Gastronomie Gastronomen in Zerbst fehlen aufgrund der Pandemie Fachkräfte und Aushilfen
Nach der Corona-Pandemie sind viele Mitarbeiter aus der Gastwirtschaft in andere Berufe abgewandert. Auch in der Region Zerbst mangelt es an Fachkräften und Aushilfen. Die Zahl der gemeldeten Stellen im Kreis ist deutlich höher als der Landesschnitt.

Zerbst - Das Park-Restaurant Vogelherd liegt im Schatten, Wachteln wuseln in ihrem Gehege hin und her und Hund Bella stromert durch den Garten. Es ist noch früh, das Restaurant hat noch für Besucher geschlossen. Während der Corona-Pandemie klagten zahlreiche Gastronomen über fehlende Fachkräfte und Aushilfen. „Das ist bei uns nicht anders“, sagt Michael Erdmann. „Viele fürchten verständlicherweise die Unsicherheit.“ In Gesprächen mit ehemaligen Mitarbeitern habe er vor allem zwei Gründe für einen Branchenwechsel vernommen: bessere Bezahlung, mehr Freizeit, sagt 37-Jährige.
Das Park-Restaurant ist ein Ausbildungsbetrieb. „Wir hatten bereits weit über 40 Lehrlinge“, sagt Erdmann. Doch nun blieben die Bewerbungen aus. „Wir liegen außerhalb von Zerbst – zwar nicht weit, aber es reicht, um uns für junge Menschen unattraktiver zu machen.“ Der Personalmangel hat Auswirkungen auf den Betrieb des Restaurants: „Wir können nur eine eingeschränkte Gästezahl einlassen.“ Im Service arbeiten pro Schicht meist zwei Kräfte, insgesamt wären sie mit ihm und seinen Eltern zu fünft. „In der Küche ist das schaffbar, im Service kann es schwierig werden.“
Mit den Personalsorgen ist das Park-Hotel nicht alleine. Insgesamt sind im Landkreis Anhalt Bitterfeld nach Zahlen der Bundesagentur für Arbeit im Juli 2021 27 Stellen in der Gastronomie gemeldet. Ein Jahr zuvor waren es 20 – ein Plus von 35 Prozent. Das ist mehr als im Landesschnitt, wo 27,4 Prozent mehr Stellen gemeldet wurden. Das Problem ist jedoch kein Regionales: Laut Zahlen der Gewerkschaft Nahrung – Genuss – Gaststätten sind in Deutschland 275.000 Köche, Servicekräfte und Hotelangestellte in andere Branchen abgewandert.
In Heinrichs Pension mit Café Wirtschaft in Walternienburg hat der Personalmangel zwar noch keine Auswirkungen auf den Betrieb, die Lage ist jedoch trotzdem „beschissen und angespannt“, wie Geschäftsführer Marco Thiemann der Volksstimme am Telefon sagt. „Betrachtet man Corona gesamt, dann haben wir Personal verloren.“ Auch er spricht von der Unsicherheit, die sich gerade bei Aushilfen bemerkbar mache. „Sie hatten vorher damit eine feste Einnahmequelle, die weggebrochen ist. Einige sind in den Einzelhandel gewechselt.“ Zwei Festangestellte und etwa zehn Aushilfen würden derzeit in dem Betrieb arbeiten. „Wir müssen alle viel arbeiten. Aber immerhin können wir weiter so öffnen, wie immer.“
Das kann Tom Hebäcker von der Gaststube und dem Biergarten „Zur Stadtmauer“ in Zerbst nur zum Teil von sich behaupten. Der gelernte Koch betreibt normalerweise auch die Gaststätte „Zur Blume“. „Dafür reicht aber das Personal derzeit nicht“, sagt er. Wann die Gaststätte wieder öffnen könne, sei noch unklar. Und auch im Restaurant „Zur Stadtmauer“ ist die Personaldecke dünn. „Wir sind zu dritt.“ Für welche Bereiche Personal fehle? „Eigentlich überall, wir suchen Köche, Servicekräfte, Aushilfen.“ Über die Pandemie haben Mitarbeiter die Branche gewechselt, wie in so vielen anderen gastronomischen Betrieben. „Sie haben Blut geleckt: feste Arbeitszeiten, keine Feiertage, an denen man arbeiten muss, freie Abende.“
Der zweite Lockdown sei schlimmer gewesen als der erste. Im ersten, da hätten die Leute noch außer Haus bestellt, das hätte aber alles abgenommen über die Zeit. „Ich kann es keinem übelnehmen, dass er der Gastro den Rücken gekehrt hat.“ Für ihn und seine Frau ist das aber keine Option – erst vergangene Woche feierte er sein persönliches 30. Jubiläum als Koch.
Der Personalmangel kommt ungünstig, denn gerade jetzt kommt viel Kundschaft zu Hebäckers Gaststätte. „Der Biergarten läuft besser als noch vor zwei Jahren, die Leute zieht es raus“, sagt er. Doch hätte es in irgendeiner Weise besser laufen können, damit weniger Mitarbeiter aufgehört hätte? „Ich denke nicht, beziehungsweise ich wüsste nicht wie.“
Das Problem belastet die Branche in der Region. Das zeichnet sich bei den Volksstimme-Anfragen ab. Vier Gastronomen wollten nicht öffentlich über ihre Personalsorgen berichten und lehnten ein Gespräch ab.
