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Urteil Ziemlich teure Schnapsflasche

Einem Zerbster kommt eine gestohlene Flasche Schnaps ziemlich teuer zu stehen.

Von Andreas Behling 13.01.2020, 23:01

Dessau/Zerbst l „Ich war fixiert auf die Flasche Schnaps.“ Der einzige Zeuge in der morgendlichen Verhandlung der 7. Strafkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau sagte den Satz am Montag emotionslos. Der Mann ist kein Trinker. Die Aufmerksamkeit aufs Hochprozentige ist berufsbedingt. Der Mann ist Ladendetektiv. Und am 5. Juni 2019 beobachtete er einen Zerbster, der in der Kaufland-Filiale an der Alten Brücke eine Flasche Goldbrand durch die Kassenzone brachte, ohne die fälligen 5,29 Euro zu bezahlen, schon ziemlich genau.

Das Delikt heißt „Diebstahl geringwertiger Sachen“. Der 36 Jahre alte Täter, der als alleinerziehender Vater einer kleinen Tochter in einem Ortsteil von Zerbst lebt, erhielt dafür jetzt eine Geldstrafe in Höhe von 1100 Euro. Es ist eine Gesamtstrafe. Denn die Berufungsinstanz unter dem Vorsitz von Frank Straube hatte einen Strafbefehl des Amtsgerichtes Stendal einzubeziehen, der wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort ergangen war.

Da sich der Angeklagte selbst verteidigte, erklärte ihm Oberstaatsanwalt Hermann-Josef Gerhards, wie die Summe zustande kam. Die bloße Addition hätte 140 Tagessätze ergeben: 80 aus Stendal plus die 60 vom Amtsgericht Zerbst, wo erstinstanzlich verhandelt wurde. Doch eine Gesamtstrafe darf diese Zahl laut Gesetz nicht erreichen. Mit den 110 Tagessätzen folgte die Kammer dieser Vorgabe. Und blieb damit unter der Forderung der Anklagebehörde, die 120 Tagessätze zu je zehn Euro für richtig hielt.

Für einen Freispruch, den sich der selbstständig tätige Zerbster wünschte, sah die Kammer allerdings keinen Spielraum. Seine Aussage, dass er die Flasche Schnaps zu bezahlen vergaß, weil er zwischenzeitlich einen Anruf entgegennehmen musste, wurde als Schutzbehauptung gesehen.

Hier teilte das Gericht den Standpunkt der Staatsanwaltschaft. „Mit der Vergesslichkeit zu argumentieren, ist etwas lebensfremd“, sagte Gerhards. „Es lag kein so großer Zeitabstand zwischen dem Griff ins Regal und dem Deponieren der Flasche in einem Behälter unter dem Kinderwagen und dem Gang zur Kasse.“

Der Oberstaatsanwalt liege richtig, schloss sich die Kammer an. Zudem hielt sie den Auftritt des Detektivs („Gerade in der Spirituosen-Abteilung wird häufig gestohlen.“), auf dessen Vernehmung vom Amtsgericht damals verzichtet wurde, für sehr glaubwürdig. „Er war offensichtlich um Objektivität bemüht und hat Sie nicht in eine Diebstahlsecke gestellt“, sagte der Vorsitzende. Der Security-Mitarbeiter hatte den Angeklagten als Stammkunden beschrieben, der in dem Supermarkt zuvor „nie gemaust“ habe.

Nachdem er den Mann nur einen Meter nach der Kasse am Info-Stand, wo die andere Ware (Feuchttücher für das Kleinkind) bezahlt wurde, stellte und mit dem Vorwurf konfrontierte, habe der sofort zugegeben, dass sich die Flasche noch eingesteckt unterm Wagen befand. Trotzdem habe er den Zerbster darauf hinweisen müssen, dass ein Diebstahl vorlag und Anzeige erstattet werde. Der mehrfach vorbestrafte Mann sah – auch im Anschluss an eigene Recherchen im Internet – unumwunden ein, dass er mit einer Revision gegen die Entscheidung kaum einen Erfolg landen würde. Unmittelbar nach der Verkündung akzeptierte der 36-Jährige das Urteil, bat allerdings darum, die Strafe in Raten abzahlen zu können.