1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Zerbst
  6. >
  7. Die schweigende Glocke

Kirchengeläut Die schweigende Glocke

Die Zerbster Glocke Gloriosa schweigt schon sei 5 Jahren. Verschiedene Gründe haben dazu geführt, dass sie nicht meh ertönt.

Von Daniela Apel 22.03.2020, 00:01

Zerbst l Seit fast fünf Jahren schweigt die Gloriosa bereits. „Wir werden regelmäßig darauf angesprochen“, sagt Claus-Jürgen Dietrich. Er ist heutiger Vorsitzender des Förderkreises St. Nicolai, der 2004 die Wiederherstellung des historischen Geläuts der Zerbster Stadtkirche initiiert hatte. Die vier sehr wertvollen mittelalterlichen Glocken wurden damals repariert und zugleich eine neue Stifterglocke gegossen. 2007 ertönte erstmals das volle Geläut. Inzwischen ist die Gloriosa allerdings verstummt.

Die Ursache sei in einer ganzen Palette von Mängeln zu finden, sagt Mario Gabler. Er ist nicht nur Mitglied im Förderkreis, sondern ebenfalls Vorsitzender des Gemeindekirchenrates von St. Nicolai & St. Trinitatis. Der hölzerne Glockenstuhl sei in Ordnung, die Glocken ebenfalls. Aber das Zusammenfügen von beidem, dort liege hauptsächlich das Problem. Dicke Haltebänder sollen die gut 4,5 Tonnen schwere Gloriosa an den Holzbalken festziehen. Diese Bänder sind jedoch zu lang.

Die Schuld gibt Mario Gabler der Firma, die den Auftrag dafür erhielt. „Sie hat gepfuscht“, lautet sein Vorwurf. Selbst bei der Wartung, die ihr übertragen war, „haben sie nicht gemerkt, dass die Glocke bereits schief hängt“, ärgert er sich. Erst als die beiden Motoren durch Kurzschluss durchgebrannt waren, hätten sie es in ihrem Wartungsprotokoll vermerkt.

Claus-Jürgen Dietrich kann seinen Frust verstehen. Dennoch liegt ihm mehr daran, in die Zukunft zu blicken und das Problem endlich zu lösen. Aus dem Grund wandte sich der Förderkreis an die Evangelische Landeskirche Anhalts. Das Schreiben bildete vielleicht die Initialzündung, dass sich in der Angelegenheit nun etwas tut. So kam es bereits zu einem Treffen, an dem Vertreter der Landeskirche, der Kirchengemeinde und des Förderkreises teilnahmen, wie Claus-Jürgen Dietrich erzählt. „Nach eineinhalb Jahren Wartezeit liegt nun endlich ein Gutachten zur Schadensbilanz vor“, betrachtet er dies als ersten Schritt, die Gloriosa in naher Zukunft wieder läuten zu können.

Die Prüfung, inwiefern die Firma haftbar gemacht werden kann, könne parallel laufen, meint Claus-Jürgen Dietrich. „Aber jetzt muss es vorwärts gehen“, meint er. Aus seiner Sicht muss nun ein Fachmann gefunden werden, der das Projekt betreut, um das Leistungsverzeichnis zu erstellen, so dass schließlich die Auftragsvergabe erfolgen kann.

Für Mario Gabler klingt das leicht gesagt. Eine wesentliche Hürde wird die Finanzierung darstellen. „Die Kostenschätzung liegt bei rund 20.000 Euro“, sagt er. Allein kann das die Kirchengemeinde, mit gerade etwas mehr als 500 Mitgliedern, nicht stemmen. „Und das bei zwei Kirchen“, gibt Mario Gabler mit Blick auf die Trinitatiskirche zu bedenken, die für Gottesdienste und andere kirchliche und kulturelle Veranstaltungen genutzt wird. Diese ist nicht nur zu unterhalten, sondern ebenfalls zu erhalten. So müssen hier dieses Jahr die drei Sandsteinportale saniert werden.

Die Gloriosa liegt Mario Gabler natürlich ebenfalls am Herzen. Immerhin handelt es sich um eine der drei größten, in Deutschland erhaltenen Glocken aus dem 14. Jahrhundert. Wie durch ein Wunder überstand die 1378 gegossene Gloriosa den schweren Bombenangriff auf Zerbst am 16. April 1945, bei dem die einst so eindrucksvolle Nicolaikirche selbst stark zerstört wurde.