1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wolmirstedt
  6. >
  7. Gedenkstein erinnert an den Bahngleisen in Farsleben an die Befreiung von 2500 Juden aus einem Zug

Gestrandeter Zug Gedenkstein erinnert an den Bahngleisen in Farsleben an die Befreiung von 2500 Juden aus einem Zug

Anlässlich des Gedenktages wurde ein Gedenkstein an den Bahngleisen errichtet.

Von Gudrun Billowie Aktualisiert: 14.4.2021, 10:31

Wolmirstedt. Fünf Tonnen wiegt der Stein, auf drei Seiten steht „Befreiung, 13. April 1945“, deutsch, englisch und hebräisch. Die vierte Seite zeigt das Symbol der amerikanischen Einheit „Old Hickory“. Diese Einheit war dabei, als die 2500 Juden den Zug verlassen und den Weg in die Freiheit gefunden haben. Hickory sind Bäume aus der Familie der Walnussgewächse, zwei Exemplare wurden in unmittelbare Nähe des Steins gepflanzt.

„Jeder, der diesen Stein sieht, wird sich fragen, was er bedeutet“, sagte Carsten Koslowski, Schulleiter des Kurfürst-Joachim-Friedrich-Gymnasiums in einer kurzen Ansprache. Diese Fragen sind erwünscht, denn in der Geschichte, für die dieser Stein steht, die unter anderem im Museum und im Gymnasium erforscht und aufgearbeitet wurde, liegen Leben und Tod sehr nah beieinander. „Dieser Stein steht für die dunkelsten zwölf Jahre deutscher Geschichte“, sagt der CDU-Landtagsabgeordnete Holger Stahlknecht, „er dient auch als Erinnerung und Mahnung, dass wir pfleglich miteinander umgehen, tolerant sind.“Holger Stahlknecht ist Schirmherr des Vereins „Gestrandeter Zug“, dessen Mitglieder sich vehement für das Erinnern eingesetzt haben.

Der Stein sollte bereits im vergangenen Jahr, zum 75. Jahrestag, eingeweiht werden. Dann kam Corona. Zunächst blieb die Hoffnung, dass die Pandemie zum 76. Jahrestag besiegt sein würde, doch diese Hoffnung erfüllte sich nicht. Corona hält die Welt weiter im Griff und so wird auch der ganz große Triumph über das Vergessen wohl endgültig ausbleiben, ein internationales Treffen vieler Überlebender.

Pandemie macht Treffen der Überlebenden zunichte

So ein Treffen war bereits zum 75. Jahrestag 2020 geplant. Überlebende aus Amerika, England oder Israel wollten nach Farsleben kommen, sich gemeinsam in Würde erinnern. Sie haben als Kinder in diesem Zug gesessen, nun läuft ihnen die Zeit davon, das Zusammentreffen kann wohl nicht nachgeholt werden. Per Brief oder Internet werden sie von der Einweihung des Gedenksteins erfahren.

Einer dieser etwa 500 Kinder war Peter Lantos. Er war fünf Jahre alt, als er zusammen mit seiner Mutter vom Konzentrationslager Bergen-Belsen ins Konzentrationalager Theresienstadt bei einem Stopp in Farsleben den Weg in die Freiheit fand. Inzwischen lebt er in London, war Professor für Neurowissenschaften und wäre gern zur Gedenkfeier gekommen: „Es tut mir umso mehr leid, als ich die Leute, die meine Freunde wurden, nicht sehen konnte“, schreibt er auf Volksstimme-Anfrage. Peter Lantos weilte vor Jahren bereits in Wolmirstedt, hatte Gymnasiasten aus der Zeit im Konzentrationslager, von der Befreiung und danach erzählt. Unter anderem dafür wurde er im vergangenen Jahr von Queen Elisabeth gewürdigt: „In der Ehrenliste zum Geburtstag der Königin wurde ich mit der British Empire Medal für 'Verdienste um Holocaust-Aufklärung und -Bewusstsein' ausgezeichnet.“ Diese Würdigung freut ihn, aber auch die Verbindung zu den Menschen der Region Wolmirstedt: „Am rührendsten ist, dass sie mir Bücher schicken und wunderschöne Fotos sowie ein Päckchen Pralinen, Kekse und ein Glas mit dem besten Honig, den ich je hatte.“

Farslebens Ortsbürgermeister Rolf Knackmuß weiß, wie wichtig dieser Gedenkstein für Überlebende ist. „Viele sind schon gekommen und fanden gar keinen Hinweis auf diesen Zug.“ Um so mehr dankte er dem Verein „Gestrandeter Zug“ sehr herzlich und bedauerte: „Es tut mir sehr leid, dass es keine Veranstaltung gab, die Farsleben ins Licht der Weltöffentlichkeit gerückt hätte.“

Peter Lantos weiß, was er bei der Einweihung des Gedenksteins gesagt hätte: „Erhalten und entwickeln Sie Deutschland als freies, liberales und erfolgreiches Land: Europa und die Welt brauchen Sie.“

Foto: Gudrun Billowie