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Falken Blick in die Zielietzer Kinderstube

Turmfalken lieben die Höhe. Vermutlich sind sie deshalb ganz vernarrt in das Gelände des Zielitzer Kaliwerkes.

Von Detlef Eicke 03.07.2020, 01:01

Zielitz l Die Hoffnung auf ein neuerliches Rekordjahr ist groß bei Sebastian Meyer. Der Umweltingenieur im Kaliwerk berichtet von derzeit 33 geschlüpften Jungvögeln, im Fachjargon Nestlinge genannt. Ein Gelege mit fünf Eiern werde noch bebrütet. Schlüpfen alle Vögel, stehen für 2020 dann 38 Tiere in der Statistik. Im Jahr 2008 zählte die Umweltabteilung 39 Jungvögel – ein bis heute unerreichter Rekord.

„2020 ist ein gutes Jahr, wie die bislang 33 Nestlinge unterstreichen. Wenn die Turmfalken-Eltern ihren Job gut machen, kommen fünf Nestlinge hinzu. Im Durchschnitt zählen wir 23 Jungvögel pro Jahr“, berichtet Sebastian Meyer.

Um die derzeit vier Nestlinge nachzuberingen, ist Thomas Suckow, Zootierinspektor im Tierpark Bernburg, Ende Juni eigens nach Zielitz angereist. Unterstützung erhält er von Sven Widdecke von der Werkfeuerwehr Zielitz. Der Hauptgerätewart bringt den Vogelkundler mit dem Hubretter B 32 – das große Gerät hat eine maximale Rettungshöhe von 32 Metern – an den in schwindelerregender Höhe angebrachten Nistplatz.

Zunächst wirft der Falkenexperte einen prüfenden Blick in den Nistkasten. Der Kasten an der Bandbrücke zur Granulierung ist 2001 angebracht worden und willkommene Unterkunft für die Turmfalken, im Volksmund auch als Rüttelfalken bekannt. Fünf Eier zählt Thomas Suckow. Dass die Eier bebrütet werden, beweist der Anflug eines Elternvogels, der beim Anblick des Beringers abdreht, um später wiederzukehren. Nach der Kontrolle des Nistkastens samt Inhalt kehrt Thomas Suckow wohlbehalten zum Boden zurück.

Danach steht der Besuch eines weiteren Nistkastens an. Der befindet sich im Kompaktbau der Fabrik auf der zehnten Bühne und ist im Jahr 2000 dort angebracht worden. Vier Nestlinge befinden sich derzeit dort. Diese nachzuberingen ist nun Aufgabe des Vogelkundlers. „Wir haben bei einer Kontrolle am 9. Juni dort zehn Eier vorgefunden. Wahrscheinlich haben zwei Weibchen gebrütet. Sechs Eier sind kaputtgegangen. Die Eier sind sehr empfindlich. Wenn sie nicht genug Wärme gekommen, sterben sie ab“, erklärt Thomas Suckow. Mitte Juni sind die Jungvögel geschlüpft. In Kürze wird er wiederkommen, um die Nachkommenschaft im Nistkasten an der Bandbrücke zur Granulierung unter die Lupe zu nehmen.

Die Beringung der Turmfalken findet seit 1999 statt. „Seitdem erfassen wir die Bestände. Bis heute haben wir 472 Jungvögel gezählt, 408 sind beringt worden“, berichtet Sebastian Meyer.

Das Kaliwerk Zielitz habe sich schon seit vielen Jahren erfolgreich dem Artenschutz verschrieben. Dazu zählen unter anderem Nistplätze für Turmfalken auf dem Werksgelände, die jährliche Beringung der Nestlinge, das Schaffen von Nistgelegenheiten an Gebäudefassaden für Mauersegler und das Anbringen von Fledermaus-Fassadenröhren an Werksgebäuden, weiß Sebastian Meyer. „An unseren Gebäuden gibt es etwa 200 Brutmöglichkeiten für Mauersegler. Dazu kommen Nistplatzhilfen für Turmfalken oder so genannte Fassaden-Quartiere für Fledermäuse“, merkt er an. Seit 2016 ist er ins Geschehen involviert, seit diesem Jahr nun federführend. Übernommen hat er die Aufgabe von Rudi Schröter. Der inzwischen pensionierte Umweltingenieur hat viele Jahre in der Umweltschutzabteilung im Kaliwerk gearbeitet und sich mit Natur- und Artenschutz beschäftigt.

„Dass die Vögel hier immer wieder regelmäßig brüten, zeigt, dass genug Nahrung für die Nestlinge vorhanden ist“, macht Rudi Schröter deutlich. Sehr gern kehrt er an seine ehemalige Wirkungsstätte zurück, um einen Blick auf die vor kurzem geschlüpften Nestlinge zu werfen. So auch am 29. Juni. Mit dem Ergebnis ist er durchaus zufrieden.

Nach etwa 30 Tagen Brutzeit schlüpfen die Jungvögel. Etwa 30 bis 40 Tage beträgt die Nestlingszeit. Turmfalken haben eine maximale Lebenserwartung von zwölf bis 14 Jahren. Im Durchschnitt werden sie aber nicht so alt.