Loge Freimaurerei bei "Asträa" soll leben
Bernd Rothämel ist Freimaurer und Meister vom Stuhl. Er will die Arbeit der 1821 gegründeten Loge "Asträa" fortführen.
Wolmirstedt l Zwillingen wird in der Astrologie nachgesagt, dass sie ständig neue Herausforderungen brauchen. Außer mit dieser Sterndeuterei weiß Bernd Rothämel nicht, wie er seine Rastlosigkeit erklären kann. Schließlich hat er erst 2009, zur 1000-Jahrfeier Wolmirstedts, die Ohreclassic ins Leben gerufen, ein jährliches Treffen von über 100 Oldtimerfreunden des ganzen Landes. Die Touren sind legendär. „Man muss frech denken“, grinst er, und erinnert an Fahrten über die Magdeburger Sternbrücke, die Trogbrücke oder durch den Magdeburger Zoo. Davor gehörte er zum Gründerstamm des örtlichen Rotary-Clubs und unterstützte mit seinem Team Ferienlagerfahrten von Kindern. Und noch davor hat er 1990 das erste Haus, das in Wolmirstedt zum Verkauf stand, bezahlt und in den Nachwendejahren zum Hotel umgebaut. In dessen Keller, der heute für Veranstaltungen genutzt wird, gab es einst die Schnapsbrennerei eines Herrn, der Schluckschmidt genannt wurde.
Nun also die Loge. Wieder sei da ein Punkt gewesen, erzählt Bernd Rothämel, an dem etwas Neues beginnen musste. Er fand die Freimaurerei, von der in Wolmirstedt eine so lange Geschichte erzählt werden kann. Die Loge „Asträa“ wurde bereits 1821 gegründet. Bedeutende Herren aus Wolmirstedt, aber auch Colbitz oder Magdeburg gehörten dazu. Kaufleute, Administratoren, Handwerker, Apotheker, Männer von ehrbarem Ruf.
„Eine Stätte zur Erholung nach des Lebens Mühen... ist sie den Brüdern gewesen, eine Stätte zur Pflege des Gemüts und zur sittlichen Veredlung...“ So steht es in der Chronik geschrieben, die 1921 anlässlich des einhundertsten Geburtstages der Loge gedruckt wurde.
Die Pflege des Gemüts ist auch für Bernd Rothämel ein wichtiger Grundstein seiner Logenarbeit, in der Konkurrenzdenken offenbar wenig Platz hat. „Es ist sehr angenehm mit Leuten zusammenzuarbeiten, mit Freunden gemeinsam etwas bewirken zu können, ohne dabei Kraft wirken zu lassen.“ Die Grundsätze sind Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit und Humanität.
Die Sache mit der Brüderlichkeit ist dabei durchaus wörtlich zu nehmen, denn Frauen sind bei der Logenarbeit nicht zugelassen. Ihre Anwesenheit würde die Gruppendynamik verändern, sind sich die Herren der Loge einig.
Dabei sind die Ehefrauen sehr geschätzt. Ohne deren Zustimmung wird kein Bruder aufgenommen. Den Frauen zu Ehren wird das jährliche Rosenfest ausgerichtet, außerdem sind sie beim Adventsfest und zum Erntedank gerne gesehen. Zu solchen Anlässen dürfen sie auch den Tempel betreten, jenen besonderen Raum im Logenhaus, das in der Glindenberger Straße gleich hinter den Bahnschranken steht.
Meist bleibt die Tür zum Tempel geschlossen, doch zu besonderen Anlässen werden Besucher hineingelassen. Dann dürfen sie die vom Zeremonienmeister zugewiesenen Plätze einnehmen. Und schweigen.
Schweigen müssen die Logenbrüder meist auch, denn die Gesprächskultur folgt strengen Regeln. Vor allem spricht der Meister vom Stuhl. Eine brennende Kerze an seinem Platz macht sichtbar, dass er das Wort hat. Zwischen den Redebeiträgen erklingt Musik, getragene Klänge, die das Blut gleichmäßig durch die Adern pulsieren lassen.
