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Beeinträchtigung Sehbehindertentag in Barleben

Anlässlich des Sehbehindertentages zeigt Hans-Joachim Krahl aus Barleben, dass trotz eines Handicaps ein selbstbestimmtes Leben möglich ist.

Von Regina Malsch 05.06.2019, 23:01

Barleben l Hans-Joachim Krahl hat eine angeborene Kurzsichtigkeit, musste sich seit seinem 15. Lebensjahr immer wieder Netzhaut-Operationen unterziehen. Nach einem missglücktem Eingriff 1980 war er so gut wie blind, bis ihm Jahre später ein Augenarzt in Haldensleben half. Seitdem kann der heute 71-Jährige mit der Lupe wieder lesen.

„Meine Sehkraft liegt unter zehn Prozent, aber trotzdem kann ich ein selbstbestimmtes Leben führen. Ich wollte nie bedauert oder gar von meiner Frau betüddelt werden, hab alle meine Kräfte mobilisiert und Möglichkeiten, die Blinde und Sehbehinderte haben, ausgeschöpft“, erzählt er in seinem gepflegten Einfamilienhaus mit dem schönen Garten.

Hier betreibt er seit seinem Vorruhestand eine Praxis für Psychotherapie. Außerdem versteht er sich auf die Kunst des Besprechens. „Ich hatte schon als Kind so ein Helfersyndrom.“ Und so musste man ihn auch nicht lange bitten, den zu Jahresbeginn in Barleben von der Volkssolidarität ins Leben gerufenen Stammtisch für Blinde und Sehbehinderte zu leiten.

Erfahrungen auf dem Gebiet hat er reichlich, von 1990 bis 2012 war er Vorsitzender des Blinden- und Sehbehindertenverbandes Sachsen-Anhalt. Heute ist er Ehrenvorsitzender. Mit seinem Motto „Wir können alles, nur nicht richtig sehen“ will er bis heute Leidesgenossen Mut machen, trotz der Behinderung das Leben zu meistern. Ihm selbst ist das auf beispielhafte Art gelungen. Studiert hat er Ingenieurökonomie und fast sein ganzes Berufsleben im Finanzbereich verschiedener Unternehmen gearbeitet. „Ich musste als Behinderter immer 150 Prozent geben. Damit habe ich viele Kollegen verblüfft“, freut er sich heute noch über seine berufliche Karriere.

Zu DDR-Zeiten war er unter anderem im staatlichen Holzkontor in Magdeburg oder als Ökonomischer Direktor in der ehemaligen Großgaserei in Rothensee tätig. Eine Zeit lang hat er freiberuflich unterrichtet und zuletzt 15 Jahre bei einem großen Telekommunikationsunternehmen gearbeitet. Bevor er dann 2014 seine Heilpraxis eröffnete, machte er nochmal eine entsprechende Weiterbildung.

Dass der 6. Juni als Sehbehindertentag begangen wird, freut ihn sehr. „Dadurch wird die Öffentlichkeit aufmerksam und für die Probleme von Blinden und Sehbehinderten möglicherweise sensibilisiert. Wichtig ist zu erkennen, dass vor dieser Behinderung niemand gefeit ist“, sagt er.

Zwar sei die Zahl der Blinden durch die medizinische Entwicklung rückläufig, die der Sehbehinderten aber wachse. Darunter sind immer mehr junge Leute. Den Grund sieht Hans-Joachim Krahl in der Arbeit mit Computern und dem allgegenwärtigen Handy. „Dadurch wird fast nur noch geradeaus geguckt, die Augen werden nicht mehr ausreichend bewegt, die Muskeln verkümmern. Dadurch kommt es zu verschiedenen Augenleiden. Heute gibt es kaum noch eine Augenpraxis, wo die Leute nicht Schlange stehen, um einen Termin zu bekommen“, so die Erfahrungen von Hans-Joachim Krahl.

Darüber und über viele andere Probleme wird auch beim monatlichen Stammtisch in Barleben gesprochen. Ihm sei wichtig, dass sich die Betroffenen in einer zwanglosen Atmosphäre über ihre Sorgen und Nöte austauschen, Antworten auf Fragen bekommen oder auch Vorschläge machen. Zum nächsten Treffen am 17. Juni werden Mitarbeiter der Beratungsstelle Magdeburg über die neuen politischen Entscheidungen informieren. Beispielsweise wird ab 1. Juli das Blinden- und Sehbehindertengeld erhöht. Außerdem sollen an dem Tag Hilfsmittel wie der Blindenstock vorgestellt und beispielsweise demonstriert werden, wie man damit Treppen bewältigt.

Hans-Joachim Krahl, der seit 50 Jahren kein Auto mehr fährt, empfiehlt allen Betroffenen, kein Risiko einzugehen und sich verantwortungsvoll gegenüber den Mitmenschen zu verhalten. Wer die Verkehrszeichen oder die Fahrbahnmarkierungen nicht mehr gut erkennt, gehöre nicht hinter das Steuer. Leider, so bedauert er, gäbe es heute nicht mehr wie zu DDR-Zeiten die regelmäßigen Kontrollen älterer Fahrzeugführer.

Und zum Schluss hat er noch eine Bitte an die Verantwortlichen in den Kommunen: Blinde und Sehbehinderte brauchen Kontraste, um sich sicherer bewegen zu können. Besonders Markierungen, beispielsweise an Borden oder Treppen, wären hilfreich.