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Freizeit Wikinger siedeln in Wolmirstedt

René Gesellchen und seine Frau Anna aus Farsleben sind echte Wikinger, denn sie gehören zur Sippe „Nordarri Beini“ aus Magdeburg.

Von Christian Besecke 09.03.2020, 00:01

Farsleben l „Nordarri Beini“ – die nordische Gastfreundschaft – gibt es seit dem Jahr 2012. Die Sippe haben Marco Hofmann und seine Melanie – also Jarl Thoralf Karlsson und Runa Herbertsdottir – aus der Taufe gehoben. Heute hat die Gruppe 22 Erwachsenen und acht Kinder als Mitglieder.

Mit dabei sind René und Anna als Vargur und Tindra Ronaldsson mit ihren beiden Kindern. Seit drei Jahren wohnt die Familie in Farsleben. Für Anna war dies eine Rückkehr, denn sie stammt von hier. Den Weg in die Wikinger-Sippe fanden die beiden in Jahr 2015. „Ich war bei einer Veranstaltung am Salbker See und traf da zum ersten Mal die Sippe“, erinnert sich René Gesellchen. „Da gab es Schwein vom Grill und ich dachte: Hier bleibe ich.“ Also setzte er sich ans Feuer und trank mit den Wikingern Met.

Wenig später stimmte der Thing der „Nordarri Beini“ der Aufnahme der Familie zu. Sogar die Hochzeit der beiden wurde in Farsleben auf altnordische Weise gefeiert. „Wir haben in der Gruppe einen Altersbereich von 21 bis 65 Jahren und die Kinder gehören natürlich auch dazu“, versichert Jarl Thoralf. „Im Jahresverlauf besuchen wir Veranstaltungen sowie Mittelaltermärkte und bringen den Menschen das Leben im Frühmittelalter nahe.“ Organisiert ist das alles über einen Verein – und die Mitglieder leben den sozialen Gedanken. So organisieren die Wikinger Spiele und spenden Einnahmen für den guten Zweck. Im Colbitzer Forst haben die Nordmannen schon mit den Bürgern Müll gesammelt, außerdem unterstützen sie gemeinnützige Anliegen.

Bekannt ist die Sippe in Sachsen, Thüringen, Brandenburg und natürlich Sachsen-Anhalt. Speziell in der Region Wolmirstedt gab es schon etliche Events, bei denen die Wikinger dabei waren oder diese gar selber abgehalten haben. „So haben wir an einer Wolmirstedter Schule einen Projekttag abgehalten. Die Kinder wurden mit allem bekannt gemacht, was zu so einem Wikingerleben dazu gehört“, erzählt René Gesellchen. „Meine Frau hat ihnen die Kräuterkunde näher gebracht und wir haben gemeinsam gebastelt.“ Dazu gab es eine Nachtwanderung, viele interessante Geschichten zu hören und eine gemeinsame Übernachtung auf dem Schulgelände.

Ein weiterer Termin in der Region ist das Event zum 1. Mai bei der Colbitzer Tierpension. Wobei die Saison für die „Nordarri Beini“ immer mit einem Lager bei der Burg Regenstein über Ostern beginnt. „Und ja, wir übernachten da auch bei Schnee“, versichert Vargur alias René. „Wir kochen über richtigem Feuer, natürlich möglichst traditionelle Gerichte aus alten Zeiten.“

In der Gemeinschaft macht jedes Mitglied genau das, was es am besten kann. Gegenseitige Hilfe ist selbstverständlich, auch im Privatleben. Entscheidungen in der Sippe sind traditionell demokratisch, bei einem Thing zählt die Mehrheit der Stimmen. Politik ist kein Thema, die Sippe repräsentiert heidnische Wikinger mit allen mythologischen Hintergründen Thema.

„Dazu gehört eine möglichst akkurate Gewandung“, erläutert Jarl Thoralf. „So machen wir Kleidung selber oder lassen sie im Auftrag nach unseren Vorstellungen anfertigen.“ Das betrifft auch Waffen und Rüstungsteile.

Wenn auch die Wikinger in der Realität eher Bauern, Händler, Handwerker und Viehzüchter waren, das Thema Kampf hält in Schauvorführungen bei Veranstaltungen Einzug in das Sippenleben. Waffen wie Speere, Äxte und Bögen wurden aber hauptsächlich im alltäglichen Leben als Arbeitswerkzeuge benutzt. „Nicht jeder Wikinger hatte einen Helm oder eine Rüstung“, sagt der Jarl. „So etwas war aufwändig herzustellen und stellte einen großen Wert dar.“ Die Nordmannen liefen auch nicht mit Hörnern an den Helmen herum. „Da wurde die Öffentlichkeit einst auf eine falsche Fährte gelockt“, erklärt Björn Geraldson alias Mario Schubert, der Dinge aus Speckstein und Holz fertigt. Wagner verwendete in einer Oper die Hörner an dem Helmen, um Nordmänner und Germanen optisch auseinander zu halten. „Auch wurde nicht generell aus Hörnern getrunken, sie kamen eher bei Ritualen zu Anwendung“, weiß er zu berichten. „So ein Wikinger trank aus Tonbechern, einem Holznapf oder Silberschälchen.“

Um das Thema Essen kümmern sich nicht in erster Linie die drei Köche der Sippe, sondern meist die Frauen, weil sie ja schließlich die Hausgewalt innehaben. „Traditionelles Essen herzustellen bringt so einige Herausforderungen mit“, sagt René. „Kartoffeln, Nudeln und Tomaten scheiden im Normalfall aus. Dafür würzen wir mit Kräutern, die wir auch selber sammeln.“ Zudem gab es auf dem Speisezettel der Vorfahren nicht jeden Tag Fleisch, obwohl René heutzutage in Farsleben die Sippen-Suppenhühner züchtet.

„Wir experimentieren da viel und kochen nach alten Rezepten“, verrät der Jarl. „So werden Fladen hergestellt, Quark und Skyr kommt eine hohe Bedeutung zu.“ Die Sippe räuchert, hat auch schon Trockenfleisch hergestellt und ist gemeinsam in die Pilze gefahren.

„Richtigen Met haben wir auch schon gemacht“, fügt Thoralf hinzu. „Das ist dann etwas völlig anderes als heutige Industrieerzeugnisse.“ Überhaupt sind die Sippenmitglieder vom ländlichen Leben begeistert und durchweg handwerklich begabt. Im Lager finden sich Rundzelte, Sachsenzelte, A-Zelte, ein Küchenzelt, ein Marktstand und eine Lagerplane – unter der versammeln sich die Familien.

Bei Events wird auf traditionelle Weise gecampt. Die Kinder schlafen in Feldbetten, die Erwachsenen nutzen Steckbetten, die selber angefertigt worden sind. „Wir haben zwar unsere festen Termine, aber wir kommen auch gern zu den Leuten“, sagt der Jarl. „So gab es schon Mottopartys und dergleichen.“