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Energiewende Katherina Reiche, Vorsitzende des Nationalen Wasserstoffrates: Zerbster Projekt Vorbild für andere Kommunen

Katherina Reiche ist Vorsitzende des Nationalen Wasserstoffrates der Bundesregierung. Sie hält Großprojekte zur Produktion von grünem Wasserstoff für bedeutend, kommunale Projekte, wie das Zerbster, aber für mindestens ebenso wichtig. Einige Leser machen sich indes Sorgen, wo das Wasser für die Produktion herkommen soll.

Von Thomas Kirchner 21.06.2021, 16:33
Katherina Reiche, Vorstandsvorsitzende der Westenergie AG und Vorsitzende des Nationalen Wasserstoffrates.
Katherina Reiche, Vorstandsvorsitzende der Westenergie AG und Vorsitzende des Nationalen Wasserstoffrates. Foto: Westenergie AG

Zerbst - Katherina Reiche ist Vorsitzende des Nationalen Wasserstoffrats der deutschen Bundesregierung. Das Gremium besteht aus 25 hochrangigen Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Der Wasserstoffrat werde wesentlich dazu beitragen, die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung umzusetzen und weiterzuentwickeln, sagte Reiche nach ihrer Wahl zur Vorsitzenden im Juli 2020.

Reiche: „Ich werde mich mit aller Kraft gemeinsam mit den Mitgliedern des Rates dafür einsetzen, dass Deutschland bei Wasserstofftechnologien eine Vorreiterrolle in der Welt einnehmen wird.“ Auch die Expertin ist der Meinung, dass Zerbst ein Vorbild für andere Kommunen sei.

Kommunale Projekte ebenso wichtig wie große Referenzprojekte

„Die Energiewende ist ein Puzzle aus vielen Teilen. Große Referenzprojekte spielten dabei eine bedeutende Rolle. Genauso wichtig sind aber die zahlreichen Projekte vor Ort in den Kommunen“, sagt Reiche auf Volksstimme-Nachfrage. Die zukünftige Wasserstoffwirtschaft müsse in den Städten und Gemeinden realisiert werden.

„Das hat auch Vorteile für die Kommunen, die sich hier frühzeitig auf den Weg machen können: So bleibt Wertschöpfung langfristig in den Regionen erhalten. Dies bietet gerade auch ländlichen Gebieten mit viel grüner Energie ganz neue Möglichkeiten. Zerbst ist Vorbild für viele andere Kommunen in Deutschland“, weiß die Expertin.

Mit der Nationalen Wasserstoffstrategie schaffe die Bundesregierung einen umfassenden Handlungsrahmen für die künftige Erzeugung, den Transport, die Nutzung und Weiterverwendung von Wasserstoff und damit auch für entsprechende Innovationen und Investitionen.

„Der Wasserstoffrat hat eine Studie bei der Fraunhofer-Gesellschaft in Auftrag gegeben, um die Bedarfe zu analysieren. Das Ergebnis: Je schneller und stärker der Ausstoß von Treibhausgasen in Deutschland sinken soll, desto massiver wächst der Bedarf an Wasserstoff (H2) und Syntheseprodukten“, so Reiche.

Wasserstoff vielseitig einsetzbar

Für das Jahr 2050 rechne die Fraunhofer-Gesellschaft mit einem Bedarf an 800 Terawattstunden (TWh). „Zur Einordnung: Um diesen Wasserstoff-Bedarf zu decken, wären rund 30.000 zusätzliche Windräder im Meer erforderlich“, macht die Expertin deutlich.

Um die Pariser Klimaschutzziele zu erreichen, müssten klimaschädliche Emissionen in allen Sektoren reduziert werden. „Wasserstoff wird überall dort zum Einsatz kommen, wo eine Umstellung auf grünen Strom technisch oder wirtschaftlich nicht möglich ist“, erklärt Reiche. Der größte Abnehmer von Wasserstoff werde zunächst die Industrie sein.

