Bürgermeisterkandidat Andreas Dittmann (SPD): Die "gewisse Macke", die das Amt braucht "Wahlkampf ist eine unheimlich bereichernde Zeit"
Am 22. April wird der neue Zerbster Bürgermeister gewählt. Die Zerbster Volksstimme stellt in alphabetischer Reihenfolge die Kandidaten vor. Heute: Andreas Dittmann (SPD)
Zerbst l Dieser Termin steht auch im noch so stressigen Wahlkampf. Jeden Tag - mit sehr wenigen Ausnahmen - besucht Andreas Dittmann seine Mutter im Altenpflegeheim Am Plan. Seit Januar 2010 lebt die heute 78-Jährige dort. Ihr Auszug aus dem zuvor gemeinsam bewohnten Haus und ihre Pflegebedürftigkeit haben auch das Verhältnis von Mutter und Sohn verändert, sie einander näher gebracht.
Von Geburt an lebt Andreas Dittmann (44) im von den Urgroßeltern erworbenen Haus in der Lusoer Straße. Die Mutter zieht ihre vier Kinder allein groß. Die Großeltern gehen nach dem Krieg nach Steckby. "Hier habe ich immer meine Ferien verbracht", erinnert sich Andreas Dittmann. Die Elbe bei Steckby hat für ihn bis heute eine besondere Bedeutung. "Ich habe dort einen Platz gefunden, an den ich komme, wenn ich für mich wichtige Entscheidungen zu treffen habe", sieht er sich dazu auch von Hermann Hesses "Siddharta" inspiriert.
Die Entscheidung, Bürgermeister werden zu wollen, brauchte diesen Platz nicht. Die gibt es für den gelernten Maschinenbauzeichner und studierten Verwaltungsfachwirt, der auch zu seiner Entwicklung in DDR-Zeiten steht, schon seit Langem. "Wohl Jahrzehnte schon. Der Punkt, der mich antreibt, ist nicht das Amt, sondern der Wunsch, mehr gestalten zu wollen", so der Sozial-, Schul-, Kultur- und Sportamtsleiter der Zerbster Stadtverwaltung. In seiner langjährigen Verwaltungsarbeit habe er gemerkt, "was man bewegen kann, wenn man sich im positiven Sinn in Sachen verbeißt". Eine solche wesentliche Erfahrung sei 1995 die Entscheidung gewesen, die Stadthalle zur Fasch-Spielstätte zu entwickeln und dafür Fördermittel in Größenordnungen gewinnen zu können. Eine andere die Schulstandortpolitik, die Zerbst lange als Kreissache abgetan habe, "was zu Entwicklungen führte, die uns jetzt im Weg stehen". Die erfahrenen eigenen Entscheidungsgrenzen, die bisherigen Grenzen des Ressorts, sie möchte Andreas Dittmann als Bürgermeister überwinden. Er habe "bisher eine gute Mannschaft. Deren Motivation würde ich gern noch mehr auf das ganze Haus übertragen".
Der Verwaltungsmann kennt auch die andere Seite. Die Erfahrung der Kommunalpolitik zum einen. Seit fünf Jahren ist er Fraktionsvorsitzender im Kreistag. "Die Zeit ist wie im Schnellzugtempo vergangen, war aber auch unwahrscheinlich intensiv und lehrreich." Für den Einblick in ganz verschiedene Themenbereiche, "das hat meinen fachlichen Horizont sehr erweitert". Auch für die parteiübergreifende Sacharbeit, "die ich gern auf Zerbst übertragen möchte". Ein Bürgermeister Dittmann wird weiter im Kreistagsamt bleiben. "Das bietet ganz andere Möglichkeiten der Einflussnahme für die Stadt." Der Blick über den Stadtmauerrand ist ihm wichtig. Wie wesentlich und hilfreich der sein kann - sei es künftig bei der Schulentwicklung, der Inklusion, dem Stadtmarketing ... - weiß er auch aus bisher vier Jahren in der Arbeitsgruppe Schule und Kultur des Städte- und Gemeidebundes.
Und dann gibt es viel Ehrenamt. Weit mehr als ein "Amt" ist dabei etwa das Engagement für den Tanzsport auf Stadt- und Landesebene. 20 Jahre selbst aktiv, hat das Tanzen ein gutes Stück Andreas Dittmanns Entwicklung begleitet. Dass er dem Frühlingsball als Moderator verloren geht, steht ebenso wenig zu befürchten wie die in Wahlkampfbegegnungen oft hinterfragte Tatsache, dass er als Bürgermeister nicht mehr für die Kultur verantwortlich wäre (auch "Halbsätze").
All das, was er tut, sagt Andreas Dittmann, brauche schon eine "gewisse Macke". Die Leidenschaft eben, mit der er "wie mit Kompetenz" auch Zerbster Bürgermeister werden möchte.
Was nicht geht, ohne Kraft schöpfen zu können, Rückhalt und Rückzugspunkte zu haben. Die findet er in der Partnerschaft, die er seit sechs Jahren zwischen Rügen und Zerbst lebt. Er findet sie in einem Freundeskreis, der ihm wichtig ist und in Zerbst verwurzelt.
Kochen, viel lesen, Sport vom Laufen über Fitness, Skifahren bis Schwimmen bieten Ausgleich. Haus- und Gartenarbeit sind ohnehin gegeben.
Jetzt aber ist vor allem Wahlkampfzeit. "Ich habe die Wahlkampftermine nicht gezählt. Keine Ahnung, wie viel das sind", sagt der Bürgermeisterkandidat. Aber auch, dass "ich in der Zeit unheimlich viel gelernt und erfahren habe". Vom Plakatehängen im großen Stadtgebiet, das er selbst übernommen hat, und dabei mit vielen Menschen ins Gespräch kam. Bis zu kleinsten Diskussionsrunden. "Ich erlebe, dass es, obwohl immer von Politikverdrossenheit die Rede ist, viel Offenheit und Interesse in den Gesprächen gibt". Für Andreas Dittmann ist die Wahlkampfzeit so ebenso die selten zu habende "Chance, in solcher Intensität mit vielen Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen in Kontakt zu kommen. Das ist für mich sehr bereichernd".
"Everybodys Darling" kann und möchte er da wie in der Arbeit nicht sein. "Wenn es unbequeme Wahrheiten zu sagen gibt, tue ich das." Andererseits wisse oder erfahre er, wo er auch an sich selbst noch arbeiten müsse.
Eine Aufgabe heute wird sein, seine 36 Plakate wieder aufzuhängen, die zwei von der Polizei gestellte Jugendliche in der Nacht zum Donnerstag im Stadt- zentrum abgerissen haben.