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Technikgeschichte Hundertjähriger zurück in seiner Heimat

Der historische Mühlenhof in Ebendorf hat seinen Antrieb zurück. Der über 100-jährige Elektromotor wurde am Mittwoch nach fast genau elf Monaten Sanierung wieder eingebaut.

Von Sebastian Pötzsch 04.06.2021, 13:17
Mit Spezialtechnik wuchten Clemens Gathke und Dennis Meier (von links) den schweren Motor in die alte Mühle in Ebendorf.
Mit Spezialtechnik wuchten Clemens Gathke und Dennis Meier (von links) den schweren Motor in die alte Mühle in Ebendorf. Foto: S. Pötzsch

Ebendorf - Auf dem Mühlenhof in Ebendorf geht es am Mittwochvormittag recht eng zu. Ein blauer Transporter einer Magdeburger Fachfirma parkt auf dem Gelände, mehrere Personen schauen drei Arbeitern gespannt auf die Hände. Aus dem Inneren der alten Mühle ist das schrille Geräusch eines Winkelschleifers zu hören und es riecht nach verbranntem Metall.

Sicher bewegt Dennis Meier das schwere Gerät über zwei Schienen, die an einem Zementblock befestigt sind. „Ich bereite gerade das Fundament vor, um den alten Motor installieren zu können“, erklärt der Elektrofachmann während einer kurzen Pause. Derweil ist Kollege Nico Oeltze dabei, den alten Stromanschluss für das historische Gerät den aktuellen Normen anzupassen.

Alter E-Motor standüber 50 Jahre still

Seit den 1920er Jahren bis ins Jahr 1965 wurde auf dem Ebendorfer Mühlenhof noch allerhand Getreide zu Schrot und Mehl gemahlen, darunter Weizen, Hafer, Gerste, Roggen und Mais. Angetrieben wurde die Mühle durch den besagten Elektromotor. Doch das Gerät kam offenbar bereits in der alten Bockwindmühle zum Einsatz, die am Standort „An der Windmühle“ Ebendorf ihren Dienst tat.

In den 1920 Jahren hatte die Müllerfamilie mit dem Namen Becker die alte Bockwindmühle aufgegeben und war in die Haldensleber Straße umgezogen. Im Vorderhaus wohnte die Familie, während die alte Scheune zur Mühle umgebaut wurde. Hier installierte sie den im Jahr 1918 von der Berliner „Fabrik elektrische Anlagen und Apparate Dr. Max Levy“ gefertigten Motor. Mittels Flachriemen wurde die Energie über eine Transmission, also ein Getriebe aus Holz, an das Mühlenrad umgeleitet. Dafür stand eine Kraft von immerhin 20 Pferdestärken oder 14,7 Kilowattstunden zur Verfügung.

Doch der Motor lief rund 50 Jahre nicht mehr. Deshalb haben es sich die Mitglieder des örtlichen Kultur- und Geschichtsvereins, der seit 20 Jahren Mieter des Objektes Mühlenhof ist, zum Ziel gesetzt, die gesamte Mühle wieder gangbar zu machen.

Mit der Abo Wind AG, die an der Autobahn A2 neben einer Biogas- sowie eine Photovoltaik-Anlage errichtet hat, war vor genau einem Jahr ein zahlungskräftiger Sponsor gefunden worden, der die Heimatfreunde in ihrem Vorhaben unterstützt. In mehreren Teilabschnitten soll die gesamte Technik nun saniert werden. Den ersten Abschnitt bildet Reparatur des über 100 Jahre alten Elektromotors.

„Wir alle sind ganz stolz, diesen alten Motor zu haben und wieder zurück ins Leben zu holen“, erklärt der Vereinsvorsitzende Michael Oeltze und fügt hinzu: „Der alte Müller würde sich freuen, wenn er wüsste, dass sich um seine alte Mühle gekümmert wird und für die Nachwelt erhalten bleibt.“ Ziel soll sein, die Mühle Stück für Stück wieder auf Vordermann zu bringen. In zwei Jahren, so die Hoffnung des Vereins, könnte die alte Transmission wieder laufen und tatsächlich Korn gemahlen werden.

