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Pestizide Bienen verlieren ihr Gedächtnis

Der Zerbster Imkerverein lud Bienenforscher Professor Randolf Menzel zum Vortrag ein. Landwirte und Imker sprachen über Pestizide.

Von Nadin Hänsch 19.06.2017, 11:00

Zerbst l „Wir hatten in diesem Jahr Verluste von 7 Prozent zu beklagen“, sagte Imker Manfred Werner. Der Vorsitzende des Imkervereins Zerbst und Umgebung ist damit noch zufrieden. „Im Vergleich zum Landesdurchschnitt von 25 Prozent stehen wir recht gut da.“ 48 Mitglieder zählt der Verein. „Wir haben in den vergangenen Jahren viele Neuimker dazu bekommen“, freut sich der Vorsitzende über das Interesse an der Imkerei.

Obwohl sich die Imker angesichts der geringen Verluste ihrer Bienenvölker nicht beklagen können, gibt es dennoch Probleme. Pestizide, die in der Landwirtschaft zum Einsatz kommen, schaden den Bienen.

Landwirte und Imker waren am Freitagabend in den Veranstaltungsraum der Kreissparkasse in Zerbst eingeladen, um mehr über dieses Thema zu erfahren. Dazu hatte der Imkerverein den Neurobiologen und Bienenforscher Professor Randolf Menzel von der Freien Universität Berlin eingeladen.

In seinem ausführlichen Vortrag ging Menzel besonders auf die Intelligenz der Bienen ein und wie diese durch Pestizide beeinflusst wird.

Obwohl zwei Lager aufeinander trafen, machte der Vereinsvorsitzende deutlich, dass Imker und Landwirte voneinander profitieren. „Die Situation hat sich schon verbessert“, sagte Werner. Es gebe Absprachen mit den Imkern, wann die Felder gespritzt werden. Zudem werde vorwiegend nachts gespritzt, wenn die Bienen nicht fliegen, führte Werner als gutes Beispiel an. Natürlich sei das nicht die Regel. „Doch es hat sich gezeigt, dass sich der Ernteertrag um 25 Prozent steigern kann, wenn Bienenvölkern in der Nähe eines Feldes sind“, sagte der Vorsitzende.

Fast zwei Stunden referierte der Professor im Anschluss und klärte über Forschungsergebnisse auf. Er machte dabei auf den Fakt aufmerksam, dass die Biomasse der fliegenden Insekten seit dem vermehrten Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft um 80 Prozent in den vergangenen 30 Jahren abgenommen habe.

Besonderes Augenmerk legte Menzel dabei auf eine bestimmte Pestizidgruppe, die Neonicotinoide. „Werden diese beispielsweise zum Schutz von Saatgut verwendet, gelangen die Stoffe aufgrund ihrer guten Wasserlöslichkeit in alle Teile der Pflanze“, erklärte Menzel. „In viel geringeren Mengen ausgebracht, aber viel giftiger als die traditionell verwendeten Insektizide, haben sie katastrophale Folgen: Bienen oder Schmetterlinge, die Pollen und Nektar von behandelten Pflanzen aufnehmen, vergiften sich daran.“

Das Gift wirke im Gehirn der Tiere und habe negative Auswirkungen auf das Gedächtnis. „In Frankreich ist Pakinson im Gegensatz zu anderen Ländern als Berufskrankheit anerkannt“, sagte Menzel und bezog sich auf das gehäufte Auftreten von Krankheitsbildern in landwirtschaftlichen Berufen. „Genauso ist es bei den Bienen, wenn sie Pestiziden ausgesetzt sind. Sie leiden auch unter alzheimerähnlichen Zuständen. Sie verlieren ihr Gedächtnis.“

Auf Orientierungsflügen lernen die Bienen nicht nur zum Stock zurückzukommen, sondern prägen sich auch die Gegend im Bereich ihrer Flüge ein. „Studien haben gezeigt, bestimmte Pestizide stören nicht nur die Gedächtnisbildung und den Gedächtnisabruf der Bienen, sondern auch die Navigation und Kommunikation“, fuhr Menzel fort.

Durch die wiederholte Aufnahme von nicht tötlichen Dosen würden das Sehen und Fliegen zwar nicht beeinträchtigt werden, aber die Gehirnfunktionen, die dem Lernen und der Navigation zugrunde liegen. „Wenn Tiere ständig sehr geringe Dosen aufnehmen und in den Stock transportieren, dann reichert sich das Pestizid im Tier und im Stock an.“ Die Folge sei, dass die Tiere auf ihren Flügen nicht mehr nach Hause finden oder kaum noch den Stock verlassen. „Bienen leben im Schnitt 40 Tage, von denen sie zehn Tage fliegen und Pollen sammeln“, fügte er an.

„Wie lange dauert es, bis die Stoffe aus dem Boden wären?“, wollte ein Zuhörer wissen. „Das hängt davon ab, wie lange Pestizide eingesetzt wurden“, so der Professor. Bei Mais und Raps dauere es am längsten, im Schnitt müsse mit vier bis sechs Jahren gerechnet werden. Auch, dass Honig von Stadtimkern weniger pestizidbelastet ist als der von Imkern im ländlichen Bereich, stimmte Menzel zu, da dort weniger Felder in der Nähe sind.