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Brauchtum Kein Pfingstgelage dieses Jahr

Die Pfingstgelage und Backofenfeste in Zerbst fallen dieses Jahr aus. Trotzdem sollte an einige Bräuche erinnert werden.

Von Petra Wiese 07.06.2020, 01:01

Zerbst l Während die Christen Pfingsten die Entsendung des Heiligen Geistes feiern, begrüßen die Menschen seit Jahrhunderten den Frühling mit weltlichen Pfingstbräuchen. Da wurde und wird zum Teil eine ganze Woche gefeiert.

In der „Anhaltischen Volkskunde“ von Alfred Wirth steht geschrieben, dass im Kreise Zerbst in einer großen Anzahl von Dörfern Pfingstgelage Sitte waren. Bei Pfingstfesten ging es hoch her, die Lebensfreude schäumte über. „Das Gelage findet in den meisten Dörfern am 2. und 3. Pfingsttag statt, so in Buro, Deetz, Düben, Leps, Griebo, Hundeluft, Köselitz, Luko, Natho, Pülzig, Reuden, Serno, Stackelitz. Einen dritten Tag haben noch Deetz: Kleinpfingsten, desgleichen Hundeluft, Reuden… Dobritz feiert am 1. und 2. Pfingsttag und Kleinpfingsten, Eichholz am 2. und am Donnerstag, Straguth am 2. und am Freitag nach Pfingsten, Kerchau am 1. und am Donnerstag, Strinum am Freitag und Kleinpfingsten…“ Dass der Strinsche Freitag groß gefeiert wurde, daran können sich sicher viele noch erinnern.

Das Fest oder Gelage erforderte früher große Vorbereitungen, heißt es weiter in der Volkskunde. Schon am Himmelfahrtstage ging es zur „Bierprobe“ nach Zerbst. Bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde das Pfingstgelage nicht in der Schenke abgehalten, sondern bei den Hofbesitzern. Wer an der Reihe war, musste den Platz schaffen und sich auf die Speisung vieler Gäste einrichten. Schwein oder Hammel wurden geschlachtet. Es wurde getanzt und eine „Maie“ aufgestellt.

Unterschiedlich lange blieb das Symbol für den Fruchtbarkeitsgeist stehen. Pfingstlauben gab es in einigen Dörfern. Die jungen Burschen waren meistens für das Pfingstgelage verantwortlich. Platzmeister, -burschen oder -knechte wurden gewählt. Strenge Ordnungen waren für die Veranstaltungen festgelegt, auch was das Tanzen mit den Mädchen betraf…

In Grimme wäre es dieses Wochenende an der Zeit für das Pfingstgelage gewesen. Schon im 19. Jahrhundert habe man gefeiert, so schrieb es Harry Bartl für den Zerbster Heimatkalender 1983. Die Grimmschen Waldarbeiter, kleine Bauern und armen Handwerker des Dorfes wollten gemeinsam ihre Sorgen vergessen. Nach dem 1. Weltkrieg fühlten sich Jugendverein, Schützen und Gemeinderat für das Pfingstgelag verantwortlich. Während der gesamten Pfingstwoche war täglich etwas los. Schon damals wurde das Eiersammeln mit dem anschließenden Eibackessen durchgeführt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war es schwierig, das Pfingstgelage wieder durchzuführen. Jugendliche versuchten es Ende der vierziger Jahre, aber erst der Volkschor konnte es wieder beleben. Man entschloss sich, an dem Wochenende nach Pfingsten zu feiern, mit einem bunten Treiben am Sonnabend, Wettbewerben, Belustigungen und Tanz am Abend. Am Sonntag wird um 7 Uhr zum Umzug gerufen. Eier sammeln heißt es da.

Vor jedem Haus wird ein Ständchen gebracht. Der „Ortskundige“, der früher die Führung übernahm, kannte die Lieblingslieder der Leute. Die jungen Burschen schenkten den Hausbewohnern einen „Kleinen“ ein. Eier, Wurst und Speck wurden in Empfang genommen. Von Haus zu Haus ging es. Die Einwohner hielten meist einige Happen bereit. Und es wurde reichlich getrunken. Waren eine Anzahl Eier und anderes beisammen, wurden die Sachen schon mal zum Verarbeiten gebracht. Das Eiback wurde dann zum Mittag von allen gemeinsam verspeist. So wurde diese Tradition in Grimme fortgesetzt.

Auch im benachbarten Reuden war stets etwas los über Pfingsten, und ein paar Kilometer weiter in Nedlitz sind immer noch die Eiersinger unterwegs und hoffentlich im nächsten Jahr wieder. Am Abend vor dem Pfingstsonntag ziehen dort die jungen Männer von Haus zu Haus, um Eier und andere Zutaten für Eiback zu sammeln. Auf diese Art und Weise gingen die Junggesellen früher auf Brautschau. Die jungen Herren stellten sich in den Häusern vor und wurden von den heiratsfähigen Damen des Ortes begutachtet.

Die Brautschau rückte beim Eiersingen irgendwann in den Hintergrund, aber die jungen Männer im Alter von 14 bis etwa 30 Jahre machen den Spaß immer noch mit, um die Tradition am Leben zu erhalten. Im vergangenen Jahr war noch eine elfköpfige Jungmännerschar unterwegs. Treffpunkt ist immer am Großen Stein, wo die strengen Regeln beim Eiersingen noch einmal durchgegangen werden. Die Ansprache und das von Generation zu Generation mündlich übermittelte Lied, womit die Eiersinger ihr Anliegen vortragen, werden geprobt. Vor jedem Haus wird gesungen. In den Korb kommen Eier, Schinken, Speck und Geldspenden. Die Anzahl der gesammelten Eier geht jedes Jahr in die Statistik der Eiersinger ein.

„In Krakau habe ich das Wort ,zempern‘ gehört, erzählte Hobby-Historiker Helmut Hehne. Ein anderes Wort, mit dem man in einigen Vorflämingdörfern das Herumgehen und nach Eiern betteln bezeichnet. Backzutaten sammeln in heutiger Zeit auch Kinder in Garitz und Kleinleitzkau. Der Heimat- und Backofenverein heizt dann zu Pfingsten den Backofen an. Seit 1986 wurde das Backofenfest zu Pfingsten gefeiert – in diesem Jahr blieb der Ofen kalt.