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Krippe Innehalten bei Maria und Josef

Ruhe und Frieden kann man in der Weihnachtskirche von Polenzko finden. Einen Gottesdienst wird es nicht geben.

Von Petra Wiese 19.12.2020, 07:00

Polenzko l Im August 2009 zog Josef in die Polenzkoer Dorfkirche ein. Seine Frau Maria folgte und bis Weihnachten desselben Jahres war mit dem Kind in der Krippe die heilige Familie vereint unterm Sternenhimmel des Altarraumes. Im nächsten Jahr nahmen dem Paar gegenüber zwei Hirten Aufstellung. 2011 konnte die Krippe um einen weiteren Hirten und Tiere erweitert und damit vollendet werden.

Der Zerbster Holzbildhauer Horst Sommer hatte die monumentalen Figuren aus ganzen Baumstämmen geschaffen und damit die größte Weihnachtskrippe Deutschlands. Durch sie wurde die Polenzkoer Weihnachtskirche überregional bekannt. Zwar wird der Kirche ganzjährig, dennoch besonders zur Weihnachtszeit Aufmerksamkeit geschenkt. Geschmückt wurde in diesem Jahr wieder in und vor der Kirche von Gemeindemitgliedern und Helfern aus dem Dorf. Der große Herrnhuter Stern leuchtet über der Krippe. Doch ein Konzert oder der Gottesdienst, der sonst immer am ersten Weihnachtsfeiertag hier stattfand, fallen in diesem Jahr aus.

Wer vermutet, dass sich das ganze Corona-Jahr über kaum Besucher nach Polenzko verirrten, der liegt jedoch falsch. „Wir haben eher den Eindruck, dass es mehr Leute gewesen sind“, sagt Ulrich Hahn, der Vorsitzende des Gemeindekirchenrates der Evangelischen Weinberggemeinde Garitz, zu der Polenzko gehört. Darauf lassen die Einträge im Gästebuch der Weihnachtskirche schließen, und es gab auch keinen Einbruch bei den Spenden im Klingelbeutel.

Besonders über den Sommer waren die Menschen da, um sich die Krippe anzuschauen. Urlaub in Deutschland, Urlaub zu Hause waren angesagt. Der Trend werde auch noch im nächsten Jahr anhalten, vermutet Ulrich Hahn, was natürlich gut für die Kirche ist.

Reisegruppen waren es allerdings weniger. So gab es nur ein paar Führungen in diesem Jahr mit Kunsthistorikerin Sonja Hahn. Etablierte Reiseveranstalter hatten ihre Angebote gecancelt. Auch Kirchengemeinden waren weniger unterwegs. Von Bus und Bahn hatte sich das Tourismusgeschehen zu Einzelreisenden mit Fahrrad oder Auto verschoben.

Für die Zukunft will man sich Gedanken machen, wie die Gemeinde Besucher noch mehr willkommen heißen, noch mehr Inhalte bieten kann, so Ulrich Hahn. Da sind auch alle Polenzkoer gefragt, da es im Ort nur wenige Mitglieder der Kirchengemeinde gibt. Ulrich Hahn freut sich, dass die Einwohner von Polenzko inzwischen ihre Kirche angenommen haben, sie als Teil des Dorfes sehen. Jetzt besteht eine Verbindung. Schließlich sei Weihnachten ein Fest, das auch ohne Glauben gefeiert wird.

Auch wenn die Weihnachtskirche innen und außen hübsch anzusehen ist, offenbart sich bei näherer Betrachtung großer Sanierungsbedarf. In einem ersten Bauabschnitt konnte 2018 der Turm saniert werden. Seitdem war wieder Ruhe. „Dass es weiter gehen muss, ist klar“, bringt es der Gemeindekirchenratsvorsitzende zum Ausdruck. Das gesamte Dach muss saniert werden, von den Dachbalken bis zur Dacheindeckung.

Sorgen bereitet die abgehängte Decke vom Kirchenschiff. Die ist marode und muss wohl komplett erneuert werden, befürchtet Ulrich Hahn. Das müsse jedoch erst mit dem Denkmalschutz geklärt werden, ob da noch etwas zu retten ist. 200 000 Euro werden nicht reichen. Die kann die Weinberggemeinde, zu der außerdem die Garitzer Kirche, die Osterkirche in Trüben und die Kirche von Kleinleitzkau gehören, nicht aufbringen.

Jetzt ist erst einmal die Garitzer Kirche an der Reihe, erklärt Ulrich Hahn. Die wurde gerade mit Fenstern des renommierten Künstlers Tony Cragg ausgestattet und wird nun noch weiter renoviert und umgestaltet. 2021/22 werden wir einen neuen Anlauf für Polenzko nehmen, kündigte Ulrich Hahn an. Dann will man sich noch einmal um Fördermittel für die weitere Sanierung bewerben. Hoffnung setzt die Gemeinde auf das Regio-Programm des Landes Sachsen-Anhalt, über das die Maßnahme in Garitz realisiert werden kann. Aber die Mittel würden in Polenzko bei weitem nicht ausreichen.

Dass Lotto-Toto die Finanzierung für Kirchen zurückgefahren hat, bedauert Ulrich Hahn sehr. Auch die Baubeihilfen der Landeskirchen wurden um ein Drittel gekürzt, was es außerdem schwerer macht, Projekte durchzuführen. Der Spielraum wird immer enger, so Hahn.

Zum Glück haben die Krippenfiguren in den zehn Jahren, die sie in Polenzko stehen, nichts an ihrer Ausdruckskraft verloren. Da gibt es noch keinen Handlungsbedarf. Nur abgestaubt werden sie hin und wieder. Sicher wird auch an ihnen irgendwann der Zahn der Zeit nagen, weiß Ulrich Hahn, aber „sie dürfen bei uns in Würde altern“.

Wenn es auch keine gemeinschaftlichen Ansammlungen dieses Jahr in der Weihnachtskirche gibt, so hat doch jeder Einzelne die Möglichkeit, die Kirche, die zu den Entschlossenen gehört und deren Tür immer offen steht, zu besuchen, sich die Krippe anzuschauen und innezuhalten. An der Holzbrüstung der Orgelempore befinden sich mit die Text- und Bildtafeln mit der Weihnachtsgeschichte aus dem Lucasevangelium Kapitel 2, für die im Vorfeld der Turmsanierung Paten gefunden werden konnten.

Im Bereich, wo früher die Winterkirche war, die abgerissen wurde, war eigentlich geplant, eine Ausstellung mit Weihnachtskrippen zu installieren. Dazu ist es jedoch noch nicht gekommen. Derweil hat die Familie von Kalitsch hier Einzug gehalten. Das Modell des „Schlosses“ von Bärenthoren, gleich im Nachbarort von Polenzko, hat hier einen Platz gefunden. Ortsbürgermeisterin Ruth Buchmann hat hier außerdem eine Vitrine untergebracht, die bis zu dessen Schließung im Betreuungszentrum Bärenthoren stand. Darin wird Marie von Kalitsch gedacht, deren Namen das Betreuungszentrum trug und Friedrich von Kalitsch, der als der Begründer der Kiefern-Dauerwaldwirtschaft gilt. Eine Anregung vielleicht, von Polenzko gleich noch einen Abstecher nach Bärenthoren zu machen.