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Jugendclub Passende Alternative fehlt

Der Auszug der Zerbster Diakonie aus dem Hintergebäude am Markt 30 bedeutete die Schließung der Begegnungsstätte im Jugendmigrationsdienst.

Von Daniela Apel 06.02.2019, 00:01

Zerbst l Sylvia Kopplinger ist enttäuscht. „Ich war stolz, dass ich bei der Diakonie arbeiten konnte. Das ist ein toller Verein, der christliche Werte lebt“, sagt die ausgebildete Erzieherin. Seit November 2015 kümmerte sie sich in der Jugendbegegnungsstätte im Jugendmigrationsdienst stets um etwa 13 bis 15 Kinder. Seit dem Jahreswechsel ist Schluss. Mit der Kündigung des Mietvertrages für die Räumlichkeiten am Markt 30 musste die Einrichtung mangels Ausweichmöglichkeiten geschlossen werden. Das sagt Dietrich Landmann. Sylvia Kopplinger glaubt, dass der Diakonie-Geschäftsführer kein Interesse am Erhalt des Jugendclubs hatte.

Dieser existierte seit 1994 zum Zweck der Eingliederung junger Migranten. Zuletzt waren es Mädchen und Jungen, die mit ihren Familien aus Syrien, Afghanistan und anderen Ländern geflüchtet waren, die hier auf gleichaltrige Zerbster trafen, Sprachhürden überwanden, schulische Nachhilfe erhielten, Freundschaften schlossen. Ihre Zahl nahm jedoch ab. So waren es am Ende fast nur noch einheimische Kinder, die den Freizeittreff besuchten. Die Kontaktaufnahme zum Nachwuchs der polnischen Gastarbeiter misslang. „Obwohl wir wissen, dass diese Kinder enorme Probleme haben“, sagt Landmann. „Das war aber nicht ursächlich für die Schließung der Begegnungsstätte“, betont er. Vielmehr sei es nicht gelungen, neue passende Räumlichkeiten zu finden.

„Es gab Möglichkeiten, Büroräume anzumieten auf der Breite und auf der Alten Brücke“, berichtet der Diakonie-Geschäftsführer. Als Jugendclub seien diese aber „eher ungeeignet“ gewesen, sagt er. Von den mehr als doppelt so hohen Mietkosten abgesehen. Zudem soll sich die Begegnungsstätte – konzeptbedingt – weiterhin unter einem Dach mit dem Jugendmigrationsdienst befinden. Dieser ist derzeit in der Dessauer Straße 28 untergebracht. „Auf diesen Standort fokussieren wir uns jetzt“, erklärte Landmann im Sozialausschuss, in dem die Schließung der Begegnungsstätte Thema war. Der Freizeittreff könnte dort wiedereröffnet werden, sobald die Pflegedienste der Diakonie in die ehemalige Villa „Musik & Kunst“ in der Jeverschen Straße umgezogen seien erläuterte er. Noch wird jedoch am Kaufvertrag für das Objekt gefeilt, das die Diakonie vom Landkreis erwerben möchte.

Für Sylvia Kopplinger wäre der Markt 30 durchaus eine Option gewesen. Ein Angebot der Besitzer gab es. Im Januar 2018 schlug Heike Strohschneider der Diakonie vor, das Gebäude für 100 Euro mehr im Monat – nebst Betriebskosten – komplett zu mieten und nicht nur einzelne Räume. Für den Vorstand der Diakonie war das keine Lösung. Stattdessen bat man um ein Jahr Zeit, sich nach Alternativen umzusehen. „Wir müssen genau überlegen, wofür wir unsere freien Mittel – und das sind Spendenmittel – ausgeben“, begründet Landmann. Auch die Mittel, mit denen der Kreis die einzelnen Dienste unterstützt, würden genau abgerechnet, gibt er zu bedenken.

Hinzu kam, dass der Kreis die Wochenstunden für die Flüchtlingshilfe von 65 auf 20 kürzte. Der zuständigen Mitarbeiterin wurde daraufhin ein Zweit-Job im Betreuungsverein der Diakonie vermittelt, ihr Büro vom Markt auf die Schloßfreiheit verlagert und im Markt 30 wurden weitere Räume gekündigt – Räume, die dem Jugendclub hätten zugewiesen werden können, meint Sylvia Kopplinger.

Für Strohschneiders war das Anlass, den Mietvertrag für die wenigen noch genutzten Räume auszusprechen. Dieser Schritt kam für Landmann „völlig überraschend“. Obwohl der Diakonie seit dem Erwerb des Objektes durch Strohschneiders klar war, „dass wir dort langfristig keine Perspektive haben“, so Landmann.

Dass dies alles nicht so offen kommuniziert wurde, kreidet Sylvia Kopplinger ihm an. „Er hätte ehrlich mit uns umgehen können. Das wäre fair gewesen.“ Mit Unverständnis reagiert sie ebenfalls auf das Ausbremsen ihres eigenen Engagements, für den Jugendclub Spenden zu rekrutieren oder Räumlichkeiten zu finden.