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Gerichtsurteil 100 Stunden soziale Arbeit

Wegen versuchter Nötigung und vorsätzlicher Trunkenheitsfahrt muss ein 46-jähriger Zerbster nun Arbeitsstunden leisten.

Von Andreas Behling 28.01.2020, 23:01

Dessau/Zerbst l Eigener fester Wohnsitz - zuletzt gab’s den im Jahr 2015 -, geregelter Tagesablauf und seit mehreren Monaten kein Tropfen Alkohol mehr. Was der 46 Jahre alte Zerbster in seinem Berufungsverfahren der 7. Strafkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau vortrug, war beeindruckend. Und vor allen Dingen, wie der Vorsitzende Richter Frank Straube anmerkte, „ganz glaubhaft“. Vor dem Hintergrund hatte das Rechtsmittel des von Hans-Peter Schulze verteidigten Angeklagten Erfolg. Die Kammer setzte die achtmonatige Freiheitsstrafe für die Dauer von drei Jahren zur Bewährung aus. Verurteilt wurde der Mann wegen einer versuchten Nötigung und einer vorsätzlichen Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad, das noch dazu nicht beleuchtet war.

Das erste Delikt hatte sich schon am 31. Mai 2018 ereignet. Damals war er in einem stark alkoholisierten Zustand in der Fußgängerzone von Zerbst an der Kaufland-Filiale vorgefunden worden. Als ihm dann die Polizeistreife, die ein Mitarbeiter des Stadtordnungsdienstes verständigt hatte, einen Platzverweis aussprach, zückte er – noch bevor er seinen Ausweis vorzeigte – urplötzlich ein Messer, mit dem er sich sonst Nahrungsmittel zerkleinerte. Trotzdem konnte ihm kein Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in einem besonders schweren Fall zur Last gelegt werden. Einer der Polizisten reagierte geistesgegenwärtig. Noch bevor das Messer komplett ausgeklappt war, wurde es seinem Besitzer mit einem gezielten Tritt aus der Hand befördert. „Die Amtshandlung hatte noch nicht begonnen“, teilte das Gericht die Auffassung der Staatsanwaltschaft.

Die versuchte Nötigung bestand nun darin, dass der 46-Jährige einem Beamten Repressalien ankündigte, indem er ihm die Worte zuwarf „Die Nächste fängst du“. Das zweite Delikt kam am 19. Februar 2019 zur Anzeige. An dem Tag wurde der Mann aus dem Verkehr gezogen, als er in die Pedale tretend auf der Biaser Straße in Schlangenlinien unterwegs war. „Er war friedlich, aber genervt. Alles verlief unproblematisch“, schilderte ein ihn stellender Polizist die Situation. Nach der Blutentnahme wurde beim Delinquenten ein Alkoholwert von 2,44 Promille ermittelt.

So seine Erinnerungen es zuließen, zeigte sich der gelernte Maler und Lackierer in beiden Fällen geständig. Zu den Bewährungsauflagen gehört, dass der Mann, der im Alter von sechs Jahren adoptiert wurde, binnen sechs Monaten 100 Arbeitsstunden abzuleisten hat. Dies schien dem Gericht angemessen, da der Angeklagte berichtete, dass er während des jüngsten Haftaufenthalts als Außengärtner tätig war. „Das tat mir gut und machte Spaß.“

Allerdings sah die zweite Instanz davon ab, ihm eine Suchtberatung zur Pflicht zu machen. „Wir meinen, dass dies doch eventuell alte Wunden aufreißt“, begründete der Vorsitzende den Schritt. Der um ein Gutachten gebetene Psychiater Matthias Pilz hatte es als erstaunlich bezeichnet, dass der Zerbster, dem er keine Neigung zu aggressivem Verhalten attestierte, ohne das große Zutun Dritter vom Alkohol Abstand gewann. „Das freut mich für ihn“, sagte der Sachverständige. Der Angeklagte kündigte bereits an, auf ein Rechtsmittel zu verzichten. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft hielt sich diesbezüglich noch zurück.