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Tierschutz Betriebe auf dem Prüfstand

Landwirtschaftsbetriebe unterliegen immer strengeren Kontrollen. Davon kann der Deetzer Landwirt Kees de Vries Jr ein Lied singen.

Von Petra Wiese 23.02.2020, 00:01

Deetz l Rein statistisch gesehen, träfen die Zahlen vielleicht zu, wenn jeder, der eine Kuh oder ein Schwein hält, was registriert sein muss, eingerechnet ist. Da handele es sich allerdings nicht unbedingt um ein Unternehmen. Aber dass Landwirtschaftsbetriebe intensiv kontrolliert werden, davon können die Landwirte ein Lied singen. Die wohl am strengsten kontrollierte Branche. „Wir möchten uns nicht beschweren“, sagt Kees de Vries Jr., „die Kontrollen sind gut und richtig und bewahren die Fairness unter den Betrieben.“ „Wir kritisieren das nicht“, so Gerard van Ginkel. Die Landwirte verwehren sich jedoch dagegen, dass der Eindruck entsteht, „als ob wir machen können, was wir wollen.“ Das ist keinesfalls so. Die Vorgaben, an die sich die Betriebe – ob Pflanzen- oder Tierproduktion – zu halten haben, sind streng. „Die Ämter sind hinterher, die Leute machen ihre Arbeit“, so de Vries.

Bei der Vrieswoud KG Deetz werden täglich rund 25 000 Liter Milch produziert. An vier Standorten werden 1000 Milchkühe gehalten, dazu 800 Kälber und Jungrinder. Außerdem wird auf 1000 Hektar Pflanzenbau betrieben. Kees de Vries Jr. hat einmal zusammengerechnet, wie viele Kontrollen aller Art auf dem Hof in den vergangenen fünf Jahren durchgeführt wurden.

Dreimal CC-Kontrollen Tierhaltung, zwei CC-Kontrollen Pflanzenbau, zwei Kontrollen der Festmist- und Güllelager durch die Umweltbehörde des Landkreises, zwei Kontrollen durch das Finanzamt. Zwei Mal wurde die Lohnbuchhaltung durch die Deutsche Rentenversicherung kontrolliert. Hinzu kommen jährliche Kontrollen und Wartung der technischen Anlagen. Außerdem unterliegt der Betrieb der Verpflichtung zur Eigenkontrolle. Die Liste ist lang.

Die Kontrollen sind in der Regel unangekündigt. „Eine halbe Stunde vorher kommt ein Anruf“, erzählt de Vries. Meist sind dann fünf Kontrolleure vor Ort. Da der Betrieb verpflichtet ist, die Behörde zu unterstützen, begleitet der Stallleiter die Kontrollen.

Kontrolliert wird alles, was mit der Tierhaltung zu tun hat. Die Cross-Compliance-Standards werden gecheckt, die als Grundanforderungen an die Betriebsführung nach europäischem Recht und nationalen Regelungen gelten.

Jede einzelne Kuh wird angeschaut, der Gesundheitszustand beurteilt, die Ohrmarken geprüft, die Haltungsbedingungen, Futterlager, Futtermittel, Medikamente, etc. Bei 1800 Tiere insgesamt ist das eine schwierige Aufgabe. Alles wird protokolliert und erfasst. Beanstandungen führen zu Kürzungen des Agrarzuschusses für den Betrieb.

„Ermessen ist schon fast ausgeschlossen“, so Matthias Bachmann, der etwa 600 Hektar bei Straguth bewirtschaftet. Auch für eine amtliche „Flächenkontrolle“ geht ein ganzer Tag drauf. Flächengröße und Anbau werden anhand von Satellitenbildern überprüft. Die sind topaktuell, da die Flächen viermal im Jahr überflogen werden.

„Man sieht selbst wo ein Baum gefällt wurde“, so Bachmann. Als Landschaftselement hat er Bestandsschutz. „Wir können nicht schalten und walten, wie wir wollen“, so der Straguther. Die geringste Abweichung fällt auf. Unterschiedliche Farben auf einem Schlag Weizen waren den Kontrolleuren zuletzt aufgefallen. Hier hatte der Landwirt lediglich zwei verschiedene Sorten Weizen auf einem Schlag angebaut.

Wo Weizen beantragt ist, muss auch Weizen wachsen, Mais, wo Mais und so weiter. „Dabei bekommen wir keine anderen Zuschüsse, egal, was wir anbauen“, erläutert Gerard van Ginkel, der Chef Pflanzenproduktion bei Vrieswoud. Jede Pflanzenschutzanwendung wird dokumentiert. Bodenkontrollen und Gewässerrandkontrollen werden durchgeführt. Einen Sachkundenachweis Pflanzenschutz muss jeder bei sich tragen, der im Einsatz ist. Der Nachweis allein reicht nicht, Fortbildungen sind notwendig. Die Pflanzenschutzspritze braucht einen Extra-TÜV. Das ALFF kontrolliert auf den Feldern. Für jeden einzelnen Schlag ist eine Düngebedarfsermittlung zu erstellen.