Dem kann Ortsbürgermeister Manfred Behrens (CDU) nur zustimmen. „Wir nehmen ja schon seit elf Jahren am Deutschen Mühlentag teil und laden Interessierte ein, sich alles anzuschauen. Eines Tages wird alles wieder laufen, das wäre eine echte Attraktion“, ist der Politiker überzeugt. Schon im kommenden Jahr könnte mit dem nunmehr funktionierenden Motor gezeigt werden, wie genau das Schroten und Mahlen einst vonstatten ging.

Dabei würde sich Manfred Behrens einen Traum erfüllen. „Der Enkel des alten Müllers lebt im brandenburgischen Wenzlow direkt an der A2. Es wäre doch schön, wenn er mal dabei wäre und aus alten Erinnerungen erzählen kann.“ Eine Zusage gebe es bereits.

Indes sind Dennis Meier und Kollege Clemens Gathke dabei, den fast eine halbe Tonne schweren Motor aus dem Transporter zu hieven. Ohne spezielle Technik ist das nicht zu schaffen. So bauen die beiden Fachmänner ein Gerüst mit Flaschenzug auf, um das zentnerschwere Gerät anzuheben und bis ins altehrwürdige Gebäude zu wuchten.

Im Gegensatz zum Vorjahr erstrahlt der historische Elektroantrieb nun in neuem Glanz. „Unsere Lehrlinge haben viel gemacht und den Motor aufgewertet“, erzählt Dennis Meier. So habe die Maschine neue Gleitlager erhalten. „Die haben wir nach den alten Mustern gedreht und gefräst, schließlich gibt es solche Teile nicht mehr“, erzählt Dennis Meier weiter. Auch die sogenannten Schleifringe wurden nach altem Muster neu erschaffen und die Wicklungen geprüft. Letztere mussten nicht erneuert, neben dem Motor und dem Anker aber in ein Spezialbad zur Imprägnierung getaucht werden. Ferner wurden ein schwarzer Isolierlack aufgetragen, der Klemmkasten an die aktuelle Normen angepasst, neue Schleifkontakte für den Anlasser eingebaut, ein Ölwechsel durchgeführt sowie das Innenleben aufgearbeitet.

„Das ist zwar alte Technik, aber robust. Nun läuft wieder alles“, erklärt Kollege Clemens Gathge. Und Dennis Meier ergänzt: „Gut zwei Monate Arbeit stecken ganz bestimmt in dem Projekt. Das war schon etwas ganz Besonderes, so einen alten Motor hatte ich bisher noch nicht gesehen.“

So handele es sich bei dem alten Elektroantrieb tatsächlich um aussterbende Technik. „Der Anreiz, dass wir das schaffen, war da.“ Denn die offene Bauweise gibt es so eben heute einfach nicht mehr, vielmehr „werden Motoren ganz kompakt gebaut“.

Nach dreieinhalb Stunden sind alle Teile montiert und die Kabel angeschlossen. Elektrofachmann Dennis Meier betätigt den Hauptschalter und schon fängt der Motor an zu surren. Die Stimmung habt sich merklich unter den Anwesenden. Immer wieder dreht der Fachmann an einem Rädchen, bis nach wenigen Minuten der altehrwürdige Elektromotor auf Volllast fährt.

Nun soll Mühlwerk wieder gangbar gemacht werden

„Das ist fantastisch. Wir hatten eigentlich bis zuletzt nicht das Gefühl, dass der alte Motor noch einmal läuft“, sagt Vereinsvize Heinz Reckler. „Das Gerät ist in Anbetracht seiner Leistung und seines Alters sehr geräuscharm. Das ist ein Hochgefühl, als wenn ein Schiff zur Jungfernfahrt ausläuft.“ Damit ist der erste Bauabschnitt zur Wiederinbetriebnahme der alten Mühlentechnik geschafft.

Unter dessen ruft der Vorsitzende Michael Oeltze Interessenten zum Mitmachen auf. „Ebendorfer, die Lust an der Technik und an der Historie unseres Ortes haben, können sich gerne melden.“

Michael Oeltze mit einem Foto des Müllers Becker.
Michael Oeltze mit einem Foto des Müllers Becker.
Foto: Sebastian Pötzsch