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Goldene Hochzeit Bahnschranke ließ Trauung fast platzen

Ein halbes Jahrhundert Ehe feierten gestern Margrit und Eckhard Gluchotzki in Walternienburg.

Von Thomas Höfs 09.02.2020, 00:01

Walternienburg l Es war fürchterlich kalt, als Margrit und Eckhard Gluchotzki am 7. Februar 1970 sich die Ehe versprachen. In Zerbst wurde damals geheiratet, gleich zweimal an einem Tag. Zuerst ging es zum Standesamt, anschließend in die Kirche. Schließlich waren beide als Kinder getauft worden. Der große Blumenstrauß auf dem Hochzeitsfoto überdeckte geschickt, dass der Nachwuchs bereits auf dem Weg war, so Margrit Gluchotzki. Im Mai kam Tochter Inga auf die Welt.

„Wir konnten uns mit der Hochzeit nicht mehr viel Zeit lassen. Damals musste ein Kind in geordneten Verhältnissen auf die Welt kommen“, weiß sie noch. Ihren Mann lernte sie in ihrem ersten Beruf kennen. Als Hühnerzüchterin war sie in Walternienburg beschäftigt. Ihr späterer Mann lief ihr über den Weg, als er als Elektriker dort zu tun hatte. Denn Eckhard stammt aus Kalitz bei Loburg.

Fast zwei Jahre waren die beiden zusammen, bevor sie den Weg zum Standesamt suchten. Die Hochzeit, erinnern sie sich noch gut, wäre damals fast geplatzt. Das habe an den Schranken gelegen. „Mein Mann stand mehr als eine halbe Stunde an der Bahnschranke bei Güterglück“, schildert sie. „Ich bin auf die letzte Minute gekommen, und wir haben es gerade noch geschafft“, erinnert sich auch Eckhard Gluchotzki noch als wäre es gestern gewesen. Damals seien die Schranken viel länger vor einem Zug geschlossen worden. Gefühlt habe er ewig an dem Bahnübergang gestanden, sagt er.

Mit der Hochzeit heiratete er auch in Familientraditionen ein. So waren die Männer der Familie der Frau alle Jäger. Also musste auch Eckhard Gluchotzki seinen Jagdschein machen. Seit vielen Jahrzehnten ist er nun schon mit der Flinte regelmäßig unterwegs. Das Hobby fülle ihn gut aus und mache ihm Spaß. Außerdem übernahm er die Landwirtschaft im Nebenerwerb. 20 Hektar bewirtschaftet er heute noch. Das ganze Jahr sei er so neben der Arbeit immer beschäftigt gewesen.

Zur Ruhe sei er aber auch als junger Mann selten gekommen. Als gut ausgebildeter Handwerker gehörte er zur Mangelware in der DDR. „Wir konnten mit der Arbeit nach Feierabend mehr Geld verdienen als mit der regulären Beschäftigung“, erinnert er sich noch gut. Ständig habe es private Anfragen und Aufträge gegeben. Viel Freizeit blieb dort nicht mehr übrig. Außerdem machte der junge Elektriker bald seinen Meister.

Ehefrau Margrit orientierte sich nach der Heirat um und wurde Horterzieherin. Ihr ganzes Berufsleben verbrachte sie in Walternienburg. Das sei heute kaum noch möglich, seufzt sie. Die jungen Menschen gehen nach der Ausbildung oder bereits davor schon weg und kommen leider nicht zurück.

Eine Tradition haben die beiden trotzdem entwickelt. Einmal im Jahr geht es auf die Insel Rügen, seit vielen Jahrzehnten. Im Laufe der Zeit haben sie den Wandel an der Ostseeküste mitverfolgt. Auch in diesem Jahr ist die Reise schon geplant. Beide freuen sich schon, das Meer zu sehen und das milde Klima zu genießen. Denn zuhause warten jede Menge Aufgaben auf die Beiden. So muss der Acker bestellt und auch betreut werden. Einen großen Maschinenpark hält die Familie vor. Selbst ein Mähdrescher gehört dazu, schildert Eckhard Gluchotzki. Eigentlich könnte er den auch mieten, wenn die Zeit der Ernte kommt. Nur wenn die Maschine gerade für einen Tag gemietet ist, an dem die Ernte unmöglich wird, weil es regnet, werde das Einfahren des Getreides zu einem Glücksspiel. Viel sicherer sei es da, wenn der kleine Betrieb selbst die Technik vorhalte und jederzeit einsetzen könne. Das mache die Landwirtschaft unabhängig, genießt er die Freiheit. Auch als Landwirt im Nebenerwerb verfolgt er die aktuelle Diskussion um die Lebensmittelpreise mit. Die Arbeit, die in den Lebensmitteln stecke, werde in den Preisen kaum noch abgebildet, sagt er. Das mache ihn schon etwas traurig, wenn er sehe, welche Wertschätzung die Lebensmittel heute genießen. Zur Zeit der Hochzeit sei dies noch anders gewesen. Lebensmittel gab es zwar ausreichend. Doch war die Wertschätzung bedeutend größer. Trotz aller Maschinen stecke immer noch sehr viel Arbeit in jedem landwirtschaftlich erzeugtem Produkt. Die vergangenen Jahre haben zudem gezeigt, dass die Landwirtschaft, auch heute mit der modernen Technik, noch vor größeren Herausforderungen stehen kann, wenn das Klima sich ändert und der Regen ausbleibt. Das sei schon eine ganz schöne Herausforderung gewesen, sagt er. Ob sich die Klimaveränderungen dauerhaft einstellen, müsse abgewartet werden. Viel gegensteuern könne der kleine Landwirt hier kaum. Aber er wolle nicht klagen, sagte er. Die Arbeit ist für den Rentner noch immer ein wichtiger Bestandteil des Tages, bestätigt er.