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Jersleber See Vom Rohdiamanten zum Gewinnbringer?

Die von der Barleber Gemeindeverwaltung im Sommer beauftragte Machbarkeitsstudie zur Zukunft des Jersleber Sees liegt vor.

Von Sebastian Pötzsch 28.11.2020, 00:01

Barleben l Kann der Betrieb des Jersleber Sees an einen privaten Investor übertragen werden? Mit dieser Frage beschäftigen sich die politischen Gremien bereits seit Herbst vergangenen Jahres. Die Verwaltung hatte diesen Vorschlag eingebracht. In einer vorbereiteten Beschlussvorlage wollte sich die Gemeinde von den Ratsmitgliedern die Legitimation zur Erstellung eines entsprechenden Konzeptes holen.

Laut dem Papier sollte die Gemeindeverwaltung damit beauftragt werden, „ein Pachtvertragskonzept zur Übertragung der Aufgaben des Betriebes Jersleber See auf einen privaten Träger“ auszuarbeiten. Dies betreffe alle Aufgaben ausschließlich die Bungalowsiedlung. Kurz vor Weihnachten 2019, nachdem die Verwaltung die besagte Beschlussvorlage auf Betreiben der Ratsmitglieder ergänzte, kam dann das OK der Kommunalpolitiker.

Doch um was geht es genau? Die Eigentumsverhältnisse am Jersleber See sind für Außenstehende nur schwer zu durchschauen. Es gibt Flächen, die gehören der Gemeinde Barleben, andere Flächen der Niederen Börde oder Wolmirstedt sowie privaten Eigentümern. Der Betrieb des Erholungszentrums jedoch steht unter der Verantwortung Barlebens. So regeln es entsprechende Vereinbarungen. Das Gelände umfasst neben den Standflächen für Dauer- und Touristikcamping und den dazugehörigen Service-Gebäuden die Ufer- und Strandfläche sowie die Bungalowsiedlung.

Doch handelt es sich beim Erholungszentrum um ein Verlustgeschäft. Die Zuschüsse wurden im Zuge der Haushaltskonsolidierung der vergangenen Jahre zwar erheblich reduziert, indem Einnahmen erhöht und Kosten gesenkt wurden: Dennoch schreibt der Jersleber See alljährlich rote Zahlen. Deshalb müssen Ideen her.

So war eine Machbarkeitsstudie zur touristischen Vermarktung des Jersleber Sees auf den Weg gebracht worden, welche über „Leader“, dem europäischen Förderprogramm zur Entwicklung des ländlichen Raumes, gefördert wurde. Das mehr als 90-seitige Papier liegt nun vor. Erstellt wurde das Konzept von der IFT Freizeit- und Tourismus GmbH, ein Beratungs- und Planungsunternehmen aus Potsdam.

In der Machbarkeitsstudie stellen die Verfasser einerseits Potentiale im Hinblick einer Analyse des Marktumfeldes fest. Andererseits werden Vorhaben aufgezeigt, um die Potentiale nutzen zu können. Zu guter Letzt wird in drei Varianten vorgeschlagen, wie diese Vorhaben am besten umzusetzen sind.

So stellen die Verfasser zunächst fest, dass „der Zustand der Anlage - mit Ausnahme des Informationszentrums beziehungsweise des Rezeptionsgebäudes - nicht mehr zeitgemäß“ ist sowie „die Angebote den Anforderungen der Touristikcamper und neuer Dauercamper nicht mehr gerecht“ würden. Zudem fehle es an ergänzenden Zusatzangeboten für längere Aufenthalte beziehungsweise für eine Verlängerung der aktuell sehr kurzen Saison. „Ohne größere Investitionen ist die Zukunft des Campingplatzes nicht mehr gesichert.“ Werde dagegen nicht investiert und kein klares Profil entwickelt, sagen die Autoren der Studie einen weiteren Verlust an Attraktivität voraus.

So soll mit Investitionen gegengesteuert werden. Vorgeschlagen wird die künftige Positionierung als Premium-Natur-Aktiv-Campingplatz. Möglich sei auch eine schrittweise Weiterentwicklung zum Kurzurlaubs-, Urlaubs- und Freizeit-Resort. Das Kernangebot am Jersleber See soll der Campingplatz mit Badestelle bleiben. Das Beherbergungsangebot sollte ausgebaut und längerfristig auch auf das Winterhalbjahr ausgeweitet werden. Ein Hotel wird allerdings nicht gesehen.

