Abwasserentsorgung: Unterschriftensammlung bringt bisher 1300 Unterschriften Bürger machen mobil: "Die Grundgebühr muss weg"
Die hohen Abwasserkosten und die von vielen Hausbesitzern als ungerecht empfundene Grundgebührenstaffelung sorgen seit längerem für Unruhe im Bereich des Abwasser- und Wasserzweckverbandes Elbe-Fläming. Zum Jahreswechsel soll der Berechnungsmaßstab für die Grundgebühr geändert werden. Die Grundgebühr, in Sachsen-Anhalt von Gerichten akzeptiert, muss weg, sagt Rolf Thiel. Der Zerbster hat mit Mitstreitern bisher 1300 Unterschriften zur Abschaffung der Grundgebühr gesammelt.
Zerbst. Der Widerstand gegen die fortgesetzte Erhebung einer Abwasser-Grundgebühr im Bereich des Abwasser- und Wasserzweckverbandes Elbe-Fläming bricht sich Bahn. So hat der Zerbster Rolf Thiel nach eigenen Angaben "binnen kurzer Zeit und unter großer Mithilfe weiterer Unterstützer etwa 1300 Unterschriften zur Abschaffung der Abwasser-Grundgebühr gesammelt". In wenigen Wochen will Thiel die dann "garantiert weit über 2000 Unterschriften an den Abwasser- und Wasserzweckverband Elbe-Fläming sowie an den Stadtrat von Zerbst übergeben".
In der Heidewasser GmbH, dem vom Verband mit der Wasserver- und Abwasserentsorgung beauftragten kommunalen Unternehmen, wird derzeit ein Gebührensatzungsentwurf für die Zeit von 2011 bis 2013 erarbeitet. Neben den Kalkulationen der Aufwendungen wird insbesondere die Frage untersucht, ob sich die Abwassergrundgebühren- Zuteilung künftig auf jede Wohnung beziehen soll statt wie aktuell auf jeden Hauswasseranschluss. Dazu werden aktuell die Grundstückseigentümer gebeten, die Anzahl der Wohnungen in ihren Immobilien anzugeben. Die Erhebung ist freiwillig. Dem Vernehmen nach ist der Rücklauf aus Einfamilienhaus-Siedlungen rege, von den Unternehmen der Wohnungswirtschaft hingegen nicht vorhanden. Der Grund hierfür liegt auf der Hand: Wird wie bislang die Grundgebühr pro Hausanschluss erhoben, profitieren davon die Gebäudebesitzer, bei denen hinter diesem Anschluss viele Wohnungen liegen. Einfamilien- und Siedlungshausanlagen hingegen werden vergleichsweise hoch belastet.
Die Frage der künftigen Grundgebühren-Zuordnung ist also momentan offen. Grundsätzlich wird im Abwasser- und Wasserzweckverband jedoch darauf orientiert, Fixkosten des Abwasserentsorgungssystems auch künftig über eine von den eingeleiteten Abwassermengen unabhängige Grundgebühr einzufordern.
Dagegen wollen sich Thiel und seine Mitstreiter wehren. "Wir wissen natürlich, dass diese Unterschriftensammlung keine Rechtsgültigkeit besitzt. Dafür ist diese auch nicht gedacht, sondern als politisches Votum, um zu demonstrieren, dass die Preisgestaltung zum Abwasser von einer überwiegenden Mehrheit als ungerecht empfunden wird."
Im Zuge der Unterschriftensammlung habe er ein reges Interesse der Bürger festgestellt. "Wenn von 100 Befragten auch nur 5 desinteressiert waren, so ist diese Zahl schon nach oben aufgerundet." Es gehe "um den feinen Unterschied zwischen Gerechtigkeit und Wahrheit, es geht einfach um Gebührengerechtigkeit".
Thiel erkennt an, das auch der Abwasserverband durchaus eine begründbare Grundgebühr erheben kann, dies jedoch nicht muss. "Eine Grundgebühr in Höhe von bis zu über 90 Prozent der gesamten finanziellen Aufwendungen für eine Leistung ist jedoch nur amoralisch. Dabei ist es völlig egal, ob eine solche Grundgebühr an einer virtuellen Zählergröße, an Wohnungseinheiten, der Anzahl der Fenster zur Straße oder der Bücher im Bücherschrank gekoppelt wird – es sind alles Dinglichkeiten, also Objekte, die weder Wasser verbrauchen noch Abwasser erzeugen. Eine solche Grundgebühr kann daher nur an Personen, an Subjekten, als Verursachern festgemacht werden. Das ist jedoch aus verschiedenen, selbst mir einleuchtenden Gründen kaum händelbar. Da aber sowieso nach dem tatsächlichen Verbrauch abgerechnet wird, bedeutet das im Umkehrschluss, eine nur schwer händelbare Abwassergrundgebühr ist überhaupt nicht erforderlich. Ein kostendeckender Abwasserpreis ist völlig ausreichend und auch die gerechteste aller denk-baren Lösungen", so Thiel.
Zugleich stellt er klar, dass "die Kosten zu tragen sind. Dagegen werden wir nicht angehen. Es geht einzig um Gebührengerechtigkeit. Die stellt sich erst her, wenn ausschließlich verbrauchsorientiert abgerechnet wird." Die Grundgebühr gänzlich abzuschaffen, fordern auch die Mietwohnungsgesellschaften und der Verein Haus & Grund.
Thiel ruft zu Solidarität auf. "Wenn gewählte Volksvertreter im AWZ zu Solidarität aufrufen, und das haben sie, müssten sie folglich wissen, dass die Gebühren für bestimmte Bevölkerungsgruppen ungerechtfertigt hoch sind. Und dann ist es ihre verdammte Pflicht, erst einmal eine Gebührengerechtigkeit herzustellen!" Auch der Anschlusszwang, der sich sehr wohl auf die Bürger, nicht aber "bestimmte Mächtige mit ihrer Lobby" entfaltet habe, sei nicht sonderlich gerecht angewendet worden.
Unterdessen würde Solidarität unter den Bürgern durchaus bestehen. Er habe sie erlebt: "Ganz besonders muss ich mich bei denen bedanken, die mir uneigennützig bei dieser Sammlung geholfen haben." Zugleich sei die Sammlung selbst ein Zeichen zur Bereitschaft zu mehr Solidarität. Sogar Mieter aus großen Wohnanlagen hätten unterschrieben – in voller Kenntnis, dass eine Abschaffung der Grundgebühr ihnen den Vorteil der bisherigen Verteil-Ungerechtigkeit nehmen würde, sie folglich demnächst höhere Belastungen hätten.