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Gerichtsverfahren Schwangere Frau geschubst

Bei einem Streit wird eine Zerbsterin geschubst. Zwei Angeklagte müssen sich vor Gericht verantworten. Einer erschien jedoch erst gar nicht.

Von Sebastian Rose 10.01.2021, 00:01

Zerbst l Was erst nach einem Fernseh-Fall bei Richter Alexander Hold oder Richterin Barbara Salesch klingt, wurde in Zerbst gefährliche Realität. Am 1. März des vergangenen Jahres geriet ein Beziehungsstreit derartig außer Kontrolle, dass am Ende das noch ungeborene Kind in Gefahr war. Einer der beiden angeklagten Täter erhielt dennoch einen Freispruch. Auch aufgrund der Aussagen der Geschädigten. Aber der Reihe nach.

Angeklagt waren zwei gebürtige Polen, die seit einiger Zeit in Deutschland leben. Der eine, Partner der Geschädigten und laut den Aussagen des Opfers drogenabhängig, soll nach dem Aufstehen wohl aus Frust über die aus finanziellen Gründen fehlenden Drogen begonnen haben, die Partnerin des Angeklagten und ihr zwölf Jahre altes Kind zu beleidigen und soll sie mehrfach angegangen haben. Daraufhin habe er seinen Onkel angerufen, der ihm in der Situation beistehen sollte.

Der Onkel, in diesem Fall der zweite Angeklagte, soll laut Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau die Frau festgehalten haben. In dieser Zeit habe der gewalttätige Partner den Personalausweis und das Handy der Frau gestohlen.

Schon kurz nach dem Eintreffen des Onkels soll der erste Angeklagte zudem seine zu diesem Zeitpunkt im fünften Monat schwangeren Partnerin geschubst und ihr mehrfach mit der Hand ins Gesicht geschlagen haben.

Vor Gericht erschien jedoch nur der zweite Angeklagte. Schon vor dem Gerichtssaal unterhielt er sich in aller Ruhe mit der ehemaligen Partnerin des Sohnes seiner Schwester. Auch während der Befragung, die simultan durch eine polnische Übersetzerin übersetzt werden musste, da der Angeklagte kein Deutsch spricht, blieb der mutmaßliche Mittäter ruhig und gelassen. Er sagte aus, dass er zu dem Streit hinzugekommen sei, um schlichtend einzuwirken. Es habe in der Vergangenheit des Öfteren Streitigkeiten bei dem Paar gegeben. Als er ankam, hätten sich die beiden in zwei verschiedenen Zimmern aufgehalten. Dann sei der Streit weiter eskaliert, und er habe die wütende Frau festgehalten, damit sie nicht auf seinen Neffen losgehen kann. Dabei hielt sie in der einen Hand ein Nudelholz. Als die Zeugin und die Geschädigte den Gerichtssaal betrat, bekräftigte sie in der anschließenden Befragung durch Amtsgerichtsdirektor Andreas van Herck und den beiden anwesenden Schöffen die Aussage des Onkels.

Es habe Streit gegeben und der gewalttätige Partner, von dem sich die Frau im Anschluss getrennt habe, der aber weiterhin bei ihr gemeldet ist, sei auf ihre Kinder losgegangen. Damit sind ihre Tochter und der damals noch ungeborene, gemeinsame Sohn gemeint. Wie eine Löwin sei sie dann aus Selbstschutz auf ihren Partner losgegangen.

Laut eigenen Aussagen habe ihr Partner seinen Onkel nur deswegen gerufen, um seine Position zu stärken und ihr zu drohen. Getreu dem Motto: Meine Familie ist groß.

Der Onkel hingegen habe sich schützend zwischen beide gestellt und sie tatsächlich festgehalten. Aber nur, um einer weiteren Eskalation entgegenzuwirken. Warum er jetzt ebenfalls auf der Anklagebank Platz nehmen müsse, könne sie nicht verstehen, so die Aussage der angegriffenen Frau. Nach weiteren Befragungen durch den anwesenden Staatsanwalt und den Richter war dann schnell klar, dass sich die Version des Opfers und die des Onkels glichen. Wohl aufgrund der Sprachbarriere, die Geschädigte spricht zwar ein gut verständliches Deutsch, hat aber ab und an noch Verständnisschwierigkeiten, sei es auf der Polizeiwache dann zu der Verwechslung gekommen. Nach kurzer Beratung des Richters mit den Schöffen wurde der Onkel des mutmaßlichen Haupttäters in allen Punkten freigesprochen. Warum sein Neffe nicht vor Gericht erschienen sei, wisse er nicht.

Die geschädigte Mutter hatte daraufhin eine Antwort parat: Er habe zu ihr noch am Morgen des Verhandlungstages gesagt, dass es ihm „scheißegal“ sei. Der Kontakt zu ihr komme nur noch durch das gemeinsame Kind zustande. Eine persönliche Beziehung gebe es nicht mehr.

Wann die Hauptverhandlung gegen den gewalttätigen Partner, die nach Absprache mit dem Rechtsanwalt des erschienenen Angeklagten und dem Staatsanwalt in zwei verschiedene Anklagen geteilt wurde, stattfindet, ist noch offen. Zum nächsten Termin wird der Angreifer dann von einer Polizeistreife abgeholt.