum Beispiel mit anderen Jugendlichen, dem Elternhaus oder mit Lehrern. Eine häufige Konsequenz davon sei die Schulverweigerung. "Viele haben einfach keinen Bock mehr", betont Birka Hübener.
"Wir sind in Deutschland sehr abschlussorientiert."
Birka Hübener, Schulsozialarbeiterin
Ein Beispiel dafür ist Kevin Retzlaff. "Ich habe schon seit der siebten Klasse regelmäßig geschwänzt und wäre auch nicht mehr zur Schule gegangen. Meine Motivation war absolut am Boden", sagt der 18-Jährige. Als Alternative schlug ihm Birka Hübener ein Dauerpraktikum vor. "Das ist eine absolute Ausnahme", so die Sozialarbeiterin. Doch die Wirkung war groß: Knapp ein dreiviertel Jahr arbeitete Kevin Retzlaff in einem großen Magdeburger Autohaus - und blühte dabei regelrecht auf.
"Kevin hat nicht nur viel gelernt. Er ist auch reifer geworden und denkt anders über sein Leben nach", urteilt Hübener. Das Geheimnis: "Mein Chef und die Mitarbeiter stehen hinter mir und sind für mich da", berichtet Kevin Retzlaff. Mittlerweile nehme er in dem Autohaus an einer einjährigen Einstiegsqualifizierungsphase teil. "Danach habe ich gute Chancen, eine Ausbildung zum Service-Mechaniker zu machen", hofft der 18-Jährige. Als Teil dieser Ausbildung könne er dann auch seinen Hauptschulabschluss machen. "Wir sind in Deutschland sehr abschlussorientiert. Aber es gibt viele Kreative, die vor allem einen persönlichen Bezug brauchen", urteilt Birka Hübener.
Auch Silke Greiser gehört zu den Schülerinnen, denen Birka Hübener geholfen hat. Die 22-Jährige absolviert an den BBS eine Ausbildung zur Erzieherin. Da sie nur von Schüler-Bafög lebt, geriet Silke Greiser in finanzielle Schwierigkeiten. Birka Hübener half ihr deshalb beim Kontakt mit dem Bafög-Amt, stellte mit Greiser einen Sparplan auf und suchte gemeinsam mit der 22-Jährigen einen Nebenjob. Generell habe Hübeners Arbeit viel mit der Rolle der Vermittlerin zu tun. Sei es zwischen Schülern, Eltern und Lehrern - oder auch zum Jugendamt.
Schulleiter Hanke zeigt sich von der Arbeit der Sozialarbeiterin begeistert. Zwar würden auch Lehrer während ihres Studiums auf Problemfälle vorbereitet. Doch die spezielle Ausbildung von Sozialpädagogen eröffne ganz andere Zugänge. Darüber hinaus seien sie für die Schüler nicht Vorgesetzte, sondern "gleichberechtigte Partner". "Das ist ein deutlicher Vorteil für unsere Schule", erklärt Hanke.
Die 18 Projekte der Schulsozialarbeit laufen im gesamten Landkreis Börde an unterschiedlichen Schulformen, unter anderem auch in Oebisfelde und Oschersleben. Die Mittel kommen zum überwiegenden Teil aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF). Die Förderung ist Bestandteil des ESF-Programms "Projekte zur Vermeidung von Schulversagen und zur Senkung des vorzeitigen Schulabbruchs", das in Sachsen-Anhalt seit 2009 läuft.
Eine weitere Säule dieses Programms sind Bildungsbezogene Angebote. Sie stehen Schulen als zusätzliche Möglichkeit zur Verfügung, um Schüler durch spezielle Förderkurse in ihren Kompetenzen zu stärken. Hinzu kommen die sogenannten Netzwerkstellen. Im Landkreis Börde ist diese an die Arbeiterwohlfahrt angedockt. Zu ihren Aufgaben gehört beispielsweise die Koordination der einzelnen Angebote, die Vernetzung der Akteure und die entsprechende Öffentlichkeitsarbeit.
Vorerst läuft das ESF-Schulprogramm noch bis Mitte 2014. "Aber es darf nicht einfach enden, sondern muss nahtlos weitergehen", fordert Wolfgang Hanke.