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Treibjagd Jäger nehmen das Wild ins Visier

Zwei Tage lang lebten Wildschweine und Rehe in der Region Wolmirstedt gefährlich. Der Landesforstbetrieb veranstaltete zwei Treibjagden.

Von Gudrun Billowie 02.12.2016, 00:01

Wolmirstedt l So eine Jagd beginnt mit dem Sonnenaufgang. Der rote Feuerball schiebt sich über den Deich bei Glindenberg und lässt den Raureif eines eiskalten Morgens glitzern. Am Forsthaus stehen über 30 Jäger beisammen, einige rauchen Pfeife, andere versuchen, aufgeregt hechelnde Jagdhunde im Zaum zu halten. Jagdleiter Jens Dedow erklärt die Grenzen des Jagdgebietes, teilt die Treiber in Gruppen ein und weist nachdrücklich darauf hin, dass niemand während der Jagd üben solle, auf bewegliche Ziele zu schießen. Dafür sei in den Wochen zuvor genug Zeit gewesen. Die Jagdhornbläser blasen „Aufbruch zur Jagd“.

Die Jäger fahren zu den Hochsitzen, die überall im Wald zwischen Glindenberg und Heinrichsberg verteilt sind. Nur im landeseigenen Areal darf gejagt werden, die angrenzenden Gebiete sind für die Landesforst-Jäger Tabu.

Jens Dedow nimmt mit seinem Jeep Kurs auf den Hochsitz Nummer 13. Er hofft, dass ihm diese Zahl Glück bringt, auch wenn er diesmal den Platz mit der Volksstimme-Reporterin teilen wird. Gut 200 Meter vom Hochsitz entfernt stellt er das Auto ab, entlässt Cleo an die frische Luft, eine Münsterländer-Hündin, die gar nicht so schnell mit dem Schwanz wedeln kann, wie sie sich auf die Jagd freut. Dedow hängt das Gewehr über die Schulter und kontrolliert, ob das Fernrohr jagdtauglich ist. Da springt ein Reh quer über den Waldweg, kurz darauf noch eins, doch geschossen wird nur vom Hochsitz aus und erst ab Punkt 9.30 Uhr. Bis dahin darf der Zeiger die Uhr noch ein paar Mal umrunden und die Rehe können ungehindert davonspringen.

Die scheinen die Uhr lesen zu können, denn nun spazieren gleich fünf Rehe quer über den Waldweg, hintereinander als Familienverband. Zwei Ricken mit ihren drei Kitzen trödeln gemächlich von Dickicht zu Dickicht. Auch die Kamera ist noch nicht einsatzbereit, sodass die Rehe weder mit dem Gewehr noch als Foto „geschossen“ werden.

Angesichts dieses scheinbaren Wildreichtums packt Jens Dedow nun sichtlich das Jagdfieber. Er hat es plötzlich sehr eilig, auf den Hochsitz zu kommen, den wenigen Platz auf der Holzkanzel zwischen zwei Menschen aufzuteilen und das Gewehr zu laden. Das Fernrohr liegt bereit, auch das Handy, dessen Uhr beinahe den Jagdbeginn anzeigt.

Cleo darf von der Leine. Die Hündin rennt los, verschwindet im Unterholz, aus der Ferne erklingt das Rufen der Treiber, der erste Schuss knallt. Hinter dem Hochsitz raschelt es, ein kleines Wildschwein schiebt seinen Kopf zwischen jungen Bäumen hindurch. Jens Dedow legt an und drückt doch nicht ab. Er hätte es nicht fachgerecht treffen können, erklärt er und vertieft, was er am Morgen gemeint hat, als er die Jäger mahnte, das Schießen auf bewegliche Ziele nicht erst im Wald zu üben. Das Wild solle möglichst mit dem ersten Schuss getötet werden, damit es nicht leiden muss. Dazu muss der Jäger das Wild sicher und ruhig mit dem Gewehrlauf verfolgen können, um den Schuss gezielt abzufeuern. Wild-West-Manie ist seriösen, ausgebildeten Jägern fremd.

Das Rufen der Treiber kommt näher, da raschelt es wieder im Holz, diesmal nicht gleichmäßig, sondern Ta-Tapp-Ta-Tapp. Jens Dedow konstatiert: „So klingt ein Reh.“ Als er hinschaut, erkennt er das Gehörn eines Bockes. Die haben Schonzeit, also springt auch dieser Bock unbehelligt weiter in die Tiefe des Waldes.

Jagdhündin Cleo ist inzwischen 850 Meter vom Hochsitz entfernt, das erkennt Herrchen auf seinem Handy, das die Signale von Cleos Sender empfängt. Im Wald raschelt es wieder und aus dem hohen Gras bricht eine Wildschweinrotte hervor. Wir legen an, das Gewehr und die Kamera, schießen Kugeln und Bilder, der Jäger trifft und schießt wieder, trifft noch einmal. Die Bilder auf der Kamera bleiben schemenhaft, aber zwei Wildschweine bleiben im Wald liegen.

„He Ho!“, das Rufen der Treiber ist nah, nun wird nicht mehr geschossen, dafür ist Cleo zur Stelle und bellt sich neben dem erlegten Wildschwein die Seele aus dem Jagdhundeleib. Die Treiber kommen und ziehen das Wild aus dem Wald an den Wegesrand, bevor sie wieder laut rufend im Dickicht verschwinden und das Wild in den Verstecken aufschrecken. Ansitz-Drückjagd wird diese Art Jagd genannt, weil Jäger auf dem Hochsitz Platz nehmen und die Treiber das Wild vor die Flinte „drücken“.

Die erlegten Wildschweine werden von Jens Dedow nach der Jagd direkt vor Ort aufgebrochen, also weidmännisch ausgenommen. In diesem Jahr scheint es überdurchschnittlich viele Schwarzkittel zu geben, darauf deutet die Zahl der bei Gesellschaftsjagden erlegten Tiere hin. „Vor dem Hintergrund, dass sich die afrikanische Schweinepest von Osteuropa in Richtung Westen bewegt, müssen wir die Schwarzwildbestände unbedingt reduzieren“, erklärt Forstbetriebsleiter Andreas Kriebel.

Außerdem ärgern sich die Bauern über die Schwarzkittel, weil sie die Felder verwüsten. Die Förster haben es eher auf die Rehe abgesehen, weil sie die Triebe der Bäume anknabbern, sodass die Bäume krumm weiterwachsen und aus ihnen keine geraden Bretter mehr gesägt werden können.

Am Hochsitz Nummer 13 macht sich das Wild rar. Bis zum Ende der zweieinhalbstündigen Jagd um 12 Uhr kreuzt kaum noch ein Reh oder Wildschwein den Weg. Es rascheln einzig die herabfallenden Blätter der Bäume. Die beiden Wildschweine werden die einzige Beute Dedows bleiben. „Das Wild findet derzeit noch genug Futter auf den Feldern“, erklärt er den stillen Wald.

Am Ende der Jagd werden dennoch über 40 Rehe und Wildschweine auf die Strecke gelegt. Die Jagdhornbläser blasen „Die Jagd ist vorbei.“