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Seit 40 Jahren führt Dr. Ingeborg Telge ihre Praxis in der Samsweger Straße Die allererste Augenärztin von Wolmirstedt

Von Gudrun Billowie 10.12.2011, 05:22

Ingeborg Telge ist Augenärztin. Seit 40 Jahren führt sie die Praxis in der Samsweger Straße. Als sie mit der Arbeit begann, war sie die erste Augenärztin in der Geschichte der Stadt.

Wolmirstedt. lEs hatte bis zum 1. Dezember 1971 niemals einen Augenarzt in der Stadt gegeben. Da eröffnete Ingeborg Telge ihre Praxis und vom ersten Tag an war das Wartezimmer überfüllt. Unter den ersten Patienten war einer, der sich als "das Schreckgespenst von Wolmirstedt" vorstellte. "Ich will sehen, ob Sie was taugen", sagte er, und ließ seine Augen von der "Neuen" untersuchen. Sie erkannte die Leiden, von denen er schon längst wusste. Danach erzählte er allen: "Die ist gut, zu der kannst du gehen."

Ingeborg Telge lächelt, als sie die Geschichte erzählt. Sie wollte immer schon Ärztin werden, hat diesen Traum trotzdem nicht zu träumen gewagt. "Ärzte waren wie Götter für mich." Der Direktor der Schule rückte ihr den Kopf zurecht. "Du bist die einzige dieses Jahrgangs, der ich ein Medizinstudium empfehlen kann." Das wirkte. Sie studierte in Halle, sattelte anschließend den Facharzt für Augenheilkunde drauf. Die üblichen zehn Jahre gingen darüber ins Land. Zwischendurch heiratete sie, gebar eine Tochter. "Dann haben wir einen Ort gesucht, wo mein Mann als Verfahrenstechniker Arbeit findet und für mich ein Platz als Augenärztin frei ist." Wolmirstedt reckte sich Anfang der 70-iger Jahre gerade am Kalibergbau empor. Der Poliklinik fehlte die Augenheilkunde und in Magdeburg gab es Arbeit für Verfahrenstechniker.

Beide fassten Fuß, der Sohn wurde geboren. "Ich habe bis zum Tag der Entbindung gearbeitet", erinnert sie sich, sie konnte die vielen Patienten nicht sitzen lassen.

Augen sind faszinierend, in ihnen kann man viele Schieflagen des Körpers erkennen. "Wir erkennen Stoffwechselkrankheiten, Hautkrankheiten, jede Krebsart kann ins Auge metastasieren." Heute erleichtert moderne Technik die Diagnose. Der Sprung vom Damals ins Heute war die Wende, und diese Zeit betrachtet Ingeborg Telge als die stürmischste ihres Lebens. Bis dahin hat sie zwar in den heutigen Räumen praktiziert, aber unter dem organisatorischen Dach der Poliklinik. Die gab es von einem Tag auf den anderen nicht mehr. Wie viele ihrer Kollegen sprang auch Ingeborg Telge in die Selbstständigkeit. Am 1. April 1991. Bürokratie und eine Flut neuer Medikamente mussten bewältigt werden. Ehemann Jochen stand ihr von Beginn an zur Seite. Tochter Christiane steckte mitten im Medizinstudium. Damals entschied sie sich ebenfalls für die Augenheilkunde, die Nachfolge der Praxis war damit geregelt.

Vor acht Jahren stieg sie mit ein und seitdem arbeiten Mutter und Tochter zusammen. "Meine Tochter trägt inzwischen die Hauptlast, kümmert sich neben den Patienten auch um die Abrechnungen, um die konmplette Organisation in der Praxis." Die Aufgaben sind klar verteilt, darum sind den beiden Spannungen fremd. "Man muss an die junge Generation abgeben können", sagt Ingeborg Telge. Ganz aufhören möchte sie trotz ihrer 71 Jahre dennoch nicht, denn ihre Tochter hat zwei quicklebendige Kinder. Ohne die Hilfe der Mutter würde sie die kaum zu Gesicht bekommen. Ingeborg Telge kennt die Folgen der Zeitnot. "Ich habe sehr das Gefühl, etwas nachholen zu müssen", gesteht sie, "lesen, ins Theater gehen, verreisen." Viel Freude findet sie auch in ihrem Garten und im Zusammensein mit den Enkeln.

Der Tag ihres 40-jährigen Praxisjubiläums ging ebenfalls nicht spurlos vorbei. "Viele ehemalige Kollegen sind gekommen, und wir haben eine schöne Feier genossen."