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Umweltsünder Bratkartoffeln für Enten und Nutrias

Spaziergänger in Zerbst sollen Tiere im Schlossgarten mit Bratkartoffeln und Schinken gefüttert haben. Sie schaden damit der Natur.

Von Thomas Kirchner 24.05.2018, 01:01

Zerbst l Eine Riesenratte – aber süß gucken kann sie schon. Und wie viele Wildtiere, sind Nutrias Kulturfolger - überall, wo sie Nahrung finden, werden sie heimisch. Nicht selten ein bisschen zu heimisch.

Doch auf Nahrungssuche brauchen die Schlossgartenbewohner kaum noch gehen. Spaghetti mit Tomatensoße oder wie jetzt am Pfingstwochenende, Bratkartoffeln mit Schinken und saurer Gurke, werden am Schlossteich und an der Nuthe als Futter abgelegt, darauf wiesen Spaziergänger die Volksstimme hin.

Ordnungsamtsleiterin Kerstin Gudella ist entsetzt. „Abgesehen davon, dass das kein geeignetes Futter für Wildtiere ist, sollten die Nutrias überhaupt nicht gefüttert werden“, sagt Kerstin Gudella. Wenn dann auch noch Futter in den Schlossteich geworfen werde, sei das nicht gerade gut für den Teich.

Bei einem Spaziergang Anfang April hatte ein Ehepaar an der Brücke vom Parkplatz Gartenstraße in Richtung Stadthalle gleich mehrere Nutriafamilien beobachten können. „Als Sie uns sahen, krabbelten einige ohne Scheu aus der Nuthe und bettelten nach Futter“, berichteten die Leser damals.

„Kein Wunder, wenn die Tiere regelmäßig und üppig gefüttert werden, gewöhnen sie sich schnell an diesen Umstand und erwarten dann immer wieder Futter von den Spaziergängern“, erklärt Gudella.

Die Ordnungsamtsleiterin fordert die Bürger noch einmal eindringlich auf, die Tiere nicht zu füttern und auch kein Futter an der Nuthe oder im Schlossgarten abzulegen.

Doch es sind nicht nur diese putzigen Wesen, die langsam immer mehr Sorgen bereiten. Denn der laxe Umgang mit Nahrung lockt auch immer mehr Füchse, Marder, Waschbären, Rehe und Wildschweine in die Nähe von Menschen. Und immer häufiger gibt es Meldungen über verwüstete Gärten, Sportplätze oder durchwühlte Mülltonnen.

Im Landesjagdgesetz von Sachsen-Anhalt heißt es im Paragraf 34: „In der freien Wildbahn dürfen Tiere nur in Notzeiten gefüttert werden. Wann eine Notzeit ist, beispielsweise ein besonders strenger Winter, legt die Jagdbehörde fest. Für Spaziergänger gilt jedoch: Sie sollten Wild in freier Wildbahn generell nicht füttern. In einigen Bundesländern ist dies ausdrücklich verboten. Wer dennoch Wildtiere füttert, muss mit einem Ordnungswidrigkeitsverfahren und einer Geldstrafe rechnen.“

„Das bischen Futter ist doch nicht schlimm“, wird oft aus falsch verstandener Tierliebe argumentiert. Ist es aber doch: Denn durch den Nahrungsüberfluss in Menschennähe steigt die Population der Nager sprunghaft an.

In Leipzig, wo Tierfreunde den Nutrias zu zusätzlichen Mahlzeiten verhalfen, droht jetzt sogar ein Bußgeld von 1000 Euro. Das gilt für alle, die das Fütterungsverbot missachten.

Auch bei Wasservögeln ist Vorsicht geboten. „Der Volkssport Entenfüttern ist zwar gut gemeint, schadet aber sowohl den Vögeln als auch den Gewässern“, klärt Alexander Porschke, Vorsitzender des Naturschutzbundes (Nabu) Hamburg auf.

Die Fütterungen fördern die massive Konzentration der Wasservögel an den Fütterungsstellen und führen mit den Brotresten und den Exkrementen der Tiere zu einer Überdüngung des Gewässers.

Die hohen Nährstoffkonzentrationen verursachen eine Massenvermehrung der im Wasser schwebenden Algen, zu den unteren Wasserschichten dringt kein Licht mehr durch. Die Folge ist, Pflanzen und Algen sterben ab und bilden eine  Biomasse am Grund, die durch Fäulnis zersetzt wird.

Dies verbraucht Sauerstoff, der dann den übrigen Bewohnern der Gewässer, wie Fischen und Kleinlebewesen fehlt. Immer häufiger sehe man, wie Tüten voller Brot an die Wasservögel verfüttert werden.

Damit schade man dem Gewässer sowie auch den Wasservögeln. „Wild lebende Tiere kommen in der Natur besser ohne uns zurecht“, so Porschke. Brot sei keine natürliche Nahrung der Wasservögel.

Übrigens, laut Nabu ernähren sich Nutrias überwiegend vegetarisch. Sie fressen hauptsächlich Blätter, Stängel und Wurzeln von Wasserpflanzen. Auch Mais verschmähen sie nicht. Selten ernähren sie sich auch von Schnecken, Würmern und Süßwassermuscheln.

Nudeln mit Tomatensoße, Bratkartoffeln, Schinken und saure Gurken gehören nicht zur Nahrung von Nutrias und auch nicht zur Nahrung von Wasservögeln wie Wildenten und Schwänen.