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Deetzer wartet auf den Gerichtstermin Freilandgänsehaltung ist seit vier Jahren im Ort Deetz amtlich vom Landkreis Anhalt-Bitterfeld untersagt

Seit vier Jahren wartet der Deetzer Landwirt Mathias Mösenthin auf eine gerichtliche Klärung, ob er unter freiem Himmel Gänse halten darf. Die hatte ihm der Landkreis einst auf Verweis auf die Gefahr der Geflügelpest untersagt.

Von Thomas Höfs 12.05.2021, 06:00
Am Ortsrand von Deetz gehörte die Freilandgänsehaltung viele Jahre zum Ortsbild. Seit vier Jahren ist sie vom Landkreis untersagt, der betroffene Landwirt will sich vor Gericht dagegen wehren.
Am Ortsrand von Deetz gehörte die Freilandgänsehaltung viele Jahre zum Ortsbild. Seit vier Jahren ist sie vom Landkreis untersagt, der betroffene Landwirt will sich vor Gericht dagegen wehren. Foto: T. Höfs

Deetz

Was Pandemien anrichten können, zeigt aktuell die Corona-Pandemie, die sich über den ganzen Erdball verbreitet hat. Das wirtschaftliche und private Leben ist seit über einem Jahr stark eingeschränkt. Pandemien gab es schon immer. Vor allem in der Tierhaltung ist das Problem seit Jahrzehnten bekannt. Vor allem in der kühleren Jahreshälfte macht die Vogelgrippe oder Geflügelpest immer wieder mal Schlagzeilen. Die ansteckende Krankheit rafft immer mal wieder wildlebende Vögel dahin. Zu einem Problem wird die Pandemie, wenn sie Nutztierbestände befällt. Da es keine Impfung gibt, müssen die Bestände dann gekeult werden, wie es heißt.

Erst kürzlich hat der Landkreis Anhalt Bitterfeld die Anordnung zur Einstallung von Geflügel zum Schutz vor der Vogelgrippe aufgehoben. Allerdings gilt die Aufhebung nicht für den gesamten Landkreis. Seit vier Jahren ist der Deetzer Landwirt Mathias Mösenthin von einem Haltungsverbot für Freilandgänse betroffen. Die Kreisverwaltung hatte dem Landwirt die Haltung der weißen und großen Gänse in einem Maisfeld unter Verweis auf die Gefahr der Vogelgrippe untersagt. Das gilt bis heute.

Klage läuft noch immer

Der Landwirt konnte sich zunächst vor dem Verwaltungsgericht erfolgreich gegen die Anordnung der Kreisverwaltung wehren. Die vom Verwaltungsgericht aufgezeigten Fehler behoben die Mitarbeiter der Kreisverwaltung anschließend mit neuen Bescheiden, die dann erst einmal rechtskräftig wurden. Die Klage gegen das Haltungsverbot von Gänsen unter freiem Himmel läuft seitdem. Mathias Mösenthin wartet noch immer auf den Beginn der Verhandlung, sagte er gestern. Dabei hatte er sich im vergangenen Jahr schon einmal Hoffnung gemacht, dass das Verfahren nun bald beginnen könnte. In diesem Frühjahr hätte er gern wieder junge Gänseküken bestellt, die dann auf dem Maisfeld zu schönen Gänsen herangewachsen wären, beschreibt er seine Hoffnungen.

Das Zeitfenster sei aber wieder nutzlos verstrichen, ärgert er sich. Dass es noch keinen Termin vor dem Verwaltungsgericht in Halle gegeben habe, hänge vor allem von dem Gutachten ab, welches das Gericht beim Friedrich-Loeffler-Institut in Auftrag gegeben habe, schildert er. Das Gericht habe die wichtigste wissenschaftliche Instanz in der Sache beauftragt, einige Fragen rund um die Vogelgrippe zu beantworten. Denn in dem Verfahren des Deetzer Landwirtes gegen die Kreisverwaltung geht es um viel mehr, als um die Geflügelhaltung unter freiem Himmel in Deetz. Seit Jahren schaut die ganze Branche der Freilandgeflügelhalter auf den Landkreis Anhalt-Bitterfeld.

