Führungswechsel in der Landkreisverwaltung Anhalt-Bitterfelder Landrat Andy Grabner übernimmt Amtsgeschäfte im Katastrophenmodus
Krisensitzungen, Interviews, Telefonate – der erste Arbeitstag von Landrat Andy Grabner ist alles andere als entspannt verlaufen. Auf große Begrüßungsreden seitens des Landrates und der Amtsleiter wurde am Montag verzichtet, schließlich gilt es, eine Hacker-Katastrophe zu managen.

Zerbst - Den Hoffnungen auf schnelle Lösungen nach dem Hackerangriff auf die Landkreisverwaltung hat Andy Grabner (CDU) am Montagvormittag einen erheblichen Dämpfer verpasst. Vor seinen Dezernenten und Amtsleitern sagte der neue Landrat, dass man nicht von Tagen oder Wochen ausgehe, bis die Systeme wieder laufen, sondern von Monaten - unter Umständen drei bis sechs.
Eigentlich sollte Grabner an seinem offiziellen ersten Arbeitstag als Landrat in sein Amt eingeführt werden. Doch dies geriet eher in den Hintergrund. Eine Krisensitzung jagte die nächste, dazwischen immer wieder Pressegespräche und Interviews. Das hatte sich der neue Landrat sicher etwas anders vorgestellt, „doch, wie sagt man so schön, einfach kann jeder“, kommentierte Grabner seinen ersten Tag zu Beginn der Sitzung mit seinen Amtsleitern.
Diane Gardyen, Leiterin des Amtes für Ausländerangelegenheiten und Stabsleiterin Katastrophenschutz, informierte die Amtsleiter über die aktuelle Lage und hieß ganz nebenbei den neuen Landrat im Namen aller herzlich willkommen. „Wir alle gehen davon aus, dass wir konstruktiv und erfolgreich zusammenarbeiten werden“, so Gardyen. Grabners Stellvertreter ist und bleibt Bernhard Böddeker, der selbst Landrat werden wollte.
Andy Grabner und Uwe Schulze schon seit Tagen gemeinsam unterwegs
Der erste Arbeitstag war das allerdings nur offiziell, denn seit dem Hackerangriff sind Grabner und sein Amtsvorgänger Uwe Schulze (CDU) gemeinsam im Krisenmodus, um wenigstens einen Notbetrieb in der Köthener Landkreisverwaltung zu gewährleisten. Am Freitag hatte Schulze sogar den Katastrophenfall ausgerufen, um weitere Hilfen in Anspruch nehmen zu können.
„Es geht zwar nicht um Lebensgefahr, aber immerhin auch um Geldleistungen wie unter anderem Sozialhilfe, Wohngeld oder Bafög, die an die Leistungsempfänger ausgezahlt werden müssen. Das muss gewährleistet werden. Denn wenn weder Miete noch Lebensmittel bezahlt werden können, dann hat das auch mit Gefahr für Leib und Leben zu tun“, waren sich die beiden Männer im Volksstimme-Gespräch einig.
Zahlreiche Spezialisten arbeiten mit Hochdruck
Seit Tagen arbeiten IT-Spezialisten daran, den Ausgangspunkt des Angriffs zu lokalisieren, den „Patienten 0“, wie es Grabner beschreibt. „Wir gehen davon aus, dass das Virus oder der Trojaner schon länger im System geschlummert und sich weiter verbreitet hat, bis dann am 6. Juli das gesamte System lahmgelegt wurde und alle Daten verschlüsselt worden sind“, sagte Grabner.
Seitdem seien unter anderem Spezialisten und Forensiker des Landeskriminalamtes (LKA) und des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) mit Hochdruck damit beschäftigt, der noch immer recht undurchsichtigen Lage Herr zu werden. „Große Unterstützung kommt auch seitens des Finanz- und des Innenministeriums sowie von Prof. Thomas Leich, Spezialist für Wirtschaftsinformatik an der Hochschule Harz“, erklärte Grabner.
Man arbeite mit Hochdruck an einer Notstruktur, um erst einmal einen Teil der Mitarbeiter wieder ans Netz zu bringen. Parallel dazu werde ein Konzept für ein neues und sicheren EDV-System erstellt. „Ob Dateien zu retten sind, ob wir mit einem Totalverlust rechnen müssen oder ob eventuell Daten – auch bürgerrelevante Daten – abgeflossen sind, ist nach wie noch unklar“, machte der neue Landrat deutlich. Das wäre der absolute Worst Case, also der schlimmste Fall.
Landeskriminalamt hält sich mit Informationen bedeckt
Das LKA hält sich mit Informationen bedeckt und verweist auf die laufenden Ermittlungen. Die wesentlichen forensischen Sicherungen am System des Landkreises seien inzwischen erfolgt. „Derartige Angriffe gehen üblicherweise mit Erpressungsversuchen einher. So auch im vorliegenden Fall“, schreibt LKA-Sprecher Michael Klocke auf Volksstimme-Nachfrage. Zur Höhe der geforderten Summe konnte oder wollte sich Klocke jedoch nicht äußern.
Grabner und Schulze gehen indes davon aus, dass die Arbeit mindestens für drei Monate erheblich eingeschränkt bleibt. „Priorität hat, dass alle bürgerrelevanten Dienstleitungen so bald wie möglich wieder angeboten werden können, egal ob händisch oder über Amtshilfe von benachbarten Kommunen oder Landkreisen“, betont der Landrat.
Grabner: „Nicht zu vergessen natürlich die Rechnungen, die an Unternehmen für erbrachte Leistungen zu begleichen sind, Baumaßnahmen beispielsweise. Das muss ja alles weiterlaufen. Das sind die dringlichsten Dinge, die so schnell wie möglich wieder angeschoben werden müssen.“
Uwe Schulze ist zufrieden mit seiner 20-jährigen Amtszeit
Das Landratsamt im Katastrophenmodus an seinen Nachfolger übergeben zu müssen, war für Uwe Schulze sicher nicht die angenehmste Aufgabe. „Sicher habe ich mir das anders gewünscht, ist aber eben die aktuelle Lage“, so der scheidende Landrat.
Insgesamt sei er mit sich im Reinen, so Schulze, der auf zahlreiche Projekte verweist, die in seiner Amtszeit realisiert oder angestoßen wurden. „Es wurden unter anderem das Francisceum in Zerbst, das Ludwigsgymnasium in Köthen und das Rathenau-Gymnasium in Bitterfeld grundlegend saniert, wir haben den kostenfreien Nahverkehr für Schüler eingeführt und wir konnten die Sicherung des Zerbster Schlosses unterstützen“, zählt Schulze auf.
Mächtig geärgert habe ihn, dass der Landkreis 2013 den Goitzsche-See in Bitterfeld verkaufen musste. „Das war so nicht geplant. Das ärgert mich noch heute. Ansonsten war es unterm Strich eine gute Zeit, nicht immer, aber immer öfter. Wir haben viel Positives bewegen können“, blickte Schulze auf immerhin 20 Jahre Amtszeit zurück.

