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Westseite am Francicseum erhält handgeblasene Scheiben/Meister Werner Gottschalk: "Bleiglasfenster erzählen Geschichten"

Von Anja Keßler 17.08.2011, 04:25

Dieser Tage erhält das Francisceum neue Fenster. Besonders an dieser Maßnahme ist, dass einigen der "normalen" Verglasungen noch echt-antike Bleifenster vorgesetzt werden. Während in der Bibliothek diese Arbeiten bereits abgeschlossen sind, setzt Glasermeister Werner Gottschalk aus Aken derzeit die Scheiben in das große Fenster auf der Westseite ein.

Zerbst. Vier Fenster nebeneinander, acht übereinander. 32 handgefertigte Fenster erhält die Westseite, das Maßwerk mit einer kunstvollen Rosette nicht mitgerechnet. Jedes der echten Bleiglasfenster wird gebildet von je sechs Scheiben. Es ist reine Handarbeit, die Werner Gottschalk verarbeitet. Der Glasermeister aus Aken, der sich auf Bleiglas und Glasmalerei spezialisiert hat, setzt die in der Werkstatt gefertigten Fenster ein.

Die Scheiben sind mundgeblasen, jede für sich ist ein Einzelstück. Aus Quarzsand entsteht das Glas, das aus einer Manufaktur in Bayern kommt. Die Bleistreben sind vorgefertigt. "Früher haben wir sie selbst geformt, heute gibt es sie in einer Stärke von drei bis 20 Millimeter", erklärt Gottschalk. Die Streben verlötet der Glasermeister in die von ihm zugeschnittenen Scheiben. Zu Bruch gehe nicht mehr viel. "Manchmal zerbricht das farbige Glas, wenn ein runder oder geschwungener Schnitt notwendig ist, weil es durch die Farbzusätze weicher ist als das weiße."

Am Francisceum werden nur farblose Scheiben verarbeitet. Aufwändig war die Restaurierung der Rosette, dem so genannten Maßwerk im oberen Teil. Nun erstrahlt sie wieder. Nur aus der Nähe ist an der Färbung der Bleistreben zu erkennen, was alt und was neu ist.

Bleiglas hatte in seiner Hochzeit zwei Aufgaben: "Die Bleistreben haben es ermöglicht, größere Fenster einzubauen. Wie hier im Franciseum", erklärt der 62-jährige Akener. Die zweite Aufgabe bestand in der Vermittlung von Informationen: "Mit der Glasmalerei in Kirchenfenstern wurde dem einfachen Volk, das die Schriften in Latein nicht lesen konnte, die biblische Geschichte nahe gebracht."

Gottschalk hat die Glaserwerkstatt seiner Eltern 1990 übernommen. In der sechsten Generation gibt es die Firma und die nächste steht schon in den Startlöchern. "Eine unserer Töchter ist Glasermeisterin, die andere ist studierte Diplomrestauratorin", erzählt Gottschalk. Ehefrau Monika, die im Betrieb für den Büroablauf verantwortlich ist und ihrem Mann auf Baustellen hilft, ergänzt: "Unser kleiner Enkel wächst auch schon in der Glaswerkstatt auf."

Was ist das Besondere an der Zerbster Baustelle? "Wir arbeiten viel an Kirchen. Parallel sind wir derzeit auch noch in Bernburg an der katholischen Kirche beschäftigt. Aber hier haben wir ja auch die Fenster in der Bibliothek gemacht. Und die alten Bücher dort waren schon sehr beeindruckend", erklärt Gottschalk.