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Forschung Klostergeschichte in Groß Ammensleben

Wilfried Lübeck und Rüdiger Pfeiffer aus Groß Ammensleben haben sich mit der Geschichte des Klosters beschäftigt.

Von Christian Besecke 07.07.2020, 01:01

Groß Ammensleben l Nach der Renovierung erstrahlt das Innere der Kirche St. Peter und Paul in Groß Ammensleben heute wieder in neuem Glanz. Neben den Umbauten und der gelungenen Farbgebung wurden einige Restaurierungen – wie beim Anwesenheitsschränkchen der Mönche von 1804 und der Gedenktafel für die Teilnehmer an den Befreiungskriegen – veranlasst. Auf der Nordseite sind nunmehr einige Porträts einstiger Äbte des Klosters zu sehen, genauso wie zwei Epitaphe und acht Grabplatten.

Mit eben drei der bedeutenden Äbte aus der gut 900-jährigen Geschichte des Klosters haben sich jetzt Wilfried Lübeck und Rüdiger Pfeiffer in ihrer Schrift beschäftigt. „Wir sind vor allem auf Heinrich Schuckmann (im Amt 1543 bis 1579) und Ludger Hüffgen (im Amt 1580 bis 1608) sowie Caspar Ulenberg (im Amt 1608 bis 1636) eingegangen“, sagt Wilfried Lübeck. „Diese Äbte wirkten in Groß Ammensleben zu einer außerordentlich turbulenten Zeit religiöser, gesellschaftlicher und politischer Umbrüche.“

Der Abschnitt umfasst die Zeit des Thesenanschlags von Martin Luther 1517 an das „schwarze Brett“ der Universität zu Wittenberg – die Schlosskirchentür – bis zum Westfälischen Frieden 1648 nach dem Dreißigjährigen Krieg. „Die Jahre zwischen 1517 und 1648 brachten auch für das Benediktiner-Kloster Groß Ammensleben im Erzbistum Magdeburg bewegte Zeiten zwischen Aufblühen und Zerstörung“, sagt Rüdiger Pfeiffer weiter.

Neben den negativen Auswüchsen der neu empfundenen Christenfreiheit zeigte auch der Bauernkrieg Auswirkungen in Groß Ammensleben – als einem der nördlichsten Punkte der sozialen Erhebung auf der deutschen Landkarte.

„Einige Aufständische drangen in das Kloster ein, forderten die Absetzung des Abtes und verlangten die Herausgabe allen Viehs und die Aufteilung der Klostergüter unter die Bauern“, erzählt Pfeiffer. Die Rebellion wurde im Keim erstickt und ging für Groß Ammensleben und die beteiligten Bauern den Quellen zufolge ohne weitere Konsequenzen aus.

„Einen Anstoß für den Unmut der Bauern hatten auch die kostspielige Modernisierung der Klosterkirche vom romanischen zum gotischen Baustil mit dem heute das Kirchenschiff prägenden Kreuzrippengewölbe und die rege Bautätigkeit auf dem Wirtschaftshof, der späteren Domäne, gegeben“, ist sich Pfeiffer sicher.

Die Einweihung der Marienkapelle im Jahr 1523 nahm kein Geringerer als Erzbischof Kardinal Albrecht von Brandenburg höchst persönlich vor. Er war unmittelbar nach dem Papst der ranghöchste geistliche Würdenträger des Römischen Reichs Deutscher Nation. „Dem Abt Schuckmann haben wir die ausführliche Dokumentation der Leistungen seines Vorgängers zu verdanken“, erläutert Rüdiger Pfeiffer. „Streng genommen können wir uns so in der Abhandlung gar auf vier bedeutende Äbte beziehen.“ Die genauen Bauarbeiten werden dann auch von Lübeck und Pfeiffer wiedergegeben.

Obwohl die Klosterbrüder zeitweise mit der Reformation liebäugelten, blieb das Kloster ein Fels in der Brandung der Stürme jener Zeit. Die Umgebung wandte sich mehr und mehr dem evangelischen Glauben zu. 1561 gab es im Erzbistum Magdeburg von ehemals 31 Klöstern nur noch acht Mönchs- und zwei Nonnenklöster. „Die heftigen Auseinandersetzungen jener Zeit berührten auch Groß Ammensleben“, weiß Wilfried Lübeck. „Mit der Schlacht im benachbarten Hillersleben am 22. September des Jahres 1550 wurde Groß Ammensleben in den Sog des Religionskrieges zwischen dem protestantischen Schmalkaldischen Bund und der katholischen Liga des Kaisers gerissen.“ Dabei wurde das Kloster Hillersleben zerstört und die Flüchtenden zogen auch durch Groß Ammensleben.

Fünf Jahre später stand das Kloster durch das kluge Wirtschaften von Schuckmann finanziell gut da. Allerdings merkt die Klosterchronik 1556 an, dass die Ernte von einer Mäuseplage bedroht war. Außerdem war vorsichtiges Agieren geboten und das Kloster Ammensleben kam nicht umhin, theologische, ökonomische und politische Zugeständnisse eingehen zu müssen. Schon Schuckmann hatte dem ersten evangelischen Pfarrer, der 1566 aus Gutenswegen kam, ein Pferd und eine Kutsche als Dienstfahrzeug zum Abhalten der Gottesdienste in den umliegenden Dörfern zur Verfügung gestellt.

„Nach Schuckmann bekleidete Ludger – oder wie die gelehrte Welt damals lateinisch sagte: Ludgerus Hüffgen das Amt des Abtes von Groß Ammensleben“, erzählt Wilfried Lübeck. Ein Novum war, dass er der jüngste der sogenannten Konventualen war und er habe „im Wälzen von Büchern eifrig die Stunden verbracht“. 1590 richtete er in der Magdeburger Leiterstraße eine Herberge und ein florierendes Gasthaus zur Vermarktung der Klosterprodukte ein. Besonders beliebt war das Bier: der Ammensleber Brauhahn. „Das missfiel dem Stadtrat, so dass er die Stadtwache vor dem Bierkeller postierte“, erklärt Lübeck augenzwinkernd. „Wer sein Bier in einer Kanne mit nach Hause nehmen wollte, musste eine Extrasteuer zahlen.“

Das Kloster Ammensleben florierte und wurde bekannt für seine Toleranz – bis hin zum Kaiserhof, der 1583 von Wien nach Prag übergesiedelt war. Durch Vermittlung des Kurfürsten von Brandenburg Joachim Friedrich, der von 1576 bis 1598 im Schloß Wolmirstedt residierte, wurde Abt Hüffgen als „Sonderbotschafter“ an den Kaiserhof geschickt. Kaiser Rudolf II. beherzigte nicht die Ratschläge von Hüffgen zur Vermittlung zwischen den Konfessionen, so dass es 1618 zum Fenstersturz zu Prag kam, und in der Folge ein Krieg 30 Jahre lang wütete, der auch Groß Ammensleben nicht verschonte. „Als Hüffgen zurückkehrte, brachte er 400 Bücher und ein exotisches Getränk, das den Mönchen besonders gut gemundet haben dürfte: Türkischen Bohnenkaffee“, so Wilfried Lübeck.