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Ärztemangel Eltern sehnen Kinderärzte herbei

Eltern kleiner Kinder haben es in Wolmirstedt manchmal schwer, einen Kinderarzt zu finden. Viele sind inzwischen nach Magdeburg ausgewichen.

Von Gudrun Billowie 08.03.2018, 00:01

Wolmirstedt l Maja und Eva Venus sind zwei fröhliche Mädchen, quietschfidel, munter und gesund. Manchmal werden jedoch auch die kleinen Schönheiten von einem Infekt geplagt, brauchen Impfungen oder Vorsorgeuntersuchungen. Dann bleibt ihrer Mutti Jane nichts anders übrig, als sich ein Auto auszuleihen und zum Kinderarzt nach Magdeburg zu fahren.

Freiwillig nimmt die Wolmirstedterin diesen Weg nicht auf sich, doch sie hat keine Wahl. „Ich finde in Wolmirstedt einfach niemanden“, sagt sie. In Notfällen werden Kinder selbstverständlich überall sofort behandelt, aber dauerhaft gibt es für die Mädchen keinen Platz in der Kartei.

Jane Venus ist kein Einzelfall. „Das betrifft viele Eltern meines Bekanntenkreises“, weiß sie. Viele sind wie Jane Venus nach Magdeburg ausgewichen, andere konnten beim Kinderarzt in Zielitz oder Haldensleben unterkommen.

Das Problem hat sich im Juni vergangenen Jahres verschärft, da hat Dr. Bernhard Euchler seine Praxis endgültig geschlossen. Die Patienten, die glaubten, nun zu den anderen Kinderärzten Wolmirstedts wechseln zu können, wurde meist eines Besseren belehrt. Die Praxis von Dr. Martina Ulrich ist offensichtlich über die Maßen ausgelastet. Schon an der Tür weist ein Schild darauf hin, dass ein Kinderarztam Magdeburger Domplatz für die ehemaligen Dr.-Euchler-Patienten zuständig ist.

Als der Kinderarzt seine Praxis zugeschlossen hat, sah es zunächst so aus, als würde bald der Nachwuchs folgen. Zwei junge Medizinerinnen interessierten sich für die Ansiedlung, haben aber letztlich keinen Zulassungsantrag bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) gestellt. „Die Gründe sind uns nicht bekannt“, teilt ein KV-Sprecher mit.

Die KV selbst sieht derzeit keinen dringenden Handlungsbedarf, der Landkreis Börde ist gar für Neuzulassungen gesperrt. Er gilt gut versorgt. Der Landkreis wird als Ganzes betrachtet, Wolmirstedt gehört dazu. „Kinderärzte sind im Umfang von 7,5 Versorgungsaufträgen kassenärztlich tätig“, teilt die KV auf Volksstimmenachfrage mit. Es gibt drei Stellen in Haldensleben, zweieinhalb in Oschersleben, eine in Wanzleben und eine in Wolmirstedt. Und die haben nach den KV-Berechnungen sogar noch Luft in der Kartei.

Der Bedarf wird anhand der Einwohnerzahl errechnet. Von einer angemessenen Versorgung wird ausgegangen, wenn ein Kinderarzt rechnerisch 3990 Einwohner unter 18 Jahre versorgt. Dieses Verhältnis entspräche einem einhundertprozentigen Versorgungsgrad.

Die KV orientiert sich an den Angaben des Statistischen Landesamtes und das sagt, Ende 2015 lebten 25.953 unter 18-Jährige im Landkreis Börde. Demnach kümmert sich ein Arzt rein rechnerisch gar nur um 3460 junge Patienten, was einem Versorgungsgrad von 130,7 Prozent entspricht. Neuzulassungen sind jedoch nur bis zu einem Versorgungsgrad von 110 Prozent möglich.

Auch wenn das Verhältnis Arzt-Patientenzahl also gut bewertet wird, gibt es trotzdem Möglichkeiten, dass sich in Wolmirstedt ein weiterer Kinderarzt ansiedelt. Ein Sonderbedarf könne im Einzelfall immer vorliegen, heißt es von der KV. Aufgrund dieser Einzelfallregelung hätten womöglich auch die besagten Kinderärztinnen praktizieren können, wären sie interessiert gewesen.

Den jungen Eltern hilft das wenig. Jane Venus ist schon froh, dass sie ab und zu ein Auto nutzen kann, sonst müsste sie mit ihren kranken Kindern mit der S- und Straßenbahn zum Kinderarzt ins Magdeburger Stadtfeld fahren. Sie sieht nicht mal, dass ein einziger zusätzlicher Kinderarzt all diejenigen auffangen könnte, die derzeit in den Praxen anderer Gemeinden untergekommen sind.

Diesen Eindruck bestätigt Mandy Oelke. Sie ist die Leiterin für soziale Arbeit beim Deutschen Roten Kreuz. Dort werden Familien betreut, unter denen auch Migranten sind. Sind deren Kinder krank, kommt oft die Sprachbarriere hinzu, wenn sich die Eltern einen Kinderarzt außerhalb von Wolmirstedt suchen. „Die Eltern sind oft nicht in der Lage, telefonisch Termine zu vereinbaren oder Adressen abzufragen“, weiß Mandy Oelke. Dann helfen die DRK-Mitarbeiter beim Telefonieren oder dabei, Verkehrsverbindungen zu finden. Allerdings sagt auch sie: „Notfälle werden immer auch vor Ort behandelt.“

Auch Mandy Oelke sieht einen großen Mangel an Kinderärzten und sieht darin eine unschöne Botschaft: „Es darf keiner mehr nach Wolmirstedt ziehen, der Kinder hat.“

Jane Venus und all die anderen Mütter und Väter möchten jedoch gerne bleiben. Die junge Mutti sagt: „Ich wünsche mir, dass ich mit meinen Kindern in Wolmirstedt zum Arzt gehen kann.“