Ist die Kerze weiter gegeben, darf derjenige reden, vor dem sie steht. Auch der Inhalt der Gespräche folgt Regeln. „Streitgespräche über politische oder tagesaktuelle Themen sind im Tempel tabu“, sagt Bernd Rothämel. Außerhalb des Tempels kann hingegen über alles gesprochen werden.
Bernd Rothämel findet in dieser Form des Zusammenseins inneren Frieden. Der Gleichklang der Rituale, deren Vorhersehbarkeit, helfe beim Abschalten vom Alltag. Auch die reglementierte Gesprächskultur sei eine neue Erfahrung. „Man diszipliniert sich.“ Die geheimen Rituale, die der Meister als „erhabene Sache“ bezeichnet, müssen zwar akribisch vorbereitet werden, aber die vorgegebenen Muster geben Halt.
„Die Freimaurerei ist weder Religion noch Religionsersatz“, macht Bernd Rothämel deutlich. Auch beim Austausch von Meinungen oder in Gesprächen sei es nicht das Ziel, unbedingt einen Konsens zu erreichen.
Allerdings wird auf Form und Hierarchie großer Wert gelegt. Die Logenbrüder tragen weiße Handschuhe, auffallend sind die blank gewienerten Schuhe und die sehr förmliche Kleidung. Der Zeremonienmeister prüft, ob alles an seinem Platz sitzt, bevor er den Einlass in den Tempel gewährt.
Wer Freimaurer werden will, muss sich freiwillig dafür entscheiden und in der Karriereleiter ganz unten als Lehrling beginnen. Die nächste Stufe ist die des Gesellen, erst dann erfolgt die Ernennung zum Meister. Neun Meister braucht eine Loge, um als eigenständig zu gelten, „Asträa“ hat fünfzehn.
Das Logenhaus hinter den Bahnschranken darf „Asträa“ nur nutzen. Eigentümer ist eine Stiftung der Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“. Die Eigentumsverhältnisse sind durch den Krieg und die DDR-Zeit sehr durcheinandergeraten. Mit der Machtergreifung Hitlers wurden 1932 die Logen verboten und enteignet. Zu DDR-Zeiten gab es die Freimaurerei ebenfalls nicht. Erst nach der Wende gingen die Häuser wieder zurück an die Logen und weil es „Asträa“ nicht mehr gab, ging die Immobilie an die Weltkugel-Stiftung, die nun auch für Investitionen zuständig ist. „Wir sind Mieter und investieren Ideen“, sagt Bernd Rothämel, „Unser Ziel ist es, in diesem altehrwürdige Haus der altehrwürdigen Wolmirstedter Loge Veranstaltungen anzubieten, die alle Bürger gerne besuchen.“ Bisher gab es Vorträge und Musik, außerdem werden Institutionen wie die Musikschule unterstützt.
Wer das Wort Freimaurer wörtlich nimmt, erkennt den Kern dieser Bewegung. Es waren die freien Steinmetze, die sich bereits im 14. Jahrhundert zu Bruderschaften zusammenschlossen. Noch heute sind Zirkel und Winkelmaß das Symbol der Freimaurerei. Dieses Symbol ist auch im Haus hinter den Bahnschranken an mehreren Stellen zu finden.
Was nach der Freimaurerei kommt, weiß Bernd Rothämel nicht. Zwillinge erspüren so etwas intuitiv, wenn die Zeit dafür reif ist. Und schließlich hat die Logenarbeit gerade erst angefangen. Beruflich liebäugelt er mit dem Ruhestand, mit 66 Jahren ist das wohl auch für einen Zwilling irgendwie an der Reihe. Und vielleicht locken dann wieder die Motoren, die aufgemöbelten Oldtimer. „Ein Teil meines Herzens hängt noch immer an der Ohreclassic“, gesteht Bernd Rothämel, obwohl er sie bei Michael Wesemann in den besten Händen weiß.