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Vier Wolmirstedter pilgerten mehr als 250 Kilometer in zehn Tagen durch Sachsen-Anhalt Den Jakobsweg in der Heimat erkundet

Von Mandy Ganske-Zapf 28.04.2012, 03:23

Vier Wolmirstedter sind losgezogen, um sich zehn Tage lang einem Ziel unterzuordnen: Dem Pilgern auf dem Jakobsweg nach einem fest vorbereiteten Wanderplan. Was nach harter Disziplin klingt, war für sie Freiheit, die sie sich herausnehmen.

Wolmirstedt l Renate Höding, Ingrid Stage, Inge Mewes und Jürgen Finke aus Wolmirstedt sind gerade zurück von einer Tour quer durch Sachsen-Anhalt, nach 286 dokumentierten Kilometern, gelaufen innerhalb von zehn Tagen.

Kaum Blasen, dafür schmerzende Füße, oft Schweiß auf der Stirn, das waren schon die größten Sorgen der vier auf ihrer Tour, die sie entlang Bad Salzelmen, Tarthun, Egeln, Kloster Gröningen, Halberstadt, Querfurt und viele weitere Orte führte. Das wichtigste war, nicht vom Jakobsweg abzuweichen. Sorgen plagten sie weiter keine. Genug zum Essen im Rucksack, den Wegeplan in der Hand und das Ziel vor Augen - die Richtung zeigte nach Spanien. "Sonst hat sich alles jeden Tag gefügt", sagt Inge Mewes fast erstaunt. "... dass wir ankommen, eine Unterkunft finden und am Ende auch wieder wie geplant in Wolmirstedt waren." Fügung war es wohl auch, dass sich diese vier Wolmirstedter zwar zuvor teilweise schon seit der Kindheit kannten, dann aber durch die Magdeburger Wanderbewegung die gemeinsame Leidenschaft fürs Pilgern entdeckten. Eine Leidenschaft, die so groß ist, dass jeder für sich zur selben Zeit fühlte, wann der rechte Moment war, um täglich zu starten, um zu pausieren und nach 15 bis 20 Minuten wieder loszumarschieren.

"Man geht einfach", sagt Renate Höding. "Und das ist es. Wenn man geht, dann geht man", schließt sich Inge Mewes an. Sie gingen also, oft lauthals singend, vorbei an blühenden Rapsfeldern, Buschwindröschen und am Lungenkraut.

"Es unterschied sich nicht vom Pilgern in Spanien"

Inge Mewes

"Die Natur war gerade so richtig dabei zu explodieren. Das war sehr schön, außerdem nicht zu warm und nicht zu kalt", freut sich Renate Höding rückblickend über die Tage im Freien. "Eine Motivation war nicht nötig. Wir wussten ja, wo wir hinwollten", sagt Ingrid Stage.

Ein Dach hatten sie nur in Gaststätten, Dorfschenken und nachts über dem Kopf. Geschlafen haben sie in Herbergen, einmal sogar in einer richtigen Pilgerstätte. Das war in Mücheln. In einem Pfarrhaus war der Dachboden dafür extra hergerichtet. Zum Frühstück wurde selbstgekochte Marmelade serviert. Gebucht haben sie ihre Schlafplätze von Tag zu Tag. Inge Mewes: "So haben wir uns in dieser Zeit auf die elementarsten Dinge konzentriert: Dass man etwas zum Essen hat und eine Unterkunft. Das macht glücklich und zufrieden." Sie waren gemeinsam aufgebrochen, aber jeder aus eigenem Antrieb. Und so war jeder auch ganz für sich, weit weg von Verpflichtungen, Terminen und dem Rhythmus im Räderwerk des Alltags. Darin sind sie sich einig.

Manche haben sie unterwegs gefragt, ob sie noch bis nach Santiago de Compostela in Spanien laufen. Dort aber, so sagen sie, waren sie schon, und diesmal wollten sie nur in Sachsen-Anhalt bleiben. "Es unterschied sich auch nicht vom Pilgern in Spanien", sagt Inge Mewes. "Man ist genauso unterwegs, und die Anstrengungen sind dieselben." So haben sie in diesen zehn Tagen einen weiteren Abschnitt auf einem der bedeutendsten Pilgerwege des Abendlandes erobert. Besucht haben sie unterwegs viele Burgen und Gotteshäuser, darunter zum Beispiel das Kloster Marienstuhl in Egeln. "Dort haben wir wahre Schätze gesehen", schwärmt Inge Mewes noch jetzt von der Führung. So gern mancher noch einen Tag länger an einem Ort geblieben wäre, so wenig stand diese Option bei ihnen zur Debatte. An ihrem festgelegten Pensum von 25 bis 30 Kilometer pro Tag war nicht zu rütteln. Einmal schossen sie über dieses Ziel allerdings ungewollt hinaus. "Wir haben uns bestimmt um zehn Kilometer ¿verwandert\'", sagt Jürgen Finke überlegt, wenn er an die Strecke von Halberstadt nach Quedlinburg zurückdenkt. Die Wegweisermuscheln waren kaum angebracht und die Beschreibung im Pilgerführer schlecht. Trotzdem haben sie durchgehalten.

Für jeden Ort, den die Pilger entlang des Jakobsweges passierten, ließen sie sich einen Stempel in ihren Pilgerpass drücken. Viele Orte haben einen vorbereiteten Stempel parat, mit Muschelmuster. Auch Wolmirstedt; er liegt im Museum für Pilger bereit. Vielerorts war den Menschen aber gar nicht bewusst, dass sie am Jakobsweg leben. Das haben die vier Ohrestädter bemerkt. Und so blieb es wohl auch nicht aus, in manchen Orten zu improvisieren. Das war zum Beispiel nötig, um ihren Halt in Eggersdorf bei Schönebeck zu dokumentieren. Im Pilgerpass prangt nun ein dunkelblauer Schriftzug: "Frischmarkt Bethge Eggersdorf." Sie waren da.