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Fischprojekt Junge Lachse erobern Nuthe

20.000 Junglachse haben in den Nuthe-Läufen bei Zerbst eine neue Kinderstube gefunden. Das Wanderfischprogramm startet wieder.

Von Daniela Apel 20.11.2019, 00:01

Zerbst l Aus Dänemark stammen die quirligen Junglachse, die am Dienstagvormittag in die Nuthe entlassen werden. Acht bis zehn Zentimeter groß sind die gut 20.000 Fische, die in den Flussläufen eine neue Heimat finden sollen. An verschiedenen geeigneten Stellen werden die Winzlinge wie schon über 120.000 Brütlinge vor ihnen ausgesetzt.

Mit dem aktuellen Besatz geht die seit 2009 in Sachsen-Anhalt laufende Wiederansiedlung von Wanderfischen ins zehnte Jahr, wie Gerhard Jarosz betont. Er ist Pressesprecher des Landesanglerverbandes, der bei dem Projekt mit dem Umweltministerium und dem Institut für Binnenfischerei (IfB) Potsdam-Sacrow kooperiert.

Die Wissenschaftler aus Brandenburg, die federführend bei der Umsetzung des Programm sind, sind gestern ebenfalls nach Zerbst angereist. Genau 100 der halbjährigen Lachse vermisst Robert Wolf, während Klara Jüttner die Daten sorgsam notiert. Für die spätere Auswertung wird alles dokumentiert.

Inzwischen ist belegt, dass die Nuthe den Fischen gute Überlebensbedingungen bietet. Das beweisen die stattlichen Exemplare, die nach ihrer Abwanderung in den Atlantik zum Laichen in die Nuthe zurückgekehrt sind. Seit dem ersten Lachs 2011 kamen weitere 69 hinzu, die in ihre Kinderstube zurückschwammen, um sich fortzupflanzen und das erfolgreich. Der Nachweis geschlüpfter Jungfische zeigt, dass der Lebenszyklus der Lachse mittlerweile geschlossen ist.

Vom „hohen Eigenaufkommen“ spricht Institutsmitarbeiter Robert Frenzel. Erkennbar sind die sozusagen „echten Nuthe-Lachse“ daran, dass sie gegenüber den ausgesetzten Fischen keinen Flossenschnitt besitzen. Dieser kennzeichnet die jeweiligen Jahrgänge quasi individuell. So verfügen die Brütlinge, die gestern im verzweigten Gewässersystem der Nuthe verteilt wurden, einen Bauchflossenschnitt links.

Noch erhält sich die hiesige Lachspopulation nicht von allein. Dennoch sind die Beteiligten zufrieden mit den bisherigen Ergebnissen. „Angler und Wissenschaftler brauchen einen langen Atem, um das zurückzuholen, was aus unseren Flüssen verschwunden ist“, formuliert es Gerhard Jarosz. Er ist spürbar stolz auf das gemeinsame Projekt, dessen Strategie offensichtlich aufgeht, wie die Fangaktionen und die Videoerfassung beweisen.

Das spiegelt sich auch bei der Meerforelle wider – über 90.000 Brütlinge wurden in den zurückliegenden zehn Jahren in den Nuthe-Läufen ausgesetzt. Bislang kehrten 98 zum Laichen zurück.

Gerhard Jarosz verschweigt nicht, dass die Hoffnung besteht, Lachs und Forelle eines Tages wieder in der Nuthe angeln zu können. „Wir haben ein materielles Interesse an reproduzierenden Beständen“, spricht er vom „Artenschutz durch Artennutz“.

So sind die Zerbster Angler erneut mit dabei, um die alljährliche Besatzaktion aktiv zu unterstützen. Sie bilden mehrere Teams, die zeitgleich mit den Wissenschaftlern ausrücken, um die lebhaften Mini-Lachse auf die einzelnen Flussläufe zu verteilen. Das verläuft längst ruhig und routiniert.

Die Finanzierung des landesweiten Wanderfischprogramms geschieht über die Fischereiabgabe. „Das sind dieses Jahr rund 14.000 Euro“, informiert Gerhard Jarosz über die Summe, die zum Erhalt der Artenvielfalt und zugleich für den Umweltschutz eingesetzt wird. Immerhin gilt der Lachs als „stiller Botschafter für eine intakte Natur“, wie es Jarosz ausdrückt. Seine Rückkehr spricht für den Zustand des Ökosystems Fluss.

Nicht zuletzt wird gerade jetzt 2019 – im Internationalen Jahr des Lachses – die Bedeutung des Wiederansiedlungsprojektes deutlich, das auf die Durchgängigkeit der Gewässer abzielt. Mit Unterstützung durch den Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW) sowie dem Unterhaltungsverband Nuthe/Rossel sind bereits über 23 Kilometer Flusslauf der Nuthe frei passierbar. Um dies zu realisieren, wurden mehrere Wehre um- beziehungsweise zurückgebaut. Und davon profitieren nicht nur Lachs und Meerforelle, sondern ebenfalls das geschützte Flussneunauge, das ähnliche Lebensansprüche hat.