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Schullandheim Für Deetz ist das Jahr verloren

Im Jugendbauernhof Deetz ruht der Betrieb seit gut vier Wochen. Wann wieder Kinderstimmen durch das Haus hallen, bleibt ungewiss.

Von Thomas Höfs 15.04.2020, 08:00

Deetz l Im Jugendbauernhof in Deetz ist es seit vier Wochen ungewöhnlich ruhig. Die Ausgangsbeschränkungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie haben dafür gesorgt, dass Schulklassen schon seit Wochen den landwirtschaftlich geprägten Ort nicht mehr anfahren. Bis Ende Mai wird dies in Sachsen-Anhalt so bleiben, hat das Kultusministerium den Schulen auferlegt. Doch was ist danach? Die Frage treibt Ulrich Weimeister, den Chef des betreibenden Vereins, seit Wochen um. Immer wieder rufen Lehrer bei ihm an, die die Einrichtung zu einem späteren Zeitpunkt gebucht haben. Ob die Veranstaltungen im Juni stattfinden können, ist offen, sagt er. Momentan gehe er davon aus, dass die Klassen kommen können.

„Ich warte auf die Entscheidungen aus der Politik“, sagte er gestern auf Nachfrage. Als eines der ersten Unternehmen war das Landschulheim von den Auswirkungen der Corona-Pandemie direkt betroffen. Schlagartig blieb die Kundschaft in Form von Schulklassen aus. Klassenfahrten für die kommenden Wochen wurden von den Schulen storniert.

Die Mitarbeiter hat Ulrich Weimeister schon vor Wochen nach Hause geschickt und für den Betrieb Kurzarbeit beantragt. Ohne die Hilfen werde er nicht durch die Krise kommen, hatte er gesagt. Ebenso hatte er die Soforthilfe beantragt, um die ersten Wochen zu überbrücken. Die Hilfe sei bereits bewilligt worden, sagte er gestern. „Das ging ganz schnell und hilft uns unwahrscheinlich gut“, lobte er die unkomplizierte Hilfe der Landesregierung für die kleinen Unternehmen in der Krise.

Allerdings mache er sich nichts vor, dass das Schullandheim in den kommenden Wochen noch weitere Hilfen benötige, sagte er weiter. Ohne finanzielle Zuschüsse werde der Betrieb sonst kaum über die Runden kommen, kündigt er an.

Inzwischen habe sich auch der Bundesverband der Landschulheime dafür stark gemacht, die Einrichtungen zu unterstützen und ihnen während der Ausgangsbeschränkungen zu helfen.

Das Frühjahr hat Ulrich Weimeister schon abgeschrieben. Dabei sollte es in diesem Jahr endlich einmal viel besser werden. In den vergangenen Jahren hatte er die Einrichtung kontinuierlich weiter aus- und aufgebaut. Zuletzt hatte er eine Versammlungsstätte in einem Nebenhaus im Dachgeschoss errichtet. Viele öffentliche Fördermittel habe er dafür erfolgreich einwerben können, erinnert er. Nun müsse dafür gesorgt werden, dass sich der Aufwand auch lohne und die Einrichtung genutzt werde, sagt er weiter.

In diesem Frühjahr sei aber nicht mehr damit zu rechnen, dass noch Klassen kommen, schätzt er ein. Selbst wenn die Schulen in den kommenden Wochen den Betrieb wieder langsam hochfahren sollten, seien die Klassenfahrten das geringste Problem. „Ich gehe inzwischen davon aus, dass dieses Jahr verloren ist und wir erst im kommenden Jahr wieder durchstarten“, ist er überzeugt. Nun gehe es darum, das Beste aus der Situation zu machen und den Betrieb auf kleiner Sparflamme zu bewahren. Denn auch wenn keine Klassen das Landschulheim besuchen, gibt es doch täglich Arbeit. Vor allem die Tiere, die auf dem Bauernhof leben, kennen keine Auszeiten und keine Feiertage oder Ferien. Sie müssen versorgt werden.

In der vergangenen Woche stand das Veterinäramt auf dem Hof, schildert er. Die Mitarbeiter der Kreisbehörde trieb der Seuchenschutz um, erzählt er weiter. Einige vorsorgliche Maßnahmen seien nun auf dem Hof ergriffen worden, um die Ausbreitung von Tierkrankheiten zu verhindern, sagt er. In den vergangenen Wochen habe er sich fast zwingen müssen, täglich zur Arbeit zu gehen, gibt er einen Einblick in seine Gedankenwelt. Die Sorge darüber, wie es weitergeht, treibe ihn täglich um.

Doch es gebe auch Lichtblicke, meint er. So werde das Angebot des kleinen Hofladens inzwischen sehr gut angenommen. Die Bürger nutzten zunehmend die Möglichkeit, Waren zu bestellen und dann abzuholen. In den Fokus sei der kleine Laden vor Wochen gerückt, als der kleine Supermarkt im Dorf seine Türen unerwartet geschlossen hatte. Die Deetzer haben nun keinen sozialen Treffpunkt mehr. „Es gibt jetzt nur noch uns im Dorf“, sagt er. Aus unternehmerischer Sicht sei dies natürlich schön. Dennoch sei der große Konsum eine Einrichtung gewesen, von der auch der Jugendbauernhof profitierte. Jugendliche, die in Deetz frisch angekommen waren, schickte Ulrich Weimeister gern mal in den Laden, um sich zu akklimatisieren. Das sei nun nicht mehr möglich. Nun müssten sich die Menschen ins Auto setzen und einige Kilometer fahren, bedauert er. Für seinen Heimatort sei dies ein Verlust, den er mit dem kleinen Hofladen nicht auffangen oder ausgleichen könne, ist er überzeugt.