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App Wenn das Smartphone Leben rettet

In Zerbst und im gesamten Landkreis Anhalt-Bitterfeld lotst eine App registrierte und freiwillige Ersthelfer zu medizinischen Notfällen.

Von Thomas Kirchner 22.06.2019, 01:01

Bitterfeld/Zerbst l Bei der Rettung von Menschen zählt oft jede Minute. Um die Zeitspanne, in der ein lebensbedrohlich erkrankter Mensch auf den Notarzt warten muss, zu verkürzen, hat der Landkreis Anhalt-Bitterfeld ein Pilotprojekt gestartet.

Die Helfer-App „Katretter“ lotst registrierte und freiwillige Ersthelfer in Minutenschnelle zu einem in der Leitstelle gemeldeten Notfall. „Trotz vieler Erfolge gibt es leider auch Patienten, denen wir nach Herzinfarkten nicht mehr helfen konnten oder die mit Folgeschäden weiterleben müssen“, erklärt Chefarzt Anwar Hanna, Leiter der Medizinischen Klinik I des Gesundheitszentrums Bitterfeld/Wolfen, wo die App jetzt getestet wird.

Er sei sich sicher, dass diese Patienten bessere Chancen gehabt hätten, wenn noch vor dem Rettungswagen ein Ersthelfer vor Ort gewesen wäre. Er kennt das Problem der langen Zeitspanne, in der Minuten zu gefühlten Stunden werden. Deshalb sei er von der Idee der Katretter-App überzeugt.

Die App werde bereits in einigen Städten und Landkreisen erfolgreich genutzt. „In Sachsen-Anhalt startet die Pilotphase jetzt in Anhalt-Bitterfeld“, so Hanna und freut sich, dass Landrat Uwe Schulze (CDU) Schirmherr und Unterstützer des Projektes ist.

Das Prinzip der Katretter-App ist einfach. Ausgebildete Ersthelfer, das können Ärzte, Pflegende, Sanitäter, Rettungsassistenten, Feuerwehrkameraden oder auch Ersthelfer aus Schulen und Unternehmen sein, registrieren sich bei Katretter. Wenn in der Leitstelle ein Notruf eingeht, alarmiert die den Rettungsdienst und über die App auch die registrierten, mobilen und ehrenamtlichen Ersthelfer.

Über die Ortserfassung der Smartphones werden dabei die registrierten Helfer lokalisiert, die zufällig in der Nähe der hilfsbedürftigen Person unterwegs sind. Sie werden über die App angefragt. Meldet ein verfügbarer Helfer per Buttonklick zurück, dass er übernimmt, lotst ihn Katretter zum Einsatzort. Dort beginnt er sofort mit den Erstmaßnahmen und hilft, bis der Rettungswagen eintrifft. Lassen sich ausgebildete Helfer für die App registrieren, erhalten sie auch eine Ersthelfer-Tasche mit Einmalhandschuhen und Beatmungshilfe-Set.

„Die Idee und das Prinzip hinter der Katretter-App finde ich gut. Es bleibt allerdings abzuwarten, wie viele Helfer sich registrieren und vor allem dann im Ernstfall auch bereit sind, an die Einsatzstelle zu eilen“, sagt Helko Weißmüller. Der Leiter der Zerbster Rettungswache kennt sich aus und weiß wovon er redet.

Die Bereitschaft in Notfällen erste Hilfe zu leisten, sei nicht gerade hoch. „Das zeigen beispielsweise auch immer wieder Fernsehberichte, wo Unfallsituationen gestellt werden und minutenlang Fahrzeugführer einfach vorbeifahren ohne zu helfen“, so Weißmüller. Darum sollten die Freiwilligen, die sich bei Katretter registrieren, am Ende auch wirklich bereit sein, im Ernstfall zu helfen.

„Wir begrüßen die Initiative des Landkreises Anhalt-Bitterfeld“, schreibt Martin Wachter, Sprecher der Zerbster Helios Klinik auf Nachfrage. Für die Helios Klinik Zerbst sei das Thema „Erste Hilfe“ von besonderer Bedeutung, denn es könne überall und jederzeit passieren: Ein Mensch sackt in sich zusammen, bleibt regungslos liegen – plötzlicher Herzstillstand.

„Damit bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes keine wertvolle Zeit ungenutzt verstreicht, muss sofort mit der Herzdruckmassage begonnen werden, um damit den lebenswichtigen Blutkreislauf aufrecht zu erhalten“, betont Wachter. Die Überlebenschance werde dadurch verdreifacht. „Die Katretter-App ist in solchen Fällen eine nützliche mobile Anwendung, um Ersthelfer innerhalb kürzester Zeit zu einem Notfall zu leiten“, so der Kliniksprecher.

Landrat Uwe Schulze wünscht sich, dass sich in den nächsten Wochen möglichst viele Ersthelfer bei der Katretter-App anmelden. „Wir nehmen damit eine Vorreiterstellung in Sachsen-Anhalt und Deutschland ein“, appelliert der Landrat Uwe Schulze zur Mitwirkung. Schulze: „Als erster Landkreis ergänzen wir das regionale Herzinfarkt-Netzwerk um ein modernes Katretter-System, das Leben retten kann.“

Geht der Plan der Initiatoren auf, soll das App-basierte Helfernetz im Herbst 2019 offiziell starten. Die Herzwoche im November sei ein guter Zeitpunkt. Bis dahin sollen sich mindestens 50 App-Retter registrieren, so das Ziel der Initiatoren.

Zukünftig soll das Katretter-System auch für nicht ausgebildete Helfer erweitert werden, um beispielsweise in Hochwassersituationen beim Füllen von Sandsäcken oder bei der Betreuung verunsicherter, orientierungsloser und hilfloser Menschen in Krisensituationen mitzuhelfen.