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Auslandserfahrungen Dinge aus einem anderen Blickwinkel

Die Bornumerin Annekatrin Els war sieben Jahre lang in Uganda. Nun gibt sie Einblicke in das Leben und die Kultur Ostafrikas.

Von Petra Wiese 21.02.2021, 00:01

Bornum/Uganda l Annekatrin Els begann in Uganda als Volontärin in einem Waisenhaus, arbeitete später für ein Safariunternehmen, war Mitinitiatorin von Rugby Tackling Life, einem Projekt für junge Frauen, und entwickelte mit Cooffeee, feinstem Kaffee aus Uganda, eine eigene Geschäftsidee. Aus Uganda brachte sie Tochter Ruthi mit, die inzwischen zwölf Jahre ist, und jede Menge Erinnerungen. Nachdem es in den vorangegangenen Teilen um Essen, Wetter und Fortbewegung ging, erzählt sie heute vom Umgang mit Wasser und Strom in Uganda und von Musik und Tanz und kulturellen Dingen:

Wenn Wasser und Strom bei uns eine Selbstverständlichkeit sind, war das zu meiner Zeit in Uganda nicht so. Auf die Stromversorgung konnte man sich nicht verlassen. Die Generatoren waren oft überlastet, fielen aus und mussten repariert werden. Die Strommasten an sich sind oftmals richtige Kunstwerke, da kann man nur den Kopf schütteln.

Aber zum Glück schien ja von sieben Uhr morgens bis sieben Uhr abends die Sonne. Dass der Strom abends ausfiel, war eigentlich nicht so schlimm. Da hatte man einen Grund, zeitig ins Bett zu gehen. Mit Stirnlampe und Kerze kommt man dann schon klar. Viel schlimmer ist es, wenn kein Wasser da ist. Drei Wochen habe ich mal erlebt. Da geht keine Toilette, keine Dusche, keine Waschmaschine... Mit den Bodas (Mopedtaxis) sind wir zum Wasserholen gefahren. An den Wasserstellen haben wir die Kanister voll gemacht. Das ganze Leitungssystem war veraltet und musste repariert werden. Wir reden hier auch nicht vom warmen Wasser. Es wurde meistens kalt geduscht. Auch in der Küche vom Malayaka-Haus, wo ich als Volontärin war, gab es nur kaltes Wasser. Seid ich wieder zurück bin, empfinde ich es als kleinen täglichen Luxus, die Wassertemperatur so einzustellen, wie ich es möchte.

Wasser und Strom sind kostbar in Uganda, wie beispielsweise auch Arztbesuche, die ein großer Luxus sind, weil sie teuer sind. Aber das Leben in Afrika ist voller Musik. Überall erklingt Musik aus dem Radio. Die Musikszene ist riesengroß in Afrika und jedes Land hat seine eigenen Stars. Die Musik drückt Lebensgefühl aus.

Mit afrikanischer Musik haben mich Freunde vom Rugby bekannt gemacht. Da bekomme ich heute noch was geschickt. Immer mehr afrikanische Musik schafft es auch nach Europa und Amerika. Und es gibt ganz viele Konzerte. Da ich in Deutschland nicht auf Konzerte gehe, habe ich das dort auch nicht gemacht. Zumal große Menschenansammlungen immer ein Risiko darstellen.

Dafür wurde oft nach Rugbyspielen gefeiert. Da war Musik, und es wurde getanzt. Ich tanze total gerne. Es gibt viele traditionelle Tänze, aber ich bin einfach zu unbeweglich, um da mithalten zu können. Mit den Kindern im Malayaka-Haus wurde viel getrommelt. Da werden auch Traditionen gelebt.

Nicht nur die Musik vermittelten mir die Freunde vom Rugby. Auch Literatur brachten sie mir nahe. Ich habe entdeckt, wie vielfältig die ostafrikanische Literatur ist. Da lernt man zum Beispiel die Geschichte der Kolonialisierung aus einem ganz anderen Blickwinkel kennen. Wir bekommen die Geschichte immer nur aus Sicht der Europäer präsentiert.

Ich war schon immer eine Leseratte. Seit letztem Jahr mache ich beim East African Literature-Club mit. Da werden ausgewählte Bücher gelesen und man tauscht sich darüber aus. Meine Lieblingsschriftstellerin ist Chimamanda Ngozi Adichie aus Nigeria. Das ist zwar nicht Ostafrika, aber sie ist meine Lieblingsschriftstellerin aus ganz Afrika. Die Bücher sind in Englisch. Ich freue mich immer, wenn ein neues Buch für die Clubrunde in der Post ist.

Bücher sind in Uganda relativ teuer. Ein Durchschnittsarbeiter verdient etwa 5000 Schilling. Das sind umgerechnet 1,50 Euro am Tag. Aber es gibt auch einige Millionäre im Land, die es zu ganz viel gebracht haben. Ich bin damals nach Uganda gegangen, um zu helfen. Mit wenig kann man hier schon viel erreichen. Und wenn ganz viele Menschen nur ein bisschen machen, dann kann man Tausenden helfen.

Allerdings habe ich viele Projekte erlebt, die gestorben sind. Fangt nur was an, was auch in 20 Jahren noch läuft, kann ich nur sagen. Rugby zum Beispiel. In Entebbe habe ich mit den Mädchen vom Malayaka-Haus eine Mannschaft gegründet. Am Anfang waren wir die Kinder vom Waisenhaus. Inzwischen spielen 2000 Mädchen und junge Frauen in Uganda. Rugby Tackling Life fördert Mädchen und Frauen und unterstützt diese, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.

Vielleicht kann ja in diesem Jahr der ungezwungene Nachmittag in der Zerbster Essenzenfabrik, der wegen Corona letztes Jahr ausfallen musste, stattfinden und dann habe ich noch einiges mehr zu erzählen aus meiner Zeit in Uganda, über Rugby und über das Cooffeee-Geschäft...