Sonnenblumenfelder sind für Natur angelegte Blühstreifen / Sonneblumen werden von Fremden vom Feld gepflückt Sonnige Absicht bleibt Diebstahl
Rasch auf dem Nachhauseweg am Feld angehalten, mit dem Messer drei, vier Sonnenblumen abgeschnitten - und schon freut sich die Liebste über den schönen Strauß. Dass dabei eine Bemühung für die Natur zerstört wird, wissen die meisten nicht. Dass es Diebstahl ist, scheinen sie zu verdrängen.
Zerbst. In den letzte Wochen eroberte die Farbe Gelb die Felder zurück. Zum Leid der Bauern ist es nicht das Goldgelb des Weizens gewesen, dafür aber das Sonnengelb der Sonnenblumen. Von Weitem schon sichtbar strahlt es den Autofahrern entgegen. "Und der ein oder andere bleibt eben stehen, um einen Strauß zu pflücken", erzählt Landwirt Matthias Rehse.
Der Mitarbeiter des Landwirtschaftlichen Betriebes Joachim Friedrich hat schon des Öfteren beobachtet, wie Leute auf die Felder gehen, mit einem Messer ausgerüstet, um sich selbst zu bedienen. "Wenn man sich abends daneben setzen würde, würde man staunen, wie viele es sind", sagt er.
Dabei ist das vermeintliche Sonnenblumenfeld gar kein Feld in dem Sinne. "Es handelt sich hierbei um einen Blühstreifen, auf dem nicht nur Sonnenblumen ausgesät wurden, sondern auch Klee, Buchweizen, Klatschmohn, Kornblumen, Luzerne und Phacelia", erklärt der Bauer. Diese Mischung soll ganzjährig dafür sorgen, dass der Streifen blüht.
Das Anlegen von Blühstreifen ist ein Programm vom Bund, das vom Bund, Land und der EU gefördert wird. "Man will damit die Artenvielfalt erhalten und unterstützen, vor allem auch Bienen helfen, ihren Platz in der Natur zu bewahren, die Landschaft mitgestalten und Erosionsschutz bieten", erklärt Susanne Brandt, stellvertretende Geschäftsführerin des Landesbauernverbands und Referentin für Pflanzenproduktion.
Fünf Jahre dauert das 2010 gestartete Programm, das beinhaltet, dass ein maximal 24 Meter breiter Streifen, mit einer bestimmten Artenmischung bewirtschaftet wird, der maximal einmal im Jahr gemäht werden darf und mit keinem Dünger oder Pestiziden behandelt wird - alles kontrolliert von den landwirtschaftlichen Ämtern.
"Etwa 700 Euro pro Hektar Fördergeld bekommen die Bauern in diesem Programm", weiß Brandt. "Das ist nicht so viel, um damit zu verdienen", weiß sie.
Damit reich zu werden ist auch gar nicht das Ziel von Matthias Rehse. "Wir haben es im Sinne der Bienen angelegt, für Insekten und andere Tiere, die auch nach der Blütezeit in den Blühstreifen Nahrung finden", erklärt er. "Man kann nicht immer nur von der Natur nehmen, man muss auch einmal etwas zurückgeben." So ähnlich sahen es auch noch andere Bauern in Sachsen-Anhalt, so dass immerhin 1600 Hektar dieses Jahr als Blühstreifen angelegt wurden. "Wir hätten uns noch ein wenig mehr Resonanz gewünscht", sagt Brandt. "Aber ich kann es verstehen, denn den schon genannten positiven Seiten des Programms steht ein hoher bürokratischer Aufwand für Landwirte und Verwaltung gegenüber."
Und wenn die Bauern, die sich doch beteiligen, dann sehen müssen, wie Leute anhalten und bundweise die Sonnenblumen ernten, kann das schon mal zu Verdruss und Unverständnis führen. "Ich gehe doch auch nicht in fremde Gärten und pflücke mir die Gurken, die ich abends als Salat essen will. Und im Grunde ist ein Acker ja nichts anderes als ein Garten, der einer Person gehört, nur größer und ohne Zaun", so der Landwirt.
Und genauso stellt es sich auch im gesetzlichen Sinne dar: "Die Entnahme von Sonnenblumen von einem Feld ist Diebstahl", weiß Michael Däumich, Sprecher Polizeirevier Anhalt-Bitterfeld. Und kann auch genau so geahndet werden. Jeder Landwirt ist berechtigt, den Diebstahl zur Anzeige zu bringen. Kann der Täter ermittelt werden, ist die Spanne der Strafe breit. "Von einem Ordnungsgeld bis hin zu fünf Jahren Freiheitsstrafe ist alles möglich", so Däumich. Doch das entscheidet am Ende die Staatsanwaltschaft. "Ohne Strafe wird auch ein Sonnenblumenklau nicht bleiben. Bei keiner oder geringer sonstiger Auffälligkeit des Täters kann ich mir vorstellen, das ein Bußgeld von etwa 100 Euro fällig werden könnte", so Däumich.