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Innungstag  Höherer Lohn ist kein Allheilmittel

Um die Rückkehr zur Meisterpflicht, die Ausbildungsvergütung und das Azubi-Ticket ging es beim 29. Handwerker- und Innungstag in Zerbst.

Von Daniela Apel 25.11.2019, 00:01

Zerbst l Rund 90 Teilnehmer konnte Kreishandwerksmeister Roland Prokop am Samstagabend beim 29. Innungstag in der Zerbster Stadthalle begrüßen. In seiner Eröffnungsrede thematisierte er den Nachwuchs- und Fachkräftemangel genauso wie die Ausbildungsmisere. Für ihn bildete die jedoch Höhe des Azubi-Lohns nicht das Allheilmittel, um das Problem zu lösen. „Viele weitere Faktoren spielen eine Rolle. Der Umgang miteinander, das Umfeld, die Aufgaben bis hin zur Übertragung von Verantwortung, die Form und Intensität der gewährten Ausbildung“, so Prokop.

Er sprach sich durchaus für eine ordentliche Bezahlung von Lehrlingen und Fachkräften aus. Zugleich gab der Kreishandwerksmeister zu bedenken: „Wenn Auszubildende und Mitarbeiter höher vergütet werden, bekommen viele kleine Betriebe diese Mehrkosten nicht mehr umgelegt – auch weil Kunden vielfach nicht bereit sind, handwerkliche Leistungen angemessen und vernünftig zu honorieren.“ Höhere Löhne und Vergütungen zu fordern, sei das Eine, für die Handwerksleistungen dann auch einen entsprechend wertschätzenden Preis zu zahlen das Andere, erntete Prokop Zustimmung unter den Anwesenden.

Kritik richtete der Kreishandwerksmeister an die Landesregierung. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern gelingt es in Sachsen-Anhalt nicht, ein Azubi-Ticket einzuführen, mit dem Lehrlinge günstiger Bus und Bahn fahren können. Stattdessen falle es hierzulande den Kompetenzstreitigkeiten der Einzelministerien zum Opfer. „Wir erwarten ein klares Signal der Landespolitik an die Wirtschaft, da sich sonst der Nachwuchsmangel weiterhin verschärfen wird“, so Prokop.

Auch dass es den Betrieben nach wie vor nicht erlaubt sei, die nächstgelegene Berufsschule auszuwählen, bemängelte er und forderte damit eine entsprechende Änderung des „starren Schulgesetzes“. Zugleich verschwieg er die „hausgemachten Probleme“ nicht. Demnach würden viele Ausbildungsbetriebe und Azubis über die Qualität der Lehrgänge in den Berufsbildungszentren der Kammern klagen. Diese Stimmen „sollen ernst genommen werden“, betonte Prokop. Er erwähnte ebenfalls die hohe Quote der Jugendlichen ohne Schulabschluss. Ihr Anteil verharre in Sachsen-Anhalt auf einem Rekordniveau von 11,4 Prozent. Auch in Anhalt-Bitterfeld sei die Zahl der Schüler, die ohne Zeugnis abgehen, hoch, wandete er sich an Landrat Uwe Schulze (CDU). Er bat, diesen Zustand zu analysieren und geeignete Maßnahmen zur Gegensteuerung zu finden.

Ein weiteres Thema, das der Kreishandwerksmeister allerdings nur kurz anriss, war die Wiedereinführung der Meisterpflicht für zwölf Berufe - unter anderem für Fliesenleger, Raumausstatter und Glasveredler. Er erinnerte an die Handwerksnovellierung 2004, als in mehr als 50 Handwerksberufen der Meisterbrief als Voraussetzung zur Selbständigkeit abgeschafft wurde.

Dies habe kleine und wenig leistungsstarke Betriebe hervorgebracht, aber nicht zu zusätzlicher Beschäftigung geführt, blickte Britta Grahneis, Vorstandsmitglied der Handwerkskammer Halle/Saale, zurück. Als „gründlich daneben gegangen“, schätzte sie die damalige Entscheidung ein. Die jetzige Kehrtwende hingegen „ist ein richtiger Schritt, den wir begrüßen“, erklärte sie.

Derweil rief Uwe Schulze die Handwerker auf, sich in den Innungen zu engagieren und gemeinsam Stärke zu zeigen, um zusammen etwas zu verändern. „Das Handwerk ist eine starke Macht, es die Wirtschaftsmacht von nebenan“, so der Landrat.