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Jugendclub Trotz Drogenfund: Jugendliche vertrauen dem Club

16.04.2021, 15:05

Von Gudrun BillowieWolmirstedt

Der Schreck saß tief. Dass die Polizei im Februar 2020 einen Besucher des Jugendclubs mit 18,6 Gramm Chrystal Meth erwischt hatte, haben die Sozialarbeiter erst in der vergangenen Woche durch einen Gerichtsbericht in der Zeitung erfahren. Auch Bürgermeisterin Marlies Cassuhn wusste bis dahin von nichts. „Ich hätte mir gewünscht, dass uns die Polizei informiert, zumal im Jugendclub Präventionsarbeit geleistet wird und auch wir angehalten sind, mit der Polizei zusammenzuarbeiten.“

Bekannt war in der Stadtverwaltung und im Vorstand des Jugendclubs lediglich, dass an besagtem Abend, vor über einem Jahr, die Polizei im Haus war und zwei Personen gesucht hatte, die sich zuvor am Bahnhof eine Schlägerei geliefert hatten. Damals war einem Beamten beim Rundgang durch die Räume der junge Mann aufgefallen, vor dem eine Dose mit einer kristallinen Substanz stand. Die stellte sich im Labor als erhebliche Menge Chrystal Meth heraus.

Polizeisprecher Matthias Lütkemüller erklärt, es sei nicht üblich, in so einem Fall die Stadt oder den Jugendverein zu informieren. An diesem Abend im Jugendclub sei noch nicht klar gewesen, dass es sich um Drogen handle, das musste erst geprüft werden. Als sich der Verdacht auf das Methamphetamin bestätigte, war die Sache ein Fall fürs Gericht. Beschuldigt wurde allein der Angeklagte. Formaljuristisch gesehen hatte der Club damit nichts zu tun.

Jugendclub sieht sich diffamiert

Trotzdem wirft das Gerichtsverfahren auch ein Schlaglicht auf den Fundort, den Jugendclub in der Burgstraße. Der sieht sich nun diffamiert, möchte jedoch nicht auf diesen Drogenfund reduziert werden. „Wir sind ein offenes Haus“, sagt Sozialarbeiter Keven Kirschner, „laut Hausordnung sind Drogen, Waffen und Alkohol nicht erlaubt, aber wir machen keine Taschenkontrolle.“ Das habe mit einem Vertrauensvorschuss zu tun, der den Jugendlichen gewährt wird. Es soll keine Barriere für Besucher des Jugendclubs geben, vor allem nicht für diejenigen, die mit einem Sack voller Probleme kommen.

Wer Probleme hat, findet Gehör

Dazu gehören auch Drogenprobleme. „Natürlich haben wir Jugendliche, die ein Drogenproblem haben“, sagt Rathausmitarbeiter Nico Schmidt, der für die Jugendclubs in Wolmirstedt und Elbeu zuständig ist, „aber es ist Teil unserer Arbeit, diese Jugendlichen aufzufangen, herauszufinden: Warum?“ Ist es fehlende Liebe, fehlende Perspektive, Stress in der Familie? „Der Umgang mit diesem Thema fällt Jugendlichen sehr schwer, das ist es besser, wenn sie einen Anlaufpunkt haben“, sagt Keven Kirschner, „im Jugendclub können wir helfen.“

Bei Schwierigkeiten arbeiten die Sozialarbeiter unter anderem mit Schulen, Beratungsstellen, der Stadtverwaltung zusammen.

Jugendliche werden auf richtigen Weg gebracht

Das bestätigt Nick Gabriel. Der 17-Jährige hatte kein Drogenproblem, aber inmitten der Pubertät den Halt im Leben verloren. Er war mit anderen Jugendlichen um die Häuser gezogen, bis er im Jugendclub landete. „Mir hat es geholfen, dass es dort ältere Ansprechpartner gibt.“ Keven Kirschner hat bei der Bewerbung geholfen, zur ärztlichen Untersuchung begleitet, andere Clubbesucher haben gemeinsam mit Nick einen Umzug gestemmt. Inzwischen absolviert Nick eine Ausbildung bei der Bahn als Baugeräteführer.

Nico Schmidt und Keven Kirschner hoffen, dass Eltern ihren Kindern weiterhin vertrauen, wenn diese in den Jugendclub möchten. „Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass Jugendlichen der Zugang von ihren Eltern oder Großeltern verwehrt wird“, sagt Keven Kirschner.

Für Jugendliche ist ein Anlaufpunkt wichtig

„Gerade in Corona-Zeiten ist es für Heranwachsende wichtig, einen Anlaufpunkt neben der Familie zu haben“, ergänzt Nico Schmidt, „es geht um die erste Liebe, das Treffen mit Gleichaltrigen, darum, in Lockdown-Zeiten nicht nur bei der Familie zu sein, es geht auch darum, der medialen Sucht, den sozialen Netzwerken zu entfliehen und echte Menschen zu treffen.“

In Corona-Zeiten sei die Besucherzahl im Jugendclub ohnehin nur begrenzt. Derzeit dürfen sich im Haus fünf, auf dem großen Freigelände 25 Jugendliche treffen. Dennoch: Welche Konsequenzen ergeben sich für den Jugendclub aus dem Drogenfund?

In einem offenen Haus lasse sich nicht komplett verhindern, dass jemand mit Drogen im Gepäck auftauche, sind sich Nico Schmidt und Keven Kirschner einig. „Drogen können aber auch am Bahnhof oder in Schulnähe gefunden werden.“

Es gibt auch künftig keine Taschenkontrolle

Das Vertrauen werde den Jugendlichen weiterhin entgegengebracht, es gib keine Taschenkontrolle, dennoch werde im Vorstand diskutiert, ob die Präventionsarbeit ausgedehnt wird. „Außerdem werden wir das Jugendschutzgesetz noch stärker ins Blickfeld rücken“, sagt Nico Schmidt. Weiterhin werde überlegt, ob es künftig ausreicht, dass nur ein schlüsselberechtigtes Vorstandsmitglied vor Ort ist, oder ob künftig mindestens im Doppelpack gearbeitet wird.

Der Jugendverein als Träger des Jugendclubs organisiert die Arbeit vor Ort, ist aber auch gespannt auf Vorschläge der jugendlichen Besucher, die immer willkommen sind: „Hier sind ganz viele tolle und liebenswerte Menschen“, sagt Nico Schmidt, „sie sind jung, haben andere Probleme als Erwachsene. Oder auch gar keine.“