„Ich denke hier insbesondere an die Branchen Chemie, Stahl oder andere energieintensive Produktionsprozesse. Bis 2040 steigt auch der Bedarf im Verkehrs- und im Energiesektor stark an. Hier stehen vor allem der Schwerlastverkehr, der Schiffsverkehr sowie der Flugverkehr im Fokus“, so die Vorsitzende des nationalen Wasserstoffrates. Nicht vergessen dürfe man den Wärmemarkt. Mit einem Anteil von rund 57 Prozent am Gesamtenergieverbrauch in Deutschland liege er an der Spitze.

Verlässlicher Rechtsrahmen fehlt

„Auf die Heizung und Warmwasserversorgung privater Haushalte entfallen davon 66 Prozent. Durch den Einsatz von Wasserstoff lassen sich auch hier große Mengen CO2 einsparen“, sagt Reiche. Allerdings fehle für den Aufbau der Wasserstoffwirtschaft noch immer ein wirklich verlässlicher Rechtsrahmen.

„Noch immer fehlt es an Investitions- und Planungssicherheit. Die Politik muss zügig die Ausbaupfade bei den erneuerbaren Energien ebnen, die geplanten Elektrolyse-Kapazitäten erweitern und Importpartnerschaften in die Wege leiten. Wir brauchen insgesamt mehr politischen Rückenwind“, fordert die Expertin.

Wasserverbrauch geht nicht zulasten des Fläming

Doch zur Produktion von Wasserstoff wird Wasser benötigt. Wo kommt das Wasser her und wird die H2-Produktion den Grundwasserspiegel negativ beeinflussen, so die Sorgen einiger Leser.

„Die geplante Wasserstoffproduktion Zerbst benötigt nur etwa ein Prozent der Wassermenge der Einheitsgemeinde Zerbst. Wir gehen von etwa 17.500 Kubikmetern Trinkwasser aus, die jährlich für die Anlage benötigt werden. Damit liegt sie deutlich unter dem Wasserverbrauch von Großverbrauchern der lebensmittelverarbeitenden Industrien in der Region“, sagt Getec-Geschäftsführer Chris Döhring auf Nachfrage. Der Gesamtverbrauch in der Einheitsgemeinde liege bei etwa 1,4 Millionen Kubikmeter Trinkwasser im Jahr, hatte Bürgermeister Andreas Dittmann (SPD) im vergangenen August bei der Vorstellung des Wasserstoff-Projektes erläutert.

Hydrierwerke Rodleben spart enorme Mengen an Wasser ein

Allein die Firma Allfein verbrauche etwa 100.000, die Anhalter Fleischwaren 70.000 Kubikmeter Trinkwasser im Jahr, so Dittmann und betonte: „Da wir jetzt schon eine Diskussion über eine zu hohe Trinkwassergewinnung im Fläming haben, ist das Ganze vorab mit Heidewasser und der Trinkwasserversorgung Magdeburg (TWM) geprüft worden. Wir können verlässlich sagen, dass das Wasser, das für diese Anlage benötigt wird, nicht zulasten der Wasserförderung im Fläming gehen wird.“ Das benötigte Wasser komme über das zentrale Wassernetz der TWM aus Colbitz und durch die Entnahme aus der Ohre.

„Zudem hat die DHW Deutsche Hydrierwerke GmbH Rodleben, einer der zukünftigen Großabnehmer von Wasserstoff, durch Optimierungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der geplanten Wasserstoffproduktion bereits erhebliche Wassermengen in der Produktion eingespart“, so Döhring. „Dadurch konnte die DHW bereits auf die Wahrnehmung von Wasserrechten im Bereich der Wasserfassung Tornau / Spitzberg verzichten, die einem Vielfachen der benötigten Wassermenge für die Wasserstoffproduktion in Zerbst entsprechen“, betont Döhring.

Im Energiepark auf dem Flugplatz  soll in Kürze grüner Wasserstoff produziert werden. Dazu wird auf dem Areal ein sogenannter Elektrolyseur errichtet.
Im Energiepark auf dem Flugplatz soll in Kürze grüner Wasserstoff produziert werden. Dazu wird auf dem Areal ein sogenannter Elektrolyseur errichtet.
Foto: Thomas Kirchner