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Hochwasser Wenn der Kaffeemüller zum Fährmann wird

Landkreis Börde: Das Hochwasser hat Anwohnern der Ohre einen gehörigen Schrecken eingejagt.

Von Gudrun Billowie 22.02.2021, 00:01

Wolmirstedt l Da fällt auch den Bewohnern der Elbeuer Wassermühle ein Stein vom Herzen. Wenn Moritz Schmeier das Mühlrad der alten Vordermühle in Elbeu betrachten möchte, muss er zurzeit ins Kanu steigen. Der Mühlgraben, ein Nebenarm der Ohre, sowie die Ohre selbst sind mächtig angestiegen. Am Sonnabendnacht bis in den Vormittag hinein wurde mit 2,37 Meter der höchste Stand des aktuellen Hochwassers gemessen. Seither sinkt der Pegel wieder. Es gilt noch immer Alarmstufe 2, die regelmäßige Kontrollen erfordert. Entwarnung gibt es erst ab 2,10 Meter. Sonntag stand der Pegel bereits bei 2,26 Metern. Die Vordermühlenfamilie sieht den sinkenden Wasserspiegel mit Erleichterung.

„Es hätte schlimmer kommen können. Die Gebäude sind noch immer trocken“, sagt Evamaria Schmeier, die mit ihrer Familie in der alten Mühle lebt und dort auch ein Café betreibt, „sogar die Autos konnten in den Garagen stehen bleiben.“ Dennoch, als das Wasser kam, mussten sie Vorkehrungen treffen.

Die bunten Holzschuppen, in denen das Zubehör für Kanutouren gelagert wird, mussten auf den höher gelegenen Hof transportiert werden, ebenso die Kanus selbst. Die stehen eigentlich Touristen für eine Tour auf der Ohre zur Verfügung, doch im Moment ist so eine Bootsfahrt wegen des Hochwassers nicht möglich.

Moritz Schmeier nutzt ein Kanu, um beim Mühlrad nach dem Rechten zu sehen. Zu Fuß führt dort kein Weg mehr hin, sowohl die Brücke als auch die Wiesen sind überflutet.

Das mächtige Zuppinger Wasserrad hat einen Durchmesser von sechs Metern und wurde nach der Wende zusammen mit dem Wehr und der Holzwelle erneuert, getreu dem Vorgängermodell wieder hergerichtet.

Das alte Wasserrad hatte damals nur noch als Skelett im Wasser gelegen, war zerfallen. Das Getreide wurde bis in die 1970er Jahre mit Hilfe eines Elektromotors zu Schrot und Mehl gemahlen.

Doch Anfang der 1990erJahre entschied die Untere Denkmalschutzbehörde, dass die Elbeuer Vordermühle erhalten und restauriert werden solle, ebenso Auerbachs Mühle, die eine Bockwindmühle ist. Diesem Entschluss folgte die Restaurierung.

Nun dient die Wassermühle längst als Schauanlage, wurde zunächst an den Mühlentagen zugänglich gemacht, inzwischen können Besucher das ganze Jahr über kommen, das alte Bauwerk besichtigen, das Café besuchen, Frank Neubauers Kaffeerösterei bestaunen oder ein Kanu leihen. Es sei denn, Corona lässt so ein öffentliches Leben nicht mehr zu. Seit November sind die Gaststätten geschlossen. Wann wieder geöffnet werden darf, steht derzeit in den Sternen.

Moritz Schmeier, der normalerweise im Café mitarbeitet, begutachtet das Mühlrad und erkennt, das Gebäude wird das aktuelle Hochwasser gut überstehen. Auch das Backhaus scheint nicht in Gefahr zu sein. Lediglich die Rinder mussten auf eine andere Weide, damit sie nicht dauerhaft nasse Füße bekommen. Ein kleines Fußbad scheinen sie hingegen zu genießen. „Bis zu den Knien gehen sie manchmal ins Wasser.“

Das Hochwasser in Kombination mit Sonnenschein und frühlingshaften Temperaturen lockte am Wochenende viele Menschen ins Freie. Am Wochenende zuvor hatte es noch Minustemperaturen im zweistelligen Bereich gegeben, die Ohrewiesen, auch an der Wassermühle, waren eine Eislandschaft, geeignet zum Schlittschuhlaufen. Dass die großen Schneemengen nicht zu noch mehr Hochwasser führen, hat zwei Gründe: Der Boden war unter der dichten Schneedecke kaum gefroren und die Ohre kann ungehindert in die Elbe abfließen.