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Schädlinge Im Küchenhorn sterben die Bäume

Längst verenden nicht nur Fichtenwälder wie im Harz, auch die Mischwälder kämpfen ums Überleben. Dazu zählt auch Wolmirstedts Küchenhorn.

Von Gudrun Billowie 10.10.2020, 01:01

Wolmirstedt l Jens Dedow hat schlechte Nachrichten: Immer mehr Bäume sind von Schädlingen und Pilzen befallen, sind so geschwächt, dass sie nicht mehr standhalten können und sterben. Besonders betroffen ist unter anderem das Wolmirstedter Küchenhorn und das ist besonders dramatisch. Der Revierleiter des Forstreviers Elbaue zeigt: „Hier geht ein klimastabiler Mischwald zu Bruch.“

Wandern und Pilzesuchen werde immer gefährlicher. „Waldbesucher müssen damit rechnen, dass wesentlich mehr Bäume eine Gefahr bilden als noch vor einigen Jahren.“ Äste können plötzlich abbrechen, gar ganze Bäume umstürzen. Jens Dedow will keine Panik machen, aber sensibilisieren, weil auch der Forstbetrieb an seine Grenzen gerät: „Wir schaffen es nicht mehr, das tote Holz aus dem Wald zu holen.“

Zum Forstrevier Elbaue gehören neben dem Wolmirstedter Küchenhorn auch der Biederitzer Busch im Nordosten sowie Kreuzhorst im Südosten Magdeburgs. Die Bilder gleichen sich überall: Immer mehr Bäume stehen wie Gerippe im Wald, haben längst ihre Blätter verloren, obwohl der Herbst bei den gesünderen Nachbarn gerade erst angefangen hat, das Laub bunt zu färben. Manche dieser toten Gehölze neigen sich gefährlich gegen die Nachbarbäume, andere liegen bereits am Boden. Sterbende Bäume verlieren abrupt dicke Äste.

Jens Dedow kann nichts beschönigen. Flächendeckend breitet sich das Eschentriebsterben aus. Verantwortlich ist ein Pilz, das Weiße Stängelbecherchen, dessen niedlicher Name darüber hinwegtäuscht, dass der Pilz bereits in 22 europäischen Ländern den Eschen den Garaus macht. In Schönebeck seien sogar bereits grüne Bäume gefallen, weil das Triebsterben nicht nur die oberen Triebe, sondern die Wurzeln befallen hat.

Im Wolmirstedter Küchenhorn kreischten bereits Anfang 2019 die Sägen, es hat stellenweise einen regelrechten Eschen-Kahlschlag gegeben. Innerhalb weniger Wochen waren 600 Festmeter Holz gefallen, darunter auch 130 Jahre alte Baumriesen. Damals gab es noch die Hoffnung, die Krankheit eindämmen zu können. Doch diese Hoffnung wurde enttäuscht. Beobachtungen haben ergeben: „Langsam, aber flächendeckend werden alle geschwächten Bäume befallen.“

Geschwächte Bäume gibt es im Wolmirstedter Küchenhorn zuhauf. Die Kraft geht nicht nur den Eschen aus, auch Eichen, Ulmen und Ahornbäume sind inzwischen massiv geschwächt. Grund ist vor allem die anhaltende Trockenheit.

Jens Dedow vergleicht den Wald sinngemäß mit Blumen, die in der Vase stehen. „Sinkt der Wasserspiegel unter die Stängel, ist die Wasserzufuhr unterbrochen, beginnen auch robuste Blumen zu welken.“

So ähnlich verhalte es sich im Wolmirstedter Küchenhorn. In den vergangenen Jahren hat es viel zu wenig geregnet, die Bäume dursten, ihre Leitungsbahnen sind angegriffen, der Überlebenskampf schwächt die Abwehrkräfte. In schwachen Bäumen haben Pilze und Käfer leichtes Spiel.

In einer der alten Eichen macht sich der Werftkäfer zu schaffen. Experten wie Jens Dedow müssen kein einziges dieser Tiere sehen, um zu wissen, dass er durch Stamm und Rinde gedrungen ist. Kleine Mehlhäufchen an der Rinde verraten, dort hat er sich seinen Weg gebahnt, direkt ins Holz gefressen. „Eigentlich befällt er am liebsten tote Bäume“, sagt der Revierleiter, „aber wenn die Bäume geschwächt sind, geht er auch in die lebenden.“

Hat der Werftkäfer einen Baum erobert, bohrt er sich bis ins Kernholz. Dann wird es schwierig, dieses Holz zu verkaufen. „Werden aus diesem Holz Schiffsplanken gefertigt, dringt irgendwann Wasser ins Boot“, erklärt der Forstmann, „daher stammt auch der Name Werftkäfer.“ Diesen blinden Passagier fürchten die Bootsbauer.

Die Eschen, die 2019 im Küchenhorn gefallen sind, wurden verkauft. Bald könne es schwierig werden, totes Holz aus den Wäldern auf den Markt zu bringen, es gibt einfach zu viel davon, außerdem wird eine gewisse Qualität gefordert.

Die Auswirkungen werden an anderer Stelle des Planeten spürbar, der Holzbedarf wird woanders gestillt. „Genügt das Holz aus der Region den Anforderungen nicht, wird es aus Brasilien oder Russland importiert“, weiß Jens Dedow. Nachhaltige Holzwirtschaft sei auf diese Weise nicht unbedingt garantiert.

Doch wie geht es weiter? Wie sieht die Zukunft des Wolmirstedter Küchenhorns, des Biederitzer Buschs, der Region Kreuzhorst aus? Was kann statt Esche, Ahorn und Co gesetzt werden? Jens Dedow wirkt ratlos. „Uns gehen langsam die Baumarten aus.“ Zumal das Triebsterben und seine Folgen nicht das einzige Problem für den Wald ist.

Auch der Asiatische Laubholzbockkäfer treibt noch immer sein Unwesen. Die Quarantänezone geht von Magdeburg aus, aber auch ein gut 30 Hektar großes Feld im Küchenhorn ist betroffen. Was also bleibt den Forstleuten übrig?

„Wir setzen weiter auf Eichen“, sagt Jens Dedow. Die Flächen, auf denen die Eschen 2019 gefällt wurden, sind schon wieder mit Mini-Eichen besetzt. „Wir hoffen, dass es die jungen Bäume schaffen, ihre Wurzeln tiefer in den Boden zu stecken, als die alten Exemplare.“

Die jungen Eichen stehen dicht nebeneinander in Reih’ und Glied. Das ist gewollt, sie sollen nicht viel Platz zum Ausbreiten haben, sondern einen geraden Stamm bekommen. Dann können sie in über 100 Jahren vielleicht dem Möbel- oder Hausbau dienen. Sobald die Eichen einen ausreichen Vorsprung haben, werden Ulmen und Ahornbäume dazugesetzt. Trotz der Rückschläge halten Waldexperten am Mischwald fest.

Im Laufe der Zeit werden auch die toten Bäume aus dem Wald geholt, doch vorerst sind die Holzfäller im Dienste der Verkehrssicherungspflicht entlang der Straßen und Bahnlinien unterwegs. Für die Zukunft des Küchenhorns und der anderen Wälder bleibt eine einzige Hoffnung: Regen.