Lana Gänsewig möchte in Wolmirstedt Fuß fassen Ukrainische Künstlerin sucht neue Heimat
Manchmal dauert es lange, bis Menschen den Weg zwischen zwei Welten gegangen sind. Lana Gänsewig kam vor fünf Jahren aus der Ukraine nach Deutschland und hat ihren Platz noch immer nicht gefunden. Aber sie ist unterwegs.
Wolmirstedt. "Ich möchte gerne im Puppentheater arbeiten", sagt Lana Gänsewig, "am liebsten als Bühnenbildnerin". Ob dieser Traum in Erfüllung geht, steht noch in den Sternen. Doch danach greift die 43-Jährige nicht ganz ohne Grund. "Ich habe Kunst studiert", sagt sie, "habe in der Werbeabteilung eines Autowerkes gearbeitet, als Illustratorin für medizinisches Lehrmaterial, als Kinderbuch-illustratorin".
Weg zu den Menschen führt über die Sprache
Eine Ausstellung in einem keramischen Werk brachte Erfolg. Vor fünf Jahren verließ Lana Gänsewig ihr Land, folgte ihrer Liebe nach Deutschland. Die ist inzwischen zerbrochen, aber es gibt Sophie. Die Dreijährige besucht einen Kindergarten in Wolmirstedt und spricht die deutsche Sprache fließend und ohne Akzent. Ihre Mama Lana hat sich mit der Sprache noch nicht sehr angefreundet, mit Sophies Vater sprach sie Englisch. Und nun? Lana Gänsewig fühlt sich ziemlich allein. Es gab eine lange Zeit, da wollte sie zurück gehen in die Ukraine, wo die Eltern leben, Sophies Großeltern. Aber das kommt nicht in Frage. "Sophie braucht den Kontakt zu ihrem Vater", sagt Lana Gänsewig.
Also muss die Künstlerin ankommen in Deutschland, vielleicht auch in Wolmirstedt, wo sie seit zwei Jahren lebt. Die stille Ukrainerin muss eine Heimat finden in dem Land, das ihrer Tochter gehört, aber nicht ihr.
So ging sie im Sommer den ersten Schritt und klopfte an die Tür der Textilwerkstatt "Nadel und Fantasie" von Dr. Gisela Krohn in der Burgstraße. Die freute sich über die neue Kursteilnehmerin und bemerkte sofort das Talent und die handwerklichen Grundlagen der schüchternen Frau. Collagen aus den Kokons von Seidenraupen entstanden, umrahmt von Schriften. Vor allem aber arbeitet Lana Gänsewig für ihre Tochter. Hausschuhe und Taschen aus Filz gehören der kleinen Sophie.
Während der Stunden in der Textilwerkstatt nähert sich Lana Gänsewig der deutschen Sprache, Gisela Krohn fordert die Unterhaltung heraus. "Wir schreiben auch Bewerbungen", sagt sie und zeigt die Mappe, die ans Puppentheater gehen soll.
Oft reden die beiden Frauen auf Russisch miteinander. "Ich habe dort ein Jahr studiert", sagt Gisela Krohn, die Lehrerin der Fachschule für Sozialpädagogik, und bezeichnet ihre russischen Sätze als "voller Fehler". So viele können es aber nicht sein, schließlich folgt Lana Gänsewig dem russischen Redefluss der Deutschen ohne Unterbrechungen.
Gisela Krohn liegt das Schicksal der Ukrainerin am Herzen. "Sie muss aus der Einsamkeit raus", sagt sie. Der Weg zu anderen Menschen führt über die Sprache. Die persönliche Sprache Lana Gänsewigs ist die Kunst, zumal ihre Ohren nicht mehr gut hören. Ihre Hände formen das, was sie fühlt. Nur versteht diese Sprache nicht jeder sofort, wenige können darauf antworten. Worte sind unabdingbar. Lana Gänsewig besucht einen Deutschkurs, "aber kurze Zeit später habe ich alles vergessen", lächelt sie. "Da hilft nur, sich regelmäßig auf Deutsch zu unterhalten", konstatiert Gisela Krohn und stellt ihren russischen Redefluss ein.
Textilwerkstatt Beginn für ein neues Netzwerk
Auch Renate Höding sitzt mit am Tisch und gräbt ihre Hände in Filzwolle. Sie schaut gerne in der Textilwerkstatt vorbei, gehört aber in erster Linie zu den Torhausmalerinnen. Sie lädt die Ukrainerin zum gemeinsamen Malen ein. Doch das ist schwierig, denn die Torhausmalerinnen treffen sich nachmittags und da ist Sophie an der Seite ihrer Mutter. Muße zum Malen bleibt dabei nicht.
Und wieder mahnt Gisela Krohn, dass sich Lana Gänsewig ein Netzwerk aufbauen muss, Freunde braucht, so wie Sophie im Kindergarten längst welche gefunden hat. "Ich bin froh, dass sie jeden Montag hierher in unsere Runde kommt", sagt Frau Krohn. Lana Gänsewig holt aus ihrer Tasche eine gesteppte Decke, die Arbeit der vergangenen Abende und hofft: "Vielleicht klappt es ja bald am Puppentheater." Bis dahin bietet die Textilwerkstatt ein Stück neue Heimat.