Die Investitionen sind mit dem Ziel verbunden, mehr Touristen für den Campingplatz sowie „Gäste zu gewinnen, die mehr Geld ausgeben und den Betrieb des Naherholungszentrum rentabel machen“. Zur Umsetzung dieses Zieles schlagen die Berater insgesamt drei Varianten in zwei Ausbaustufen vor. Die erste Ausbaustufe würde die Aufwertung des Campingplatzes beinhalten sowie der Sanitärbereiche, die Investitionen in Mietzelte, Mobilheime und Mietwohnwagen verschiedener Ausstattungen, in Gastronomie mit Terrasse, den Bau eines Kinderspielhauses, die Einrichtung verschiedener Verleihstationen wie Elektroboote und Elektrofahrräder und die Errichtung einer Wasserlandschaft mit Trampolin und Luftkissen. Hinzu kämen unter anderem Felder für diverse Ballsportarten, eine Erlebniswasserrutsche sowie die Aufwertung des gesamten Umfelds und der Einrichtung eines kleines Einkaufladens mit Backshop. Hier schlagen Kosten in Höhe von etwa 3,8 Millionen Euro zu buche.

Diese Ausbaustufe sieht zwei Varianten für die künftige Umsetzung vor. In Variante A investiert und betreibt die Gemeinde weiterhin den Campingplatz sowie den Shop und den Bereich Naherholung. Gastronomie und Wasserfreizeit werden an einen privaten Betreiber verpachtet. In Variante B investiert die Gemeinde lediglich in Teile des Naherholungsgebietes und verpachtet das komplette Tourismus- und Naherholungsareal an einen privaten Pächter, der einen Großteil der Investitionen umsetzt.

Die Ausbaustufe 2 sieht ausschließlich die Verpachtung des Naherholungs- und Freizeitbereichs an einen privaten Investor vor. Geplant sind unter anderem die Vergrößerung der Dauercampingplätze sowie die Aufwertung dieser in verschiedenen Kategorien. Auch die Sanitärbereiche sollen erweitert werden, bis hin zur Kategorie „Premium Deluxe“. Außerdem sollen Mietbungalows, Baumhäuser, Stelzenhäuser sowie Mini- und Reihenhäuser zur Vermietung sowie Saunen gebaut werden. Rund 6,2 Millionen Euro würde die 2. Ausbaustufe kosten.

„Es sind Investitionen geplant, die es so hier noch nicht gegeben hat“, wirbt Barlebens Bürgermeister Frank Nase (CDU) für die Umsetzung des Papiers. Dabei setzt der Rathauschef auf jene Variante, die vorsieht, den Betrieb komplett an einen professionellen Pächter zu geben, der dann baut. Die Gemeinde würde dann als Aufsichtsgremium auftreten und Einfluss auf das Geschehen am Jersleber See nehmen können.

Und er nennt Vorteile dieser Variante: Ein Privatier hätte mehr Möglichkeiten zu investieren, beispielsweise durch Koppelgeschäfte und die Nichtgebundenheit an Tariflöhne des öffentlichen Dienstes, die Barleben wiederum für das Personal am Jersleber aufbringen müsste. Auch würde ein Dritter nicht europaweit ausschreiben müssen. Ferner habe Barleben weniger Möglichkeiten, zu investieren, allein schon wegen der Haushaltslage. „Auch hat ein Pächter als Eigentümer mehr Leidenschaft, solch ein Projekt zum Erfolg zu führen“, führt Frank Nase an.

Der Meitzendorfer Ortschaftsrat hat am Dienstagabend als erstes politisches Gremium sein Votum abgegeben und sich für Variante 1 entschieden, also den Betrieb des Jersleber Sees komplett unter der Regie der Gemeinde. Zur Umsetzung wurde die Gründung einer kommunalen Betreibergesellschaft ins Spiel gebracht. „Damit ist die Diskussion eröffnet. Nun entscheiden die Ausschüsse und dann der Gemeinderat“, sagt der Bürgermeister und ergänzt: „Egal, welche Variante am Ende das Rennen macht: Ich würde die Geschichte weiterverfolgen, und zwar mit Volldampf. Ich sagte es ja schon einmal: Der Jersleber ist ein roher Diamant, der geschliffen werden muss.“