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Schnupperstunde Klavierspiel hält das Gedächtnis fit

Feierabend - was nun? Die Volksstimme testet in Wolmirstedt Freizeitmöglichkeiten. Heute: Eine Schnupperstunde in der Musikschule.

Von Gudrun Billowie 21.12.2016, 00:01

Wolmirstedt l Tanja Litmanowitsch, Klavierlehrerin an der Musikschule, ist es gewohnt, dass immer öfter Musikschüler auf dem Klavierhocker sitzen, die den Kinderschuhen schon lange entwachsen sind. „Keine Angst“, ermuntert sie. Ihr herzliches Lachen zeigt, dass sie sich darauf freut, die Lust am Klavierspiel zu wecken, selbst wenn die Musikschüler zur Altersklasse Ü40 gehören.

Also los. Tanja Litmanowitsch singt die Tonleiter c-d-e-f-g-a-h-c, von C bis C, dann erklärt sie die Tasten. Nein, die weißen Tasten werden nicht wie im Kinderwitz mit gewaschenen Händen gespielt, während die schwarzen Tasten für Schmutzhände bleiben. Die weißen Tasten bilden Oktaven, acht Tasten für die acht Töne der Tonleiter, acht Mal hintereinander sind die Töne von C bis C auf der weißen Klaviatur aneinandergereiht, Kenner wissen es längst, acht Oktaven reihen sich aneinander.

So viel Theorie muss sein und nun kann es eigentlich losgehen. Die Schülerhände wollen mit dem Klavierspiel beginnen, aber Tanja Litmanowitsch fragt, welche der weißen Tasten denn die erste C-Taste ist und schon sind die ungeduldigen Hände gebremst.

Da kommen die schwarzen Tasten ins Spiel. Die gibt es nebeneinander im Doppel- und im Dreierpack. „Zwillinge und Drillinge“, gibt Tanja Litmanowitsch dem Gedächtnis ein Bild. Links neben der schwarzen Zwillingstaste findet sich in Weiß der erste Tonleiterton C. Das lässt sich merken und schon wollen die Hände wieder klimpern, die Tasten anschlagen. Endlich gibt die Kavierlehrerin der Ungeduld nach.

Nur einen Moment, dann sieht sie die Finger wie platte Flundern plump auf die Tasten hauen und das stimmt mit der Vorstellung der richtigen Handhaltung kein bisschen überein. Also von vorn. Die Finger müssen gekrümmt sein, die Tasten quasi von oben anschlagen. Als Tanja Litmanowitsch mit der Handhaltung zufrieden ist, darf eine Tonleiter gespielt werden, erst mit der rechten Hand, dann sogar mit beiden Händen zugleich, was höllische Konzentration erfordert.

Bei all dem wirkt sie kein bisschen streng, ist das Gegenteil der verkrampften Klavierlehrerinnen, die durch Klischeefilme ins kollektive Gedächtnis gebrannt sind. Sie lacht und ermutigt, sich Schritt für Schritt die großen Geheimnisse des Instruments zu erschließen, das schon Johannes Heesters besang: „Man müsste Klavier spielen können...“

Heesters ist 108 Jahre alt geworden und es gibt zwischen seinem Alter und dem Klavierspiel einen Zusammenhang, der nicht unerwähnt bleiben sollte. „Klavier spielen fordert das Gedächtnis, es trainiert das Gehirn wie einen Muskel“, erklärt Tanja Litmanowitsch. Während Anfänger schon Mühe haben, die Tonleiter mit beiden Händen auf gleiche Weise zu spielen, so spielen die Hände der Fortgeschrittenen jeweils andere Noten. Dafür muss das Gehirn auf Hochtouren laufen.

„Es wäre gut, längere Zeit dabeizubleiben, mal ein halbes Jahr zu probieren, ob das Instrument passt“, nennt Tanja Litmanowitsch einen realistischen Zeitrahmen. Und weil Übung den Meister macht, sollte auch die Zeit dafür vorhanden sein. „Es nützt nichts, kurz vor der Unterrichtsstunde schnell zu üben“, weiß sie, „das baut Druck auf und es gibt keine Fortschritte.“ Andererseits: „Wenn wir vom Musikvirus angesteckt werden, sind wir süchtig und finden die Zeit.“

Bei regelmäßigem Üben folgen Freude, die Erfolgserlebnisse stellen sich ein, auch bei erwachsenen Schülern. „Von unseren gut 700 Musikschülern gehören rund 50 zur Altersgruppe Ü35“, nennt Musikschulleiter Armin Hartwig Zahlen. Manche wollen das Klavier im Wohnzimmer zum Leben erwecken, andere ihre Gitarrenkenntnisse auffrischen, manche finden einen Platz in den Musikschulensembles wie dem Orchester, der Big-Band oder dem Kammerorchester.

Von einer Schnupperstunde, wie sie ausnahmsweise für die Volksstimme möglich gemacht wurde, hält Hartwig nichts. Er stimmt Tanja Litmanowitsch zu, die ein halbes Jahr Probe empfiehlt. „Manchmal platzt der Knoten erst nach zwölf Wochen, manchmal verlöscht ein Strohfeuer schnell.“

Die Sonder-Schnupperstunde, die in Wirklichkeit nur knapp 30 Minuten dauerte, war Freude pur. Am Ende ermutigt Tanja Litmanowitsch sogar zum ersten eigenen Lied. Das klang vertraut, erinnerte an das Xylophonspiel aus Kinderzeiten. Alle meine Entchen.