Jedes Jahr muss eine Nährstoffbilanz aufgestellt werden, ergänzt Matthias Bachmann. Die muss griffbereit sein, wenn die Kontrolle kommt. Permanent ist damit zu rechnen. Ebenso permanent müssen die Landwirte den Aufwand betreiben, um allen Anforderungen stets und ständig gerecht zu werden. „Der Kontrollaufwand hat immer mehr zugenommen“, sagen Bachmann und van Ginkel. Und die Rahmenbedingungen für die Landwirte sind immer enger geworden. Immer mehr Zeit und Aufwand ist in die Kontrollen zu stecken.

„Man hat den Eindruck, jeder Schritt von uns muss kontrolliert werden“, sagt van Ginkel. Dabei hätten die Landwirte alle Ausbildung oder Studium absolviert. „Wir überdüngen unsere Felder nicht, denn das kostet Geld, und wir leben mit der Natur“, macht er klar, „wir sind gut zu unseren Tieren, sonst haben wir keine guten Tiere. Wir zerstören nicht unsere Grundlagen.“ Ackerbau werde seit 500 Jahren betrieben, wenn jeder Schindluder getrieben hätte, würde die Landwirtschaft nicht mehr funktionieren. Aber, was ein guter Bauer nach ausreichend fachlicher Praxis macht, werde heute eben zusätzlich kontrolliert. Natürlich ist man immer froh, wenn eine Kontrolle vorbei ist, gibt Matthias Bachmann zu. Dann habe man ein Protokoll in der Hand, was man vorlegen kann, und den Nachweis, dass es keine Beanstandungen gibt.

Bestandskontrollen in gewerbsmäßigen landwirtschaftlichen Nutztierhaltungen werden grundsätzlich im Vier-Augen-Prinzip durchgeführt, erläutert der Pressesprecher des Landkreises Anhalt-Bitterfeld, Udo Pawelczyk. Dies begründe sich im Umfang der zu kontrollierenden Rechtsvorschriften (Tierschutz-, Tierseuchenbekämpfungs-, Tierarzneimittel-, Tierische Nebenproduktebeseitigungsrecht etc.), aber auch in der Sicherung der Beweislast für den Fall der Feststellung sanktionsrelevanter Verstöße im Hinblick auf Agrarfördermittel.

Die Kontrollfrequenz der Betriebe richtet sich nach einer Risikoanalyse, in welcher die Tierart, die Nutzungsrichtung beziehungsweise die produzierten Produkte, die Bestandsgröße sowie die Ergebnisse vorangegangener Kontrollen einfließen, aber auch schwerpunktmäßig nach Vorgaben des Landes Sachsen-Anhalt. Eine Pauschalaussage zu Kontrolldichten ist nicht möglich, diese sind von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich. Tierschutzrechtliche Beschwerden werden jedoch vorrangig behandelt, da der Verdacht auf das Vorliegen von Rechtsverstößen die Behörde zum umgehenden Handeln zwingt.

Im Allgemeinen werden die geltenden Rechtsvorschriften in den Tierhaltungen des Landkreises Anhalt-Bitterfeld zufriedenstellend umgesetzt, teilte der Pressesprecher mit. Durch ordnungsrechtliche Maßnahmen (Ordnungsverfügungen, Verwarnungen, Buß- und Zwangsgelder) können auftretende Verstöße geahndet und abgestellt werden, in den seltenen Fällen von gravierenden Mängeln bis hin zu Strafanzeigen beziehungsweise Tierhaltungsverboten.

Für die Kontrolle von Viehbeständen und Tierproduktionsbetrieben gibt es in Anhalt-Bitterfeld 3,5 Vollzeitstellen, war schon in dem Beitrag im Dezember, auf den sich die drei Zerbster Landwirte beziehen, festgestellt worden.

Noch einmal machen sie deutlich, dass sie nichts gegen die Kontrollen haben und sie als notwendig zur Qualitätssicherung sehen. Aber die Leute sollen wissen, dass die Landwirtschaftsbetriebe eben solchen akribischen Kontrollen unterliegen. Für kleinere Mängel, die zu beheben sind, werden Fristen im Protokoll festgehalten. Und dann kommt die Nachkontrolle…

Und auch übergeordnete Kontrollen der Kontrolle hat Kees de Vries Jr. schon erlebt. Das ist Deutschland. Nur das Bild von der Landwirtschaft passt nicht. Die Landwirte wollen weg vom schlechten Image und kämpfen gegen immer höhere Auflagen und für einen fairen Anteil am Lebensmittelpreis.

Wer Landwirtschaft aber live und hautnah erleben möchte, der kann in diesem Sommer nach Deetz kommen zum Hoffest bei der Vrieswoud KG. Dort kann sich dann jedermann selbst ein Bild von ihr machen.