Bisher kein Ausbruch der Geflügelgrippe bei Deetz

Als Begründung für das Haltungsverbot von Freilandgänsen diente der Kreisverwaltung nicht etwa ein Ausbruch der Geflügelgrippe in der Nähe der Ortschaft Deetz. Den gab es bislang nicht. Als Begründung dient bislang nur eine Einschätzung des Veterinäramtes der Kreisverwaltung. Mitarbeitern war vor Ort aufgefallen, dass auch wilde Gänse rund um Deetz in der Luft waren. Der einst künstlich angelegte Teich am Ortsrand ist seit vielen Jahren ein beliebter Treffpunkt von Vögeln, die auf der Durchreise sind. Ob von diesen wilden Vögeln eine Gefahr für die gehaltenen Gänse ausgeht, unterstellte die Kreisverwaltung pauschal, ohne einen direkten Nachweis zu erbringen. In einer Risikobeurteilung erklärte die Kreisverwaltung vor allem den Bereich des Landkreises östlich der Elbe zu einem Risikogebiet für die Vogelgrippe. Begründet wird dies vor allem damit, dass die Elbaue im Frühjahr und Herbst Treffpunkt für viele Zugvögel ist. Doch einen Beweis für das Auftreten der Seuche vor Ort gebe es bislang nicht, sagt Mathias Mösenthin.

Er ärgert sich offen darüber, dass der Rechtsstaat Jahre brauche, um sich mit seinem Fall zu beschäftigen und sich intensiv mit den Argumenten auseinanderzusetzen. Auch Jahre nach dem Haltungsverbot empfindet er die Einschätzung der Kreisverwaltung nach wie vor willkürlich. Denn es gibt in der Bundesrepublik zahlreiche Halter von Freilandgeflügel in ähnlicher Lage. „Nach der Logik der Kreisverwaltung in Anhalt-Bitterfeld dürfte es in der ganzen Bundesrepublik keine Freilandhaltung mehr geben“, sagt er verbittert.

Stall ist kein Hindernis für Vogelgrippe

In abgeschlossenen Ställen dürfte er weiter Gänse halten. Dabei hat die Vergangenheit gezeigt, dass der Stall das Geflügel vor der Vogelgrippe nicht schützen kann. Immer wieder waren in den vergangenen Jahren in Ställen gehaltene Gänse mit dem Vogelgrippevirus in Kontakt gekommen und mussten gekeult werden. Nach der Logik der Kreisverwaltung in Anhalt-Bitterfeld hätte es dies nicht geben dürfen.

Vor allem fragt sich der Deetzer Landwirt, ob es überhaupt sinnvoll ist, die Tiere wegzuschließen. Vor allem mit einer naturnahen und nachhaltigen Haltungsform habe dies wenig zu tun, zeigt er sich wenig von den Argumenten des Landkreises überzeugt. Als er noch Gänse halten durfte, musste er beispielsweise das Futter sichern. Unterstellt wurde dabei, dass offenes Futter Wildgänse anlocke und dies in dem Feld landen. Aus praktischer Sicht, sagt Mathias Mösenthin, sei dies nicht vorstellbar, dass Wildgänse in einem Gatter mit Freilandgänsen einfach landeten. Das habe er nie erlebt und sei auch schwer vorstellbar. Auch darum wird es in dem Verfahren gehen. Mathias Mösenthin bietet hier eine ganze Reihe von Fachleuten auf, die sich in der Freilandhaltung auskennen und bislang ernste Zweifel an den amtlich getätigten Annahmen vortragen wollen. „Ich hätte mir gewünscht, dass das alles viel schneller geht und ich wieder meine Gänse halten kann“, sagt er. Die wirtschaftlichen Folgen, die mit dem Haltungsverbot von Freilandgänsen seinen kleinen wirtschaftlichen Betrieb treffen, spielten bislang überhaupt keine Rolle, erklärt er. Er habe sich die Funktionsweise eine Rechtsstaates hier etwas anders vorgestellt, gibt er